 |
 |
 |
 |
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Trennung
So
ist es nicht für ihn,
daß ich durch Tage,
Langheiße
Tage, müde
Schritte trage?
Nicht
sein Erwarten, seine
Liebe nicht,
Nicht
seine sanfte Stimme
voll Gewalt,
Die
durch die Dunkelheit
beschwörend spricht –
Nichts
blieb mir, nichts!
Nahm er mir alles fort,
Was
ich geliebt? Die Welt
ist leer und kalt;
Die
Zeit steht still, die
Stunde schlägt nicht mehr.
Und
immer leben, immer,
fort und fort!
So
stirbt man nie, und
diese Last, die schwer
Auf
meine Seele drückt, ist
Ewigkeit?
Endlose
Nacht, was brüstest
du für Flammen!
Selbst
Vogelseufzer
schweigt zur Abendzeit,
Mein
Jammer nur bricht
nicht in Schlaf zusammen.
Die
Glut erlosch – und
dennoch fehlt der Schlummer!
Ist’s
doch nicht mehr für
ihn, wenn meinem Kummer
Die
Muse folgt und mit mir
ruhlos schweift
Und
über Blumen schreitend
oder Moos
In
meine Verse Duft und
Tränen streift.
Er
liest mein Lied nicht
mehr; gedankenlos
Vermeint
er, meine Seele
sei erstorben;
Sein
kaltes Herz, das einst
um mich geworben,
Begreift
die Qualen nicht,
die in mir ringen.
Erfahr
er’s nie! Kann er
mir Heilung bringen?
Sein
Stolz soll nie die
herbe Wollust kennen,
Daß
meine Tränen die
Gewalten nennen,
Die
mich voll Anmaßung ihm
entgegenzwingen.
Was
dankt ich meinem
Schrei?
Er
wird erschrecken,
In
Mitleid wiederkehren?
Lieber
Tod!
Wer
kann ein ganz
Zerstörtes neu erwecken?
Ist
er denn noch das Glück?
Er selbst zerbrach
Sein
Bild und warf mein
Herz in bittre Not.
Kann
er die süße Unschuld
wiedergeben
Und
Unerfahrenheit, statt
Schmerz und Schmach?
Die
Liebe floh mit aller
meiner Habe,
Und
was ich gab, das ist
verlorne Gabe.
zurück
Die
Verzeihung
Ich
sterbe, von der Pein
des Schicksals übermannt;
Willst
du des letzten
Augenblicks Entsetzen lindern?
Leg
wieder auf mein Herz
die schuldige Hand –
Laß
nichts dich hindern!
Sobald
es aufgehört, dich
flammend zu erleben,
Macht
keine überflüssige
Reue dir Beschwer;
Sprich
nur: „Dies Herz so
zärtlich mir ergeben,
Es
liebt nicht mehr . . .“
Die
Liebe flieht aus meiner
wunden Brust; ich sterbe!
Schau
an dein grausam Werk,
schließ nicht die Augen zu;
Der
Tod in mir ist nicht so
kalt und herbe,
So
Eis wie du!
Nimm
hin dein Gut! Dies
Herz, das nur für dich gewesen,
Hat
keine andre Gabe als
sich selbst bereit;
Zerreiß
es! Und noch immer
wirst du lesen,
Daß
es verzeiht.
zurück
Schlafe
Dein
Schicksalssturm hat
mich ins Knie gebogen,
Und
deine Tränen weinte ich
mit dir;
Wie
hoch du flogst, ich bin
dir nachgezogen,
Dein
Weheschrei fand
Widerhall in mir.
Doch
was ist Freundschaft
dem, der Liebe fühlt?
Ich
habe nichts geheilt und
nichts erworben.
Verbrannter
Boden, den die
Woge kühlt,
Er
bleibt verbrannt – so
bleibt das Herz gestorben.
Ich
liebe noch – o nein!
Ich bin nicht tot!
Ich
gleite vor dir her
durch die Gelände;
Wie
erster blasser Schein
von Morgenrot
Erwärm
ich deine Blicke,
deine Hände.
Der
Kranke fühlt in seinem
Schlummer nicht
Den
kühlen Hauch, der seine
Leiden wendet,
Den
sanften Traum, der
Schmerz und Fieber bricht:
Ich
bin der Traum, den Gott
für dich gesendet.
Wie
müder Cherubim, der das
Gefunkel
Der
goldnen Schwingen fest
zusammenrafft,
Verhülle
deinen Glanz – und
durch das Dunkel
Geleite
dich mein Lich und
meine Kraft.
zurück
Gebet
Laß
nicht mich sterben
unterm Eis der Jahre,
Gott,
der mein Herz aus
reinem Feuer schuf.
Mich
ängstet Nacht; gib mir
in tagesklare
Und
sturmdurchjagte Stunde
deinen Ruf!
Und
vor dem Tod des Einen
sei’s vollbracht,
Den
ich geliebt; zu schwer
ist andres Sterben!
Sein
Atem hauche Glut in
mein Verderben
Und
dulde nicht, daß Frost
mich fühllos macht . . .
zurück


|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
 |
 |
 |
 |
|