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04.2
Marceline
Desbordes-Valmore
Das
Lebensbild einer Dichterin
Zweiter
Teil: Gedichte

Ein
Neugeborener
An Hyppolyte
Nun
bist du da, mein Kind,
mein junger Gast!
Seit
einer Stunde da! Oh,
wie erwartet,
Dein
Leben wie erkauft!
Kannst
du dafür?
Nein,
nein! Mein Schrei
barg keinen Zorn zu dir.
Du,
trugst du nicht schon
Weh bevor zum Tag
Du
aufgewacht, und halfst
du nicht dazu,
Daß
wir uns endlich sehn?
Mein
Schatten du,
Du
Kind aus meinen Sein
geboren, das
In
diesem Sein mich
übermächtig hält,
Auch
dir ward Schmerz in
deiner engen Welt.
Des
Tages trank mein Blick
für dich die Sonne,
Ich
ging des Nachts in
deinen Kerker ein.
Aus
meiner armen Seele
suchte ich
Dir
deinen Himmel aufzubaun
und mied
Erinnerungen
an Böses wie
ein Gift;
Ich
wollte Gott erschaun,
dich schön zu machen,
Dein
Herz mit seiner Güte
zu durchtränken,
Dem
blinden Geist von
seinem Licht zu schenken!
Vergiß
das nicht: ich
sprach zu dir von Gott;
Ich
schuf dich aus Gebet,
aus süßen Tränen,
Dein
Ohr aus Echolaut der
heiligen Stätte;
Vor
unsrer Unrast barg ich
dich lebendig,
Und
trug mein Weinen hin
zur Abendsonne,
Damit
du rein und lieblich
würdest, wie
Die
Blumen sind, und
schritt gedankenvoll
In
grünes Schilf, um mit
lebendigen Quellen
Dir
Trank zu geben, die
sich kühl ergossen
Und
unser beider Fieberglut
umschlossen.
Weißt
du, wie oft, allein
in hoher Kirche,
Wie
lang die hellen Engel
uns besahn?
Bedächtig
schreitend trug
ich dich dahin,
Dich
Unsichtbaren, ihre
schönen Züge
In
deine umbestimmte Form
zu meißeln.
Ich
habe recht getan! Kein
Kind hat je
Vom
Himmel so viel Himmel
mitgenommen
In
seinem tiefen Blick, und
keine Stirn
Erstrahlte
je so lebensvoll
und licht.
Was
solch ein kleines
Antlitz Bilder birgt!
Von
allem, was ich liebte,
zeigst du mir
Die
lieben Züge, und
entschwundne Engel
Wie
viele lächeln mir nicht
wieder zu
In
deinem jungen Lächeln,
Engel du!
Du
warst das All! Ich hielt
den Blick gesenkt,
Bedeckt
von meiner Hand,
und rief nach keinem,
Nach
keinem in der grausam
kalten Welt,
Mir
Ruh zu geben, meinen
Kopf zu stützen
Und
meine Frucht vor
Sturmeswut zu schützen.
Doch
als ich meinen Blick
in deinem Namen
Zum
Himmel hob, da stahl
dein Lächeln sich
In
meine Tränen; in der
bittern Woge
Erschien
mir Gott und ließ
in meiner Armut
Mich
Mutter sein, und
seligen Dank zu Gott
Barg
nun des Weibes süßer
Weheruf –
Des
Weibes, dem Er einen
Sohn erschuf.
Die
Wiege, leer noch, gab
den Stunden Leben;
Ein
Engel atmete in mir
durch Tag
Und
Nacht; ich hegte sein
Geschick, ich war
Sein
gutes Haus, ich hielt
ihn froh geborgen! . . .
Wer
könnte sterben, so voll
Stolz und Sorgen?
Auch
brach ich arm in meine
Kniee nieder,
Als
man mich hob – allein
und allzu leicht –
Und
suchte nach der lieben
kleinen Last;
Denn
ob du noch so nah mir
bist, nun trennt,
Die
gestern eins wir waren
– doch die Luft,
Und
ich muß weinen und –
verzeih, mein Leben!
Du,
dieser Welt durch mich
für mich, gegeben!
Leb
wohl! Ich bin nicht
mehr die frohe Larve,
Darin
die Seele meiner
Seele lag
Neun
Monate lang; doch wenn
ich deiner Blüte,
Der
zarten, Schutz gewesen
bin, so kehre
Als
Mann zuweilen heim in
meineHut.
Ich
bin die Mutter: ein
Band hielt uns beide,
Die
Liebe wird die Liebe
suchen gehen.
Trennt
je die Erde, was der
Himmel bindet?
Im
Leben oder Tod – er
hilft, daß eins zum andern findet.
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