 |
 |
 |
 |
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Das
Kopfkissen eines kleinen Mädchens
Du
liebes kleines Kissen, angefüllt
Mit
zarten Federn, weiß und
warm bist du;
Wenn
Wind und Wolf und
Ungewitter brüllt –
Bei
dir ist Schlaf für mich
und gute Ruh.
Viele
viele Kinder, arm,
verwaist und blaß,
Kein
Dach, kein Kissen
hütet ihren Schlaf,
Und
sie sind immer müd: o
bittres Los!
Ach,
Mutter, welch ein
Unglück sie doch traf!
Da
bete ich für all die
Kleinen, die
Kein
Kissen haben, und ich
küsse meins;
In
meinem Nest zu deinen
Füßen, sieh,
Segn’
ich dich, Mutter, und
berühre deins.
Ich
wache nicht, bevor der
Morgen weht
Und
fröhlich durch den
blauen Vorhang lacht;
Jetzt
sag ich leis mein
innigstes Gebet,
Noch
einen Kuß, Mama, und
gute Nacht!
zurück
Gebet
(Abgesang)
Du
Gott der Kinder, unter
meinen Händen
Schlägt
voll Gebet ein
Mädchenherz; o hör!
Man
spricht von Waisen, die
kein Obdach fänden,
In
Zukunft, Gott, mach
keine Waisen mehr!
Laß
abends einen Engel
niederkommen,
Der
Seufzer still und jedes
Leid bewacht;
Und
wem der Tod die Mutter
fortgenommen,
Dem
gib ein Kissen, das ihn
schlafen macht.
zurück
An
meinen Sohn
(vor
seiner Reise in das
Pensionat)
Ein
Abend war, der
Herdschein hellte sacht
Das
Haus, von Arbeit und
von dir belebt.
Großvater
hielt mich
träumend auf den Knieen
(Mit
uns zu wachen wird er
nimmer müde).
Er
sprach: begann von
Trennung, von der Schule,
Von
Arbeit, vom Erfolg,
der sie erleichtert –
Und
dankbar, daß ihn einst,
so jung er war,
Die
Mutter hingebracht .
. er sprach’s für mich . . .
Auch
breitet’ er vor deine
Blicke Bilder,
Wies
neue, weite Horizonte
auf,
Erzählte,
wie, so klein er
war, er doch
Die
Mutter unterwegs
gestützt, geführt,
Als
diese einsichtsvolle
Frau ihn trotz
So
inniger Liebe von sich
fortgeleitet.
Sein
Blick war feucht, der
mich von unten streifte.
O ja,
das Kind will stets
voran, das weite
Gebiet
der Welt durchziehn
und heiß betrachten;
Sein
Sinn ist gleich dem
Vogel ohne Rast,
Der
überall dem Tag
entgegenfliegt.
Nur
wußte ich, daß mir ein
Traum zerronnen,
Daß
alles Abschied nimmt,
daß jedes Glück
Versiegt
– und meine
Pflicht verwirrte mich.
Doch
tat ich sie? . . .
Mein Vater konnt es sehn!
Am
andern Tag entführt ich
eine Seele
Dem
trauten Nest der
Heimat, und vorbei
An
unsrer Buchenhecke und
den Tauben,
Die
zusahn, wie wir gingen,
wußt ich nicht
Die
Türe hinter dir zu
schließen; nein
Wie
eine, dreimal willig
umzukehren,
Im
Glauben, irgend etwas
sei vergessen –
So
war ich dreimal zögernd,
fortzugehn.
Der
Wagenführer rief. Ich
hört ihn ja,
Indes
ich immer noch nach
rückwärts sah!
Und
du! Hell lachte deine
Seele in die Welt
Und
überall, wo unser Wagen
hielt,
Du
lieber Hüter meiner
rauhen Pfade,
Stiegst
du herab, mir zart
die Hand zu reichen.
Man
freute sich des so
eilfertigen Pagen,
Des
so ergebnen,
liebevollen Kindes,
Und
in mir sprach ein
letzter Traum von Glück:
„Nie
machst du ohne ihn den
Weg zurück!“
Die
wir auf Erden unsre
Früchte tragen,
- Der
Männer zarte
Schwestern, aber stark
In
Liebe – ach, wir Mütter,
warum geben
Wir
ihnen Leben, da man sie
uns raubt?
Kaum
sind sie unser, nimmt
man sie uns wieder.
O
Mütter, wißt ihr denn,
was man sie lehrt?
Vor
Herrenzorn erzittern
und aus Pflicht
Im
Jahr nur einmal bitten,
uns zu sehn,
Und
ihr Erinnern von uns
abzuwenden.
Was
aber wissen sie? Von
fremden Sprachen,
Vom
unterdrückten Aufstand
armer Völker,
Auf
die nur stets die
Geißel niedersaust;
Und
nur die Zeit wird sie
das Rechte lehren.
Du
Reinhheit meines Kinde
wirst vernichtet!
Und
kehrt mein Sohn mir
wieder, o, so ist
Er
gar gelehrt und wird
Lateinisch reden.
Mein
armes Kind! Ich aber
wage nicht
Wie
früher deinen blonden
Kopf zu kämmen.
Du
wirst Lateinisch reden!
Und du wirst
Mit
mir kein lang Gespräch
mehr führen können
Und
wirst dir sagen, Mutter
weiß ja nichts!
Geh
doch! die Liebe selber
weiß nicht mehr;
Sie
leitet alles ohne Wort und
Worte.
Si
viel, als meine Füße
mich nur trugen,
Hab
ich, um deine Tage zu
bereichern,
Herbeigesucht,
was deine
Phantasie
Antreiben
könnte: das ist
unser Mühn
Und
unsre Poesie. Auch goß
ich manche
Recht
ernste Lehre in dein
weiches Herz,
Das
meine sanften Lieder
sonst gewiegt.
War’s
nicht genug für dein
so junges Alter?
Noch
hast du nicht zehn
Jahre, kleine Seele!
Und
schade ist es und
gefahrvoll auch,
Schon
deiner Jugend all die
fremden Schrecken
So vieler Heimlichkeiten aufzudecken . . .
zurück


|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
 |
 |
 |
 |
|