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04.2
Gedichte -
Emil
Verhaeren
Stunden
des Nachmittags
Tag
für Tag, Schritt für
Schritt ist
sacht das Alter genaht;
in
seine Hände hat
es
unserer Liebe nackte Stirn gebettet
mit
Augen, drin des Lichtes Sturm sich glättet,
sie
angesehn.
Durch
den schimmernden Garten gehen
Furchen,
die Juli geschnitten;
still
ist von unserm Busch- und Blütenreich
ein
wenig Kraft, ein wenig Glut geglitten,
glitt
auf die lieben Wege und auf den blassen Teich.
Bisweilen
zürnt die Sonne und sengt
einen
Schatten, der hart ihren Glanz umdrängt.
Doch
unsere zitternden Blüten steigen
noch
immer in leuchtende Herrlichkeit;
und
wieviel Jahre über uns sich beugen,
die
Wurzeln unserer beiden Herzen neigen
sich
tiefer in ihr Erdreich und verzweigen
und
ankern sich um ihre Seligkeit.
O
Nachmittagsstunden, von Rosen umwunden,
Rosen,
die licht um die Tage spielen
und
die Wangen von Feuer kühlen
im
Schoß, im Schatten der Zeit!
O
Seligkeit, daß Licht und Glück und Frieden
von
uns nicht nach – o wieviel Jahren? – wich!
Doch
hätte anders unser Los entschieden,
hätten
wir leiden müssen, du und ich,
-
ich hätte meine Liebe stolz verteidigt,
Leben
und Tod von ihr empfangen, ohne
daß
eine Klage ihren Glanz beleidigt!
zurück
Herrlichste Rosen, die Juni erschlossen,
Herzen,
sonnenlanzendurchwühlt,
wilde,
stürmische, sanfte Rosen,
Vogelschwarm,
der zitternd die Zweige füllt,
Juni-
und Julirosen, aufrecht, jung,
Küsse,
die weich in des Windes Schwung
einander
umfangen, erwarten,
Liebkosung
von Schatten und Gold sich regend über
dem
Garten,
Rosen,
willfährig, stumm und inbrunstbloß,
Rosen
der Leidenschaft in eurem Haus von Moos,
die
ihr, solange der Sommer währt,
klar
in Klarheit euch angehört,
junge,
stolze, lebendige Blumen,
all
unsere Rosen, o wie euch gleich
zitternd
genießend und vergehend bleich
unsere
Wünsche sich regen, glühn, verstummen!
zurück
Ob
um das Haus, ob um der
Landschaft Schimmer
anderer
Blumen Kranz sich flicht,
die
reinen Teiche leuchten uns noch immer
wie
große Wasseraugen in ruhlosem Gesicht.
Sag,
welche Fernen, tief und unbekannt,
alle
die neuen Vögel gesandt,
ihre
Schwingen
von
Sonne überspannt?
Juli
vertrieb April aus unserm Garten,
der
volle rote Ton vertrieb den blauen zarten,
fein
geht der Wind, die Weiten stehn in Brand;
Insekten
spielen in der Luft und glänzen:
der
Sommer zieht vorbei, und Diamanten kränzen
und
Funken sein Gewand.
zurück
Der
Schatten scheint, hell sind des
Morgens
Strahlen
Von
dem Geäst,
das
zur Höhe den Vogel entläßt,
sieht
man Tautropfen fallen.
Eine
zarte, leuchtende Reinheit ziert
den
Morgen so licht,
als
ob die Luft ein Prismenkreis durchschwirrt
und
leis wie Flügelschlagen und Quellenrauschen spricht.
Wie
ist dein Auge schön in dieser frühsten Stunde,
da
unsere Teiche tief im Silbergrunde
den
Tag, den dämmernden, tragen!
Wie
deine Stirn strahlt, deine Pulse schlagen!
Des
Lebens Göttlichkeit und Güte strömen
und
wehn und glühn
durch
deine Brust so tief und kühn,
daß
deine Hände meine nehmen,
um
sie jäh an dein Herz zu ziehn,
als
wolltest du, daß ihr Druck es schirmt
vor
dem Glück, das brausend dagegen stürmt.
zurück
Ich
bringe dir heut abend, ein
Opfer, meiner Freude,
die
ich geschöpft im Glanz von Gold und Seide,
in
wundervoller Sonne, in freiem frohen Wind.
Vom
Kuß des Grases ist mein Fuß noch licht und lind;
weich
sind die Hände mir, die Blumenherzen rührten,
und
meine Augen strahlten; denn sie spürten,
wie
Tränen jung und drängend um ihren Ring gegärt,
als
sie der Erde Blühen und Macht sich zugekehrt.
Um
mich die Arme seines Lichts geschlagen,
schluchzend
und trunken, hat der Raum mich fortgetragen;
ich
ging, ich weiß es nicht, wie fern, in′s Weite,
und
jeder Schritt ein Schrei, der sich befreite.
Der
Ebene Kraft und Schönheit bring′ ich dir,
in
guten langen Zügen atme sie ein auf mir;
um
meine Finger spielte der Majoran; die Luft
fing
ich dir ein in Klarheit und in Duft.
zurück
Komm, laß uns beide hier am
Wege rasten,
auf
dieser alten Bank, von Schimmel ganz beschneit,
und
lange, lange meine Hand dann lasten
in
deiner lieben Hände Sicherheit.
Mit
meiner Hand, die nun so tief und lange
das
Glück, auf deinem Kniee zu sein, genießt,
scheint
mir, daß auch mein Herz, das weiche, heiße,
still
zwischen deinen beiden Händen ist.
Und
das ist Seligkeit, der tiefsten Liebe Wonne,
wie
eins dem andern nun so still gehört,
ohne
daß Worte um uns zittern – ohne
daß
auch ein Kuß nur deine Stirn versehrt.
Und
dies Verstummen fände noch kein Ende,
und
diese Innigkeit, die uns umspinnt;
preßte
nicht unbewußt ich deine lieben Hände,
die
erschauernd voll von Gedanken sind.
Die
Hände, die um all mein Glück sich schließen,
die
nie, o niemals in Verwegenheit
sich
jenen Dingen nahn, von deren Wissen
wir
leben und die nie ein Wort entweiht.
zurück
Wiege
sie zart, o viel zarter noch
lange
in deiner Arme Hafen,
meine
Stirne, die Fieber umflog,
meine
Lider, die sich nicht satt geschlafen;
küsse
sehr zart, o viel zarter noch
meine
Lippen, laß sie mich hören,
all
die Worte, die jegliches Morgenrot noch
schöneren
Trost mich lehren,
wenn
deine liebe Stimme sie sagt,
wenn
du dich mir gabest, und doch
unruhevoll
Liebe wacht.
Der
Tag naht schwer und gramvoll; durch die Nacht
sind
drohend Träume gefahren;
unser
Fensterkreuz peitscht der Regen mit flutenden
Haaren,
schwarz
ist von Grameswolken der Himmel überdacht.
Wiege
sie zart, o viel zarter noch
lange
in deiner Arme Hafen,
meine
Stirne, die Fieber umflog,
meine
Lider, die sich nicht satt geschlafen;
du,
die mein liebliches Morgenrot ist,
deren
Hand wie Sonnenliebkosen,
deren
Wort mich wie Licht umfließt,
daß
der Tag ohne Leiden und Stoßen
meinem
Werke mich wiederbringe,
das
seine Spur,
schon
tiefer zeichnet meinem Pfade ein
und
mich leben heißt mit dem Schwur,
eine
schöne, wehrhafte Klinge
in
eines edlen Lebens goldenem Gelenk zu sein.
zurück
Im
lieben Haus, wo zwischen alten Nischen
und
trauten Dingen unser Glück gekeimt,
wo
wir alleine sind und nur von Rosenbüschen
der
stumme Gruß in unser Fenster träumt,
sind
Sommertage, da so lebensstockend,
so
innig sich um uns das Schweigen schmiegt,
daß
ich die Zeit oft zügle, die frohlockend
in
ihrem Haus von Eiche die goldene Scheibe wiegt.
Daß
sie ganz unser ist mit Stunden, Nächten, Tagen;
die
Seligkeit, die uns umflutet, hört
nur
einen Laut noch: unserer Herzen Schlagen,
wenn
sie ein Sturm jäh zu einander kehrt.
zurück
Durch
den offenen
Fensterrahmen,
mit
dem Schatten der grünen Blätter zusammen,
mit
der Sonne wanderndem Strahlengewirr
auf
dem roterglühten Papier
herrscht
die liebe Arbeit hütend,
gebietend,
und
löscht alle Unrast aus
in
unserem nachdenklichen lieben Haus.
O
wie lebendig die Blumen sich neigen,
und
wie die Früchte blitzen, groß von Zweig zu
Zweigen!
Und
die Amseln, die Gimpel, die Finken
singen
und singen so laut,
damit
meine Verse blinken
wahr
und jung, licht und rein
wie
ihrer Blätter Scharlachschein,
wie
ihre hellen Lieder und ihre goldene Haut.
Und
ich sehe dich – ferne im Garten gehst du,
wechselnd
zu Sonne und Schatten gestellt;
doch
dein Antlitz wendet sich mir nicht zu,
daß
in die Stunde kein Schauer fällt,
in
der mein herrisches Herz erregt
diesen
wahren und lieben Gedichten schlägt.
zurück
Im
Grund unserer Liebe liegt
jeglicher
Glaube bewahrt.
Selbst
um das kleinste Ding will ein Gedanke glühen:
um
jeder Knospe Geburt und jeder Rose Verblühen,
um
jeden Vogel, der prächtig und zart
auftaucht
und flieht in Licht- und Schattenfluten.
Und
wenn am moos′gen Dach, vom Sturm zerfetzt,
ein
Nest sich lockert, stehen wir entsetzt.
Wenn
von Insektenbiß die Blumenherzen bluten,
erschauern
wir: Alles ist Furcht und Hoffen.
Und
ob Vernunft mit herben stillen Schnee
jäh
diesen Reiz auch kühlt und dieses Weh –
wir
halten ihnen unsere Herzen offen
und
fragen nicht, was wahr, was falsch und gut
und
böse ist;
wir
leben glücklich wie ein Kinderpaar,
das
ihrer Macht vertraut und vor der Schar
der
allzu klugen Leute die Läden dicht verschließt.
Glanz,
Sterne, Schatten, Raum, der Sonne Gehen
und
Nahen,
was
im Gewan der Nacht wir suchten, was wir sahen,
hat
unseres Wesens Inbrunst sich vermählt;
die
Liebe wählten, haben sich Ewigkeit erwählt.
Und
ob Vernunft sie lästert, ob sie ihnen
von
ihrer Dämme hohen Mauerzinnen
hell
leuchtet zur Erforschung des großen Wasserplans,
sie
suchen neue Straßen jenseits des Ozeans;
sehn,
wie von Strand zu Strande der junge Tag
sich
hebt,
viel
weiter noch, als Meerflut die schwarzen Wogen
gräbt;
für
sie hat jede Sehnsucht den gleichen lichten Kern,
des
Wissens feste Leuchte, der Hoffnung banger Stern.
Selig
und klar, glauben sie, unersättlich;
in
ihren Herzen sind die Flammen, groß und göttlich,
damit
den höchsten Rätseln sie schon die Stirn verbrannt;
sie
schaun des Weltalls Wunder, wenn sie sich selbst erkannt.
Sie
gehen auf fernen Pfaden, die sich ihr Wunsch erwählt;
sie
leben von der Wahrheit, die ihre Augen hellt.
ihre
Augen – nackt, tief, innig, und jung wie Morgenlicht;
für
sie allein verstummten die Paradiese nicht.
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