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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

An
meine Schwester
Das
ist nun so! Ich liebe
ihn, und er allein,
Nur
er gefiel mir; seine Züge,
seine Stimme,
Sanft
wie die Liebe,
fürchterlich im Grimme . . .
(Erbarmen!
Sieh, ich weihe
dich in alles ein!)
Was
er begehrt, gelobt – Gelöbnis
gab ich wieder,
Ich
liebte ihn, die Qual –
anbetend kniet ich nieder.
Sein
eifersüchtiger Vorwurf
rührte mich noch mehr.
Ich
starb an ihm und sagte
nur: „Vergib!“
Ich
war so unterjocht, daß
mir kein Selbst verblieb.
Und
hättest du ihn weinen
sehn, du wärest sehr
Mir
bös geworden; ja du
hättest nicht
Ihn
hören können, ohne
selbst zu weinen.
Begreifst
du, daß mein Herz
sich schuldig spricht
Und
gerne stirbt –
hinschmelzend in dem seinen? –
Das
schwanke Schilf, von
Sturm bedroht,
Sieht
seinen Mut gebeugt;
doch weht ein sanftrer Hauch,
Erhebt
es sich, schaut auf
aus seiner Not:
So
heb an seinen sanftren
Blicken ich mich auch.
Wenn
dann mein Herz von
neuem Leben fand –
Wie
trostreich war sein
Wort und wagte keine Klage;
Gleich
ihm erbebend und
entzückt, empfand
Ich
nur des Sturmes Lust –
vergaß die Niederlage!
Welch
süßes Beieinander,
Gott, welch irres Glück,
Wenn
seine Stirn an meinem
Herzen lehnte,
Wenn
seine Träne sich nach
meinem Lächeln sehnte –
Wenn
ich ihn fühlte, mein
und ganz zurück!
Mir
war kein Leid geschehn,
er weinte. – Doch die Zeit
Des
Unrechts und der
Tränen, Schwester, die ist weit;
Das
Unrecht seiner Liebe,
das von Reizen sprühte –
Jetzt
wird mir nichts, als
seine stumme Güte.
Die
Güte des Unbeugsamen!
Wie
straft er hart,
Daß
mich ein Tag genarrt,
An
dem ich Macht besaß, den
dem mein Friede starb,
An
dem mein Glück für alle
Zeit verdarb.
Für
alle Zeit! Glaubst du?
Sag, daß es Irrtum ist,
Daß
er nur prüfen will,
nicht grausam sein,
Mir
wiederkehren wird – sag
mir’s zum Schein,
Doch
sieh, daß er mich
täuscht mit gleicher List.
Erbitte
das von ihm,
beschwöre ihn . . . nein, bleibt
Uns
trennt ein Stolz – ein
Stolz so kalt wie Tod.
Du
siehst, er flieht vor
mir, du siehst auch meine Not.
Ein
Mann ist grausam –
daran stirbt das Weib.
Mir
bringt es Sterben – ihm
war’s Zeitvertreib!
Klag
ihn nicht an; noch bin
ich ihm ergeben;
Bin
noch am Leben;
Und
eh ich ihn verriete – Schwester,
nein,
Viel
lieber ewig stumm und
ewig klaglos sein!
Nichts
ist beständig, also
auch nicht er.
Woher
dies Murren und die
herben Tränen?
Was
nimmt die Liebe das
Verschmähtsein schwer!
Nichts
ist beständig – also
auch nicht er.
Er
flieht ein Glück, das
ungerührt ihn ließ –
Ist’s
an der Liebe, ihm das
vorzuhalten?
Mein
Weh soll nur in dir
sich neu gestalten,
Und
sucht er deinen Blick,
so sag ihm dies:
Sprich
nur mit deinen Augen
meinen Namen,
Stumm
sei dein Vorwurf,
dein bescheidnes Leid;
Verzeihe
ihm wie ich zu
jeder Zeit.
Ach,
alle Flammen, die zum
Sterben kamen,
Entzünden
sich an keiner
Reue neu!
Mag
er ganz unbefangen mich
beweinen
Und
arglos, daß er schuldig
sei,
Sein
Trauern still mit
deinen Tränen einen.
Sieh,
Schwester, lang schon
habe ich den Tod erkannt.
Denn
plötzlich fiel auf ihn
ein heller Strahl,
In
jener Nacht, als aus
erloschnem Brand
Des
Liebsten kalter Blick
sich zu mir stahl.
Wie
schreckt die Seele auf,
wenn ihr ein Wahn zerrinnt!
Der
schwanke Halm erbebt
nicht so im Wind,
Nicht
so der Vogel, den ein
Blitz erregte –
Ich
fühlte, wie ein Unheil
seine Netze legte.
Zum
ersten Mal – wie stets
voll Überlegenheit –
Schien
er mein Sein von
eignem Sein zu trennen:
Er
sprach von Glück, doch
ohne Zärtlichkeit,
Sprach
von der Zukunft –
ohne mich zu nennen!
Und
seine Hand, die sonst
wie er so freundlich tat,
Blieb
kalt bei meinen
Sorgen,
Sein
Auge, das so oft ein
Wiedersehn erbat,
Sprach
nicht: „Auf Morgen!“
Bleich,
fast auf Knieen,
beschwörend sagte ich –
Ich
sagte nichts; kann doch
ein Schluchzen sprechen!
Ein
stummer Schrei begehrte
bitterlich
Den
Busen, der ihn
niederhielt, zu brechen.
Das
dumpfe Schweigen, das
viel eifrig spricht –
Ach,
alles, alles bat in
mir: er hörte nicht!
Es
war zu Ende, Schwester.
Unter
Tränen kam
Ich
zur Vernunft, doch
nicht zurück zum Leben:
Ich
lauschte . . . bis ich
seinen Schritt nicht mehr vernahm;
Ich
war allein – ein
Kindlein das soeben
Verlassen
von der Mutter,
seine Stimme bricht
An zu
viel Weinen, und dann
reglos steht,
Bleich
und erwartungsoll; dies
Kind fühlt nicht
Solch
grauenvolle Pein, in
der es untergeht,
Nicht
solche dunkle Last
wie würgend an der Kehle,
Nicht
solche Not der Seele,
Nicht
solch Gespenst, das
drohend zu ihm findet,
Wenn
seinem Blick der Tag –
die Hoffnung schwindet.
Was
ist’s, das jenen Vogel
entsetzt zum Neste treibt?
Der
Schatten meiner nahen
Todesnacht steigt auf:
Sieh,
wie er dort im Nebel
schwarze Zeichen schreibt,
An
meinen Fensterblumen
windet sich’s herauf.
O küß
mich, Schwester!
Seine dunklen Schwingen
Berühren
mich, um mir den
ewigen Schlaf zu bringen.
Der
Strahl, der flieht, es
ist der Tag nicht mehr,
Nicht
mehr das Leid und
auch die Liebe nicht;
Es
ist mein letzter Blick:
so kalt wie er
Ist
mein Gedächtnis, wie
ein Spiegel, der zerbricht.
Nichts
ist beständig, Schwester,
alles bleicht, vergeht –
Ich
weiß, daß Friede oder
Tod in meinem Herze steht.
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