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04.2
Gedichte
Emil
Verhaeren
Die
geträumten Dörfer 1911
DER SCHIFFER
ES
war schon lang,
daß
der Schiffer, die Hände am Runder,
in
den Zähnen ein Schilf, mit der Strömung rang.
Doch
sie, die jenseits der Wellen
nach
ihm gerufen, ach, stand
in
den Fernen, wo jenseits der Wellen
sie
rückwärts im Nebel schwand.
Die
Augen der Fenster am Strand
und
der Türme Gesichter waren
auf
sein Mühn und sein wildes Gebaren,
auf
seiner Muskeln Beharren
und
Widerstand gewandt.
Ein
Ruder zerbrach,
und
die Flut trieb es weiter,
mit
schweren Wogen dem Meere nach.
Sie,
deren Ruf er vernahm
durch
Wind und durch Nebeldecken,
schien
flehender noch die Arme zu recken
und
banger nach ihm, der nicht näher kam.
Mit
dem letzten Ruder, das er besaß,
kämpfte
der Schiffer so wütend, daß
ein
Krachen durch seinen Körper ging
und
daß sein Herz sich bang in Fieber und Graun
verfing.
Das
Steuer zerbrach mit heftigem Stoß,
und
die Fluten trieben
es,
einen Lumpen, in des Meeres Schoß.
Große
Augen im Fieberbrand,
starrten
die Fenster am Strand,
starrten
die Türme, wie Witwen, die gerade
von
tausend zu tausend Jahren bewachen die
beharrlich
und weise
auf
den tollen Mann, dessen tolle Reise
noch
immer und immer kein Ende fand.
Doch
die Entfernte, die
aus
Nebels Grund nach ihm schrie,
reckte
das Haupt in würgendem Schrecken
nach
dem Unbekannten der großen Strecken.
Als
sei er aus Erz, stand der Schiffer fest
unter
dem fahlen Gewitterjoch;
um
das letzte Ruder die Hände gepreßt,
traf
er die Flut, schlug er die Fluten doch.
Seine
alten verzauberten Blicke glühten
von
den Fernen, die ihnen Lichter sprühten,
aus
deren kalten Himmeln voll Gram
und
Klage noch immer die Stimme kam.
Das
letzte Ruder zerbrach,
und
die Flut trieb es weiter,
einen
Strohhalm, dem Meere nach.
Mit
ermatteten Armen sank
der
Schiffer gramvoll auf seine Bank,
zermürbt
und zerbrochen; ein Strudel stieß
gegen
das Boot; er wandte
still
sich um und erkannte
den
Strand, den er nicht verließ.
Die
Fenster, die Türme am Strand,
große
Augen, sahn unverwandt
auf
ihn und wußten Bescheid
um
seine Inbrunst und seine Nichtigkeit.
Aber
der Alte ließ mitleidslos
für
nur Gott weiß wie lange Zeit
das
grüne Schilf nicht aus den Zähnen los.
zurück
DER
REGEN
LANG
in endlosen Fäden rieselt der Regen
unermüdlich
aus grauen Himmelsgehegen,
mit
grauen Fäden die grünen Fenster zu fegen,
der
unendliche Regen,
der
lange Regen,
der
Regen.
Er
zerfaserte sich seit gestern nacht
aus
der Wolken lumpigen Massen,
die
der Himmel schwarz überdacht.
Er
streckte sich langsam, gelassen
über
die Straßen seit gestern nacht
und
ist auf allen Pfaden und Wegen
zugegen.
Wo
Meilenstrecken
sich
an Feldern vorbei in die Landschaft recken,
an
der Straßen unendlich gekrümmten Spuren
ziehn
dampfend, mühselig und lastenstill,
dunkel
wie ein Begräbnisprofil,
mit
gewölbten Verdecken die Fuhren.
In
die Furchen, die nebeneinander schleichen,
die
langsam nachts des Himmels Rand erreichen,
ist
mit klopfenden Schlägen
durch
Stunden das Wasser geglitten,
und
die Bäume weinen, die Hütten,
auf
die er rieselte, die ihn litten,
den
langen, zähen, unfaßbaren Regen.
Durch
die verfaulten Deiche gießen
Flüsse
sich herrisch über die Wiesen,
wo
Heu treibt und wo die kriegerischen
Sturmschläge
um Erlen und Weiden zischen;
riesige,
schwarze Rinder brüllen,
halb
aus dem Wasser, ein Drohn in des Himmels
verwüstete Hüllen;
der
Abend kommt; seine Schatten schwirren
über
Ebenen und Dickichten, die sich verirren;
und
immer in gleichem Guß
fällt
der lange Regen, der Regen,
fein
und dicht wie Ruß.
Der
lange Regen,
der
Regen mit seinen gleichförmigen Strichen,
mit
seinen zwingenden, ordentlichen
Nägeln
webt Masche auf Masche das Kleid
von
Not und von blasser Dürftigkeit
für
die Häuser, die Hecken, die Weiden,
für
die Dörfer, grau und alt und bescheiden:
Wäsche
und arme entfärbte Fetzen,
die
sich zersetzen
und
verderben, auf Stangen gehängt;
blaue
Taubenhäuser, ans Dach gedrängt;
trübe
Fensterscheiben, deren Lücken
Pflaster
von schwarzen Papieren flicken;
Häuser,
wo schnurgerade Regentraufen
auf
Steingiebeln zum Kreuz ineinanderlaufen;
einsam
ragende, gramvolle Mühlen,
die
Hörnern gleich in den Grund sich wühlen;
Türme,
Kapellen der Nachbarschaft:
der
lange Regen,
der
Regen
ermordet
euch in seines Winters Haft.
Der
Regen,
der
Regen, endlos und wasserbehaart,
mit
seiner Fäden und Runzeln Schriften,
der
lange Regen
der
alten Triften,
unaufhörlich
und frosterstarrt.
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