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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Bekenntnis
einer Frau
Madame,
Sie möchten wissen
Warum
ich abschlug, Sie zu sehn?
Wer
liebt, sucht Hindernissen
Gern
aus dem Weg zu gehn.
Die
Frau kennt gut die Macht der Frauen;
Ihr
Reiz, Madame, raubt mir die Zuversicht:
Vermöcht'
ich ohne Tränen Sie zu schauen?
Und
weinen wollt ich nicht.
Wohin
ich immer gehe.
Mein
einziger Freund kommt auch dorthin;
Welch
Schicksal ihm geschehe,
Geschieht
auch mir, da sein ich bin.
Gedenkt
man der bescheidnen Flammen,
Beim
Feuer, das aus Ihren Augen bricht?
Die
Seele bebt und schrickt zusammen:
Und
beben wollt' ich nicht.
Die
Ihnen Weihrauch bringen,
Ich
mischte mich nicht unter sie.
Mein
Herz kann leicht zerspringen —
Ihr
Ton, Madame, ist Melodie!
Er,
der mir diese Angst gegeben,
Es
könnte sein, dass er dann zu mir spricht,
Gleichgiltig
sagt: »Du bist nicht froh, mein Leben?«
Und
lügen wollt ich nicht.
War
nie bei Ihren Gästen
Der,
dem Ihr Herz geneigt?
Hat
es bei solchen Festen
Dann
keine Angst gezeigt?
Wer
liebt, kann nicht dem Leid entgehen.
Die
Zärtlichste und auch die Schönste nicht.
Nur
Tod macht einen Treubruch ungeschehen:
Und
sterben wollt ich nicht.
zurück
Der
Ruf an der Rhone
Das
Erntemädchen war gekrönt; von frischen Kränzen
Zog
festlich sich vom Dorf zur Stadt ein Blumenband.
Die
Kinder trugen heut' ihr buntestes Gewand,
Im
Aug' der Greise sah man Erntefreude glänzen.
Auf
einmal endigte die Lust,
Dem
Irrlicht ähnlich, das, wie es entsteht, verglüht.
Ein
langer Schrei fuhr kalt, wie Eis, durch jede
Brust,
Verstummt
war jedes Lied.
»Zurück,
zurück, das Kind, das sich verlief im Schwarme!
Die
Mutter weint! – das Kind! – o, daß sich Gott erbarme!«
Zu
dumpfem Brüten ward ihr lautes, wildes Klagen;
Für
ihren bittern Schmerz hat sie nicht Worte mehr.
Hort!
daß ihr es erkennt: es sagt euch nicht, wie sehr
Es zu
bejammern ist; nur: Mutter! kann es sagen.
Noch
Keiner, der: hier ist es! rief–
Hat
es am Ufer denn kein Einz'ger spielen sehn –
O
Gott, die Rhone ist so tief! –
Ein
schwaches Kind! – kaum konnt' es gehn! –
Zurück,
zurück, das Kind, das sich verlief im Schwarme!
Die
Mutter weint! – das Kind! – o, daß sich Gott erbarme!
Sein
Aug' ist schwarz und sanft, es hat erst wenig Zähne.
Gelb,
wie das reife Korn, ist meines Kindes Haar;
Furchtsam
und schwankend geht's, und mit Kornblumen war
Sein
Kleid besetzt; gewiß steht eine helle Thräne
In
seinem Aug'; – ihr kennt es, wär'
Es
nackt – oft nahm ja schon die Armuth schwachen Kleinen
Ihr
Kleid! – ein Engel, ohne Wehr,
Würd'
es in seiner Blöße weinen!
Zurück,
zurück, das Kind, das sich verlief im Schwarme!
Die
Mutter weint – das Kind! – o, daß sich Gott erbarme!
Der
alte Rufer schweigt; ein: hier! nur aus dem Volke
Will
er, lang wartet er; umsonst – die Mütter sind
Wortlos,
und jede drückt fest an die Brust ihr Kind;
Der
Schrecken legt sich trüb aufs Fest, wie eine Wolke.
Man
sagt, daß mit verstohlnem Gang,
In
Lumpen eingehüllt, barfuß ein Bettler dorten
Schlich;
unter seinem Mantel klang
Ein
leises Wimmern zu den Worten:
»Zurück,
zurück, das Kind, das sich verlief im Schwarme!
Die
Mutter weint! – das Kind! – o, daß sich Gott erbarme!«
zurück
Die
Nachtwache des Negers
Die
Sonn' der Nacht erhellt
der Küste nackte Höhen;
O
Herr, wie lange noch verziehen wir im Sand?
Sanft
will ich tragen dich; o, reich' mir deine Hand!
Erwache,
guter Herr! laß uns zu Menschen gehen!
Herr!
seit drei Tagen
schon sind deine Augen zu:
Schläfst
immer du?
Sieh',
der Platanenwald
fiel nieder vor den Schritten
Des
Sturms; das Schiff verschwand zertrümmert in der Fluth.
Von
deiner bleichen Stirn wusch ich das rothe Blut;
O
komm! gern öffnen uns die Schwarzen ihre Hütten.
Herr!
seit drei Tagen schon sind deine Augen zu:
Schläfst
immer du?
Was
du wohl träumen magst?
dein Sklav' errieth es gerne.
O,
lang währt dieser Traum! weicht er, wenn es am Strand
Hell
wird? drückst du erwacht des treuen Dieners Hand?
Ja,
wecken will ich dich, sobald nur fliehn die Sterne.
Herr!
seit drei Tagen schon sind deine Augen zu:
Schläfst
immer du?
zurück
Des
Weibes Traum
Wünscht
du dich wieder jung auf Erden,
O
Weib mit schon gebleichtem Haar?
Willst
du zum Kinde wieder werden,
Umschmeichelt
von der Engel Schar?
Willst
du, daß dich die Mutter kose
Und
daß ihr Lied dir wieder tön’?
–
»Das süße Glück, das namenlose?
O
ja, mein Gott, wie wär’ das schön!« –
Willst
du, im Elternhaus geborgen,
Bei
frohen Spielen und Gebeten
Aufdämmern
wie ein Frühlingsmorgen,
Noch
von der Unschuld Hauch umweht?
Soll
dich die Jugend neu beschwingen
Wie
Vögel in den lichten Höh’n?
–
»Wollt’ sie so schnell nur nicht
entspringen!
O
ja, mein Gott, wie wär’ das schön!«
&ndash,
Willst
du noch fremd ins Leben schauen
Wie
in ein unbekanntes Buch,
In
jungfäulichem Weltvertrauen
nichts
ahnen von des Unglücks Fluch?
Und
willst dieselben Pfade schreiten,
Die
lockten deinen Mädchensinn?
–
»Wenn sie nicht hin zu Gräbern leiten,
O
ja, mein Gott, dann hilf mir hin!« –
So
labe dich von Jahr zu Jahren
An
Freundschaft, Blumen, Harfenspiel, –
Sollst
jede Freude neu erfahren,
Bis
zu des Herzens schönstem Ziel.
Schon
ist die stille Glut erglommen, –
Nun,
wilde flamme, loh’ heraus!
–
»Soll mir die Liebe wiederkommen?
–
O du mein Heiland, lösch’ mich aus!«
zurück
Erinnerung
Als
eines Abends
plötzlich er erblaßte,
Als
seine Stimme unverhofft verstummte
Im
halbgesproch’nen Wort, als seine Augen
So
brennend heiß, mich schwer verwundeten
Mit
Leiden, die ihm eigen, wie ich wähnte –
Als
seine Züge von der Gluth durchflammt,
Die
nimmermehr erlischt, sich lebend prägten
In
meiner Seele tiefsten, tiefsten Grund,
Da
liebt’ er nicht, ich liebte, ich allein.
zurück
Ich
weiß nicht mehr
Ich
weiß nicht mehr, was
meinen Zorn erregte,
Er
sprach zu mir – sein ganzes Unrecht floh,
Sein
Auge fleht, sein Mund strebt zu Gefallen. –
Wohin
mein Zorn entwichst du schüchtern so?
Ich
weiß nicht mehr. –
Ich
will nicht mehr
betrachten, was ich liebe,
Denn
lächelt er, vergeblich wird mein Schmerz,
Er
zwingt durch Himmelssanftmuth mich zur Liebe
Und
thut er's nicht, so thut's das eig'ne Herz.
Ich
will's nicht mehr.
Ich
kann ihm nicht
entfliehen, wenn er ferne
Und
mein Gelübde ist umsonst, ich blieb,
Als
er zugegen, hindernd daß er's lerne. –
Doch
fern von ihm sein, der allein mir lieb,
Ich
kann's nicht mehr.
zurück
Hätt'
er's gewußt
Hätt’
er’s gewußt, wie tief
er mich verwundert,
Ihr
heißen Thränen, hätt’ er euch geseh’n,
O
hätte nur dies Herz, von ihm erfüllet,
Die
Macht behalten, ihm es zugesteh’n;
Unmöglich
hätt’ er so sich ändern können;
Getäuschte
Hoffnung brächt’ ihm keine Luft;
So
reiche Liebe müßt’ ihn doch besiegen,
Hätt’
er’s gewußt.
Hätt’
er’s gewußt, was man
erwarten dürfe,
Von
einer Seele, rein, warm, nie versteckt;
Die
meine fordert’ er, es zu erfahren,
Und
Liebe kennt’ er, wie er sie geweckt.
Wohl
künden ihm es die gesenkten Blicke,
Hat
er es nicht durch meine Schaam gewußt?
Werth
war ein solch Geheimniß seiner Seele,
Hätt’
er’s gewußt.
O
hätt’ ich selbst gewußt,
wie seine Augen
Beherrschen,
wenn sie einmal faßt der Blick;
Statt
ihn zu suchen, wie die Luft des Himmels,
In
and’re Länder trüg’ ich mein Geschick.
Es
ist zu spät, mein Daseyn zu erneuen,
Das
Leben kostet mich die süßte Lust.
Doch
er, der mir es raubt, wird seufzend klagen:
Hätt’
ich’s gewußt!
zurück
Die Briefe
Was
soll's, was wollt ihr doch,
Ihr
Liebesbriefe, viel geheimen Klagen,
Die
ich entsetzt, verstört verbarg; wollt ihr nun noch
Stumme
Gebete sagen?
Ihr
ruft . . . ich träume, suche, muss mit
Zittern
Den
Schlüssel greifen, der sich nie vom Herzen trennt;
Zwar
scheidet eine Stille mich von den Gewittern,
Doch
diese Stille brennt!
Ich
wage nicht zu atmen! Traurig, doch nicht herbe,
Muss
ich mich hilflos dem Vergangnen geben.
Der
Gram, der mich bedrückt, an dem ich sterbe.
Die
Zukunft soll ihn leben.
Doch
jetzt komm du – o taumelsüsses Glück!
Verjag
das Leid, verbirg, was ferne droht,
Dir
opfre ich Vernunft und Not,
Komm,
führe mich zurück!
Schon
treibt aus Freuden
her ein Schatten auf mich zu:
Aus
offenem Gefach springt Amor auf.
O
meine Seele . . . was enteilest du,
Dem
Schatz entgegen – meinem Blick vorauf!
Da
ist er! – Immer da, verborgen in Papieren,
Den
schwachen Bürgen einer ewigen Glut!
Dem
einzigen Wahn, dem einzigen Reiz und Gut,
Daran
mich zu verlieren!
Getreues
Echo ihr der Schwüre, die er
brachte.
Getreues
Denkmal des, was er erwog;
War's
Amor selbst, der so beredt ihn machte,
Die
Feder, die euch schrieb, aus eigener Schwinge zog?
Befreiung
seines Herzens, des meinigen Entzücken,
Ihr
stummen Reden, alle doch gehört;
Die
Macht der Trennung ward von eurer Macht zerstört:
Euch
lesend, lese ich in seinen Blicken!
Umschliesst
ihr nicht den Schwur, vielfach geschrieben,
Er
liebe mich, nur mich . . . und werde ewig lieben? . . .
Dies
Band, das er zwei Tage trug,
Die
Blume hier, noch voll von seinem Atemzug?
Gleich
jener Wollust, die ich kaum gekannt.
Enthaucht
sie einen Duft, der sehr betört,
Wär's
seines Atems lieber Brand?
Wär's
seine Seele, die mich heiss beschwört?
Welch
schöne Farbe hat das Band, das er mir schenkte!
Des
Himmels Blau ist reiner nicht:
Wie
tief mein Auge sich darein versenkte,
Er
hat nicht diesen Glanz, nicht dieses Licht!
Was
las ich doch? . . . Sein Abschied,
hier – für immer!
Das
Glück – ich griff danach, es stiess mich fort;
Ich
rief nach Hoffnung – mir erstarb das Wort.
Und
sieh – mein ständiger Begleiter naht sich dort!
O
kalter Gram, so düster wie der Hass – nein schlimmer!
Da
bist du wieder!
Nimm
hin dein Opfer, bind' es, wirf es nieder,
Gib
seine Ketten ihm zurück; –
Ich
gebe dir ein Herz noch voll von Liebesglück!
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