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Gedichte
Ernst Schur
Gedächtnisbuch
_______________________
Heinrich
von Kleist
Prolog
Gesprochen
bei der
Kleistfeier der
Neuen Freien Volksbühne 1911
Er
mußte einst von dieser
Erde gehen
Wie einer, der auf dunklen
Wegen irrt
Und immer geht im Schatten
einer Sehnsucht.
Und fragst du ihn, warum
sein Herz so wund,
Er würde auf dich schaun
aus weiter Ferne
Und du wirst wissen: er war
ohne Heimat.
Drum war er ohne Glück, wie
wir es nennen . . .
In Träumen ging er wie ein
Wacher hin
Und schreckte plötzlich
auf, um wirr zu stammeln . . .
Denn seine Heimat lag in
seiner Seele,
Er forschte ihrem Glanz und
ihrer Schönheit nach
Und opferte sich selbst sie
zu entdecken.
Seltsam war seine rasende
Begier,
Die Tiefen letzter Dinge zu
erfassen –
Er spürte Gängen nach, die
tief im Labyrinth
Der Seelen unerkennbar sich
verwirren . . .
Dann wieder stieg er, lichtbeschwingt,
empor
Und hielt der Schönheit Schale
in der Hand,
Dem Trunkenen gleich, der
sich in Luft verschwendet.
So türmte er sich selbst
den Scheiterhaufen
Und stürzte jauchzend sich
hinein,
Frei von den Fesseln dieser
schweren Erde.
Das war sein Schicksal, daß
er ohne Maß
Hinstürmte durch das
vielverschlungene Leben
Und zwingen wollte, was
nicht seines Geistes war.
Ja, eine Fackel trug er in
den Händen,
Die seiner Faust im Tode
nicht entglitt.
Sie leuchtete der dunklen
Einsamkeit . . .
Denn er hat sich so restlos
ausgeglüht,
Daß seine Seele, die voll
Sehnsucht war,
Zur Flamme wurde, die ihn
selbst verschlang.
Doch von den Menschen wird
niemand erfahren,
Ob Glück, ob Leid in seiner
Seele war,
Als er so sehnsuchtsvoll
ins Dunkel ging.
War es ein Ende oder
Anfang?
In Rätseln offenbarte sich
sein Wesen,
Uns blieb sein Werk, ihn
tiefer zu erkennen.
Nur wer den kühnen Erdenfremdling
liebt,
Hört aus der Ferne ein
befreites Singen,
Das nicht mehr dieser Erde angehört.
Er ging wie einer, der vom
Feste heimkehrt
Und jubelnd schreitet, mit
dem Kranz im Haar,
Und kaum noch fühlt, wo
Tod, wo Leben ist.
Und gar nicht weiß, warum
die andern trauern,
Da er die Grenzen des
Unendlichen
Mit kindlicher Gebärde,
lächelnd, überschritt . . .
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