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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Die
Gefängnisse und die Gebete
Weint!
Zählt die Namen der
Verbannten Frankreichs;
Den
großen Herzen, die so
hoffend brennen,
Fehlt
Luft und Freiheit.
Legt die Trauerpalme
Zu
Füßen ihrer Leiden hin
und kommt!
Der
Kerkermeister nur darf
sie erblicken.
Kommt
weiter! Unsre frommen
Arme haben
Nicht
Kraft noch Waffen,
und wir können nicht
Dem
Brudermorde das Gelübde
weihn,
Doch
wir sind Frauen, unser
sind die Tränen
Und
das Gebet – und Gott,
der Gott des Volkes,
Will
dies von uns. Seht
hin, zum Kerker gleiten
Die
heiligen Seelen; seid
gegrüßt, die ihr
Hienieden
eure Schwingen
still verbergt!
Ihr
blassen Fraun in dünnen
feuchten Mänteln,
Viel
Schmutz und Staub
erlahmte euren Schritt.
Gegrüßet
seid! Lebendige
Tränen röten
Den
Blick, der in die
dumpfe Welt sich stürzt
Und
drin ertrinkt. Ihr irrt
umher wie einst
Im
Hain Gethsemane; denn
Christus leidet,
Und
Judas triumphiert; ja
Christus leidet.
Denn
viel Verbrechen fühlt
sein Herz voraus.
Er,
der die Ketten brach,
obgleich sein Arm
Ans
Kreuz genagelt war, er
sieht von neuem
In
seinem Blute viele Opfer
bluten.
Er
möchte nochmals sterben,
um die Hölle
Nochmals
zu schließen!
Eilt, ihr Waisenkinder,
Steigt
in die Wage, betet
für die Bösen,
Die
ohne Reue leben, und
erkauft
Verzeihung
aller Missetat
mit Tränen,
In
bittrer Flut wascht
unsere Toten rein!
Und
wir, laßt uns nicht
mehr mit unsern Fahnen
Die
Söhne senden in
ruchlosen Kampf.
Soll
die Scharpie, die
unsere Hand gerichtet,
In
unsres Herzens eignes
Blut sich tauchen?
Erbarmen!
Keine Zeit bleibt
uns zum Haß,
Der
bös und niedrig ist; es
tagt, es tagt!
O
Frankreich, sieh, dein
Gott kann Liebe brauchen,
So
sei in Liebe ohne
Unterlaß,
So
sei in Liebe, liebend
sei’s gewagt,
Geh
hin, zerbrich die
Ketten, daß es tagt!
zurück
Um das
Kind einzuschläfern
Wär
ich das Kind, das
liebste mein,
Dann
weint ich nicht,
bewahre, nein!
Ich
wäre lustig und
vergnügt
Und
jede Träne rasch
versiegt,
Ich
horcht auf Uhrenschlag
und Wind.
(Ich
sag das für das
liebste Kind.)
Wohnt
ich in dieser
Schaukelwiege,
So
war ich brav, daß ich
was kriege,
Brav
und mild
Wie
ein Bild,
Und
leiser noch als Vöglein
– flieget
(Ich
sag’s fürs Kindlein in
der Wiege.)
Hört
ich die Wölfe heulen
im Ort,
Die
Großen jagen sie schon
fort!
Doch
stolz wie ein Mann,
Der
schnarcht was er kann,
Sagt
ich: ich schlafe, ihr
Herren, rasch fort!
(Ich
sag das für die Wölfe
im Ort.)
Nun
hört man gar nichts
mehr im Haus,
Das
Spinnrad stummt, das
Lied ist aus,
Die
Mutter, selber voller
List,
Tut
so, als ob sie schlafen
müßt,
Still
sitzt sie über die
Wiege geneigt,
Und
rings nun alles ruht
und schweigt.
zurück


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