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Literatur

 
 




Gedichte

Ernst Schur

Gedächtnisbuch

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Alp
 
Es dämmerte. Mir war’s als ob ich schliefe.
Fremd wurde mir der altvertraute Raum.
Die Dinge schwanden und ich seh’ sie kaum,
Und doch war mir, als ob mich jemand riefe.
 
Ich ging entlang an einem schmalen Saum.
Dicht neben mir gähnt bodenlos die Tiefe.
Ich wollte schrein. O daß ich liefe, liefe!
Doch bleiernschwer hing sich an mich der Traum.
 
Um meine Stirne ist ein Ring geschmiedet,
Der mich mit Eisenklammern hält
Und unmerklich sich immer fester preßt.
 
Ich blicke, wenn das Blut auch siedet,
Starr in den Abgrund einer Welt,
Die mich in tausend Schauern reglos sterben läßt.


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Rosen

Sommer du, du glühender Reigen!
Mit blühenden Büschen und wehenden Zweigen!
Niemand weiß, wie es geschah:
Du bist da.
 
Die Rosen können dem Drängen nicht wehren,
Es schwellen die Knospen, die vollen, die schweren.
Sie sind wie ein glühend geschlossener Mund,
Noch taten sie ihre Schönheit nicht kund.
 
Noch nicken sie selig in den Fluten
Kosender Winde, lächelnder Gluten
Und schwellen in traumhafter Ruh
Dem Erwachen zu.
 
Sie brechen auf in der Sommernacht,
Fast weh vor Schönheit ist ihre Pracht.
Ihre Lippen öffnen sich weit,
Als dürsteten sie vor Seligkeit.
 
Sang dazu eine Nachtigall?
Niemand hörte den süßen Schall.
Beide sind in der gleichen Nacht
Erwacht.

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