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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Einleitung
Von den Gedichten
der
Marceline Desbordes-Valmore ist in dieses Werk nur eine verhältnismäßig
enge
Auswahl aufgenommen, und zwar aus künstlerischen Gründen. Die besondere
Eigenart jener französischen Verse ruht nebst ihrer sehr zarten Melodik
in
ihrer Einfachheit, in den natürlichen brüsken fast naiv offenbaren
Ausbrüchen
und Interjektionen, in dem unerhört Unmittelbaren, mit dem sich hier
das Gefühl
noch heiß und zitternd an die nachschwingende Strophe weitergibt. Jede
Nachdichtung gerät da in Gefahr, entweder an das Banale des Ausdrucks
oder an
eine Künstlichkeit sich zu verlieren: nichts ist ja schwerer zu
übertragen als
die spontane Einfachheit. So wurden (im Gegensatz zur früheren Ausgabe)
aus
größerer Anzahl nur jene Verse gewählt, die auch in deutscher
Übertragung das
Ungekünstelte ihres Gefühls zu vollem dichterischen Ausdruck bringen,
und
außerdem die Anordnung so gefügt, daß in den Versen das Lebensschicksal
sprechend zutage tritt. Mit Absicht habe ich zudem in der Einleitung
zwei
Gedichte und einige Strophen im Originaltext französisch belassen,
damit der
Vergleich mit der Urmelodie sich jedem handlich darbiete.
Die
Übertragungen stammen
(mit Ausnahme von „Vorahnung“ und „Um das Kind einzuschläfern“, die
Friderike
Marie Zweig übersetzt hat) von Gisela Etzel-Kühln, der hochbegabten
Dichterin,
der wir auch eine außerordentliche Nachdichtung von John Keats
verdanken. Ihre
Absicht, das lyrische Werk der von ihr sehr bewunderten Marceline
Desbordes-Valmore vollständig der deutschen Sprache zu gewinnen, machte
ihr
früher Tod zunichte. Sie ist in Bern gestorben, mitten im Werke, dem
sie viel
von ihrer Kunst und ihre ganze Liebe
gab.
zurück
Mein
Zimmer
Mein
Zimmer liegt fast
Schon
im Wolkenbereich;
Der
Mond ist sein Gast,
Immer
ernst, immer bleich.
Mag’s
drunten nur läuten!
Denn
was es auch ist,
Hat
nichts zu bedeuten,
Da
du
es nicht bist!
Ganz
still hier verborgen
Führ
ich Nadel und Zwirn,
Ohne
Zorn, ohne Sorgen,
Doch
mit weinender Stirn;
Den
blauesten Himmel,
Ihn
seh ich recht gut
Und
das Sternengewimmel –
Doch
auch Stürme in Wut!
Ein
Stuhl steht im Zimmer
Zu
seinem Empfang;
Der
seine war’s immer,
Der
unsre nicht lang.
Hier
steht er auch eben,
Mit
Schleifen geschmückt,
So
starr und ergeben,
Wie
ich, so bedrückt.
zurück
Vorahnung
Ich
fühl’s gewiß, ich werd’
ihn wiedersehen,
Es
brennt die Stirn, und
süßer sind die Tränen.
Ich
warte, horche auf, es
stockt das Wort –
Ein
Traum verkündet ihn und
schwindet fort,
Erschauern
treibt das Blut
mir aus den Wangen.
Wie
anders klingt der
Glockenschlag der Frühe!
Den
Tauber grüß ich: Liebe
zu empfangen,
Brächt
er sie nicht? ich
bebe, o ich glühe!
Mit
solchem Einsatz zahl
ich seine Nähe;
Nur
mählich lehrt mich
Liebe glücklich sein:
Ich
frier nicht mehr, wenn
ich ihn nicht mehr sehe,
Denn
schon schließt sein
Herz meines in sich ein.
Dies
Buch! ah ich vermag
nichts drin zu lesen
Als
dieses eine nur: bald
wird er bei dir sein!
Und
kindisch schwank ich
zwischen Lust und Schmerz –
Ja
dies ist Hoffnung, kenn
ich doch ihr Wesen,
Geduld,
o Liebe! Gnade!
Schon mein Herz!
Zu
grell ist Licht nach
dunkelvoller Nacht –
Laß
mich in Träumen noch zu
dir mich neigen,
Laß
stille stehen die Zeit,
mach alles lind und sacht!
Flüsternde
Weide, Bächlein,
wollt ihr schweigen!
Horcht
auf, beruhigt euch,
lang wird es nicht dauern:
Er
kommt! schon hör die
Erde ich erschauern.
Wie
damals unversehens, in
der ersten Zeit.
Zu
eng ward mir der Fenster
Blätterschatten,
Ich
floh hinaus. Was? Ist
noch Sommerzeit!?
Und
Menschen sind? In Blüte
Feld und Matten?
Doch
gestern! ohne ihn war
alles trübe,
Ach
gestern drang kein
Strahl zu mir herein –
Gott!
– Sommer, Licht und
Himmel: er ist’ ganz allein!
Ja
du
meinLeben! Alles
lacht nun unsrer Liebe –
Du
kommst! und Sommer,
Himmel,
Liebe, sie sind
mein!
Ich
fühle, wie sich Flügel
in mir regen,
Ich
schwing mich auf und
fliehe dir entgegen!
zurück


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