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04
Gedichte - Sagenpoesien
Der
Herrgotts Tritt
Hoch
ragt, von der östlichen Spitze der Alb,
Ein
Felsen, vermoost und verwittert;
Zur
Hälfte von Büschen bedecket, und halb
Von
löchrichten Mauern umgittert.
Tief unter ihm grünet die lachende Flur,
Ein
blühender Garten, verbreitet,
Rechts
fließet die Rems, von der Hand der Natur
Um
rebichte Hügel geleitet.
Hier ließ, auf der Spitze des Felsens, von fern
Des
Schwabenlands liebliche Auen,
Vor
grauen Jahrhunderten, Christum den Herrn,
Satan,
der Versucher, beschauen.
„Sieh!“ sprach er, und deutet in’s Remsthal hinein,
„Des
Weinstocks erfreuliche Spenden,
Die
schönen Gefilde da rechts an der Lein;
Und
Ellwangens fette Präbenden;“
„Und links, über Rechberg und Staufen hinauf
Den
Wechsel der Dörfer und Wälder;
Und
hin wo der Klemsbach in schlängelndem Lauf
Sich
windet durch blühende Felder;“
„Bis hin, wo die Ens mit dem Neckar vermählt,
Durch
Schwabens Elisium fließet,
Und
Mutter-Natur auf die schönere Welt
Die
Schale des Segens ergießet.“
„Sieh! ringsum das Alles, und beuge das Knie
Vor
mir, und du sollst es gewinnen!“ –
Doch
Christus entgegen ihm donnerte: – „Flieh,
Verfluchter,
und heb’ dich von hinnen!“ –
Da kollerte Satan die Berge hinab;
Es
bannt’ in der Belzebubs Klinge,
Ein
langes Jahrtausend in’s felsichte Grab
Der
Fluch, den Verderber der Dinge.
Da liegt er an Ketten, mit bitterer Buß
Den
Gräuel der Sünden zu büßen,
Drum
sieht man dem Berge, den schwärzlichen Fluß
Satanischer
Tränen, entfließen.
Doch Christus, der Mittler, mit mächtigem Schritt
Ging
über die Berge von hinnen,
Tief
drückte die Spur sich vom Herrgottestritt
Auf
Scheulbergs und Rosensteins Zinnen.
Hier sieht man, landauswärts, auf spitzem Gestein,
Dort
drüben, landeinwärts, vom Fuße
Noch
immer das Zeichen, auch ehren’s gar fein
Die
Pilger, mit brünstigem Kusse.
Dran bauten die Herren von Rosenstein
Ein
Schloss unter Buchen und Ellern,
Und
tranken gar stattliche Humpen voll Wein,
Aus
felsengegrabenen Kellern.
Und raubten gewappnet Tal ab und Tal auf,
Nie
waren die Straßen geheuer;
Und
holten sich Augsburger Waaren hinauf,
Und
bargen’s in felsigter Scheuer.
Genüber der Burg hat, durch Wunder bekannt,
Verrichtet
an heiliger Stelle,
Die
heil’ge Maria, zum Beißwang genannt,
Im
Eichenwald eine Kapelle.
Es hatte sie Friederich, der mit dem Biss,
Gestiftet,
so lautet die Kunde,
Da,
wo man der Mutter ihn weinend entriss:
Drum
heißet sie: Beißwang, zur Stunde.
Dort hinkten viel Tausend auf Krücken hinein,
Und
gingen auf eigenem Beine
Heraus:
darum glänzten, von Edelgestein
Und
Golde, die heiligen Schreine.
Da stiegen, – es blies ihnen Satanas ein, –
Die
Rosensteiner zu Rosse,
Und
stürmten die Kirch’ und erbrachen den Schrein,
Und
brachten den Schatz nach dem Schlosse.
Da braus’te von Beißwang herüber der Sturm,
Es
krachten die mosigten Eichen,
Es
prasselten stürzend das Schloss und der Turm,
Und
deckten mit Steinen die Leichen.
Trotz Sturmgeheul, Donner und leuchtendem Strahl,
Den
Zeugen der himmlischen Rache,
Vernahmen
die zagenden Pilger im Tal
Des
Satans entsetzliche Lache.
Im
Schlosse da siedeln sich Raben jetzt ein;
Bleich
wanken des Nachts und mit Trauern
Die
modernden Ritter von Rosenstein,
Rund
um die verfallenen Mauern.
Jakob
Grimmer
Der
Geist des Junkers auf Niedegg
Sage
aus dem Blauthal
Was
wimmert dort im Mondenschein
So
schaurig von dem Rande
Des
Waldes – hu! am Felsgestein
Ein
Geist im Luft-Gewande
Mit
einer Armbrust schleichts umher
Und
Seufzer tönen tief und schwer
Hervor
aus seinem Busen!
Und
traurig schaut es über’n Grund
Hinüber
zu den Trümmern
Wo
einst die Veste Arnegg stund
Mit
Aechzen und mit Wimmern
Dann
hebt der Geist sich riesengroß
Schnellt
von der Wehr den Bolzen los
Und
–
fließt in Nebel-Wolken.
Der
Schatten g’hört dem Junker an
So
geht die alte Mähre
Der
einst als Hugo Lobe sann
In
Macht und Glanz und Ehre
Auf
Niedegg hauste felsenfest
Das
wie ein steiles Adler-Nest
Ins
Tal herunter blickte.
Und
drüben über’m engen Tal
Des
Junkers Bruder Diether
Saß
in dem hohen Waffensaal
So
finster und so bitter
Denn
hören musste er zur Stund
Von
einem Mönch die arge Kund
„Dass
Hugo ein Bastarde.“
Nicht
länger will er nun mit ihm
Der
Ahnen Güter teilen
Bricht
aus dem Tor mit wildem Grimm
Die
tiefe Schmach zu heilen –
Und
nur die Burg auf Felsen-Spitz
Bleibt
fürder Hugo als Besitz
Vor
seines Feindes Waffen. –
Da
feierte nach Jahr und Tag
Auf
Arneggs Schloss Altane
Beim
rauschenden Banket-Gelag
Voll
froher Zech-Kumpane
Die
Hochzeit seines Mägdleins fein
Mit
einem Edlen von dem Rhein
Der
alte graue Diether
Wie
schmetterte Trompetenschall
So
lustig durch die Lüfte
Wie
wirbelten die Paucken all
So
laut durch Tal und Klüfte
Und
seidne Fahnen reich von Gold
Sie
wehn vom Söller, wo so hold
Die
Braut den Wein kredenzte.
„Ha
dieser Jubel mir zum Spott
Auf
Söller und auf Mauer
Schwört
Hugo, soll beim heil’gen Gott
Vergehn
zur Stund in Trauer!“
Er
stürtzt hinauf zur Turmes Spitz
Späht
lauernd nach der Freude Sitz
Von
wo die Klänge schallten.
In
mitten saß Herr Dieterich
Im
blauen Sammt-Gewande
Um
ihn die Gäste männiglich
An
der Altane Rande
Da
zielt der Junker – und es schwirrt
Der
Bolzen, rücklings sinkt der Wirt
Verröchelnd
hin zu Boden.
Drum
wimmert auch im Felsenschlund
So
schaurig von dem Rande
Des
Waldes, wo der Wachturm stund
Der
Geist im Luft-Gewande
Drum
wandelt er seit jener Zeit
So
oft der Vollmond sich erneut
Und
schnellt den Pfeil vom Bogen. –
C.
W.
Zwei
Brüder
Oben
auf der Bergesspitze
Liegt
das Schloss in Nacht gehüllt;
Doch
im Tale leuchten Blitze,
Helle
Schwerter klirren wild.
Das
sind Brüder, die dort fechten
Grimmen
Zweikampf, wutentbrannt.
Sprich,
warum die Brüder rechten
Mit
dem Schwerte in der Hand?
Gräfin
Laura’s Augenfunken
Zündeten
den Brüderstreit;
Beide
glühen liebestrunken
Für
die adlig holde Maid.
Welchem
aber von den beiden
Wendet
sich ihr Herze zu?
Kein
Ergrübeln kann’s entscheiden, –
Schwert
heraus, entscheide du!
Und
sie fechten kühn verwegen,
Hieb
auf Hiebe niederkracht’s.
Hütet
Euch, Ihr wilden Degen,
Grausig
Blendwerk schleichet Nachts.
Wehe!
Wehe! blut’ge Brüder!
Wehe!
Wehe! blut’ges Tal!
Beide
Kämpfer stürzen nieder,
Einer
in des andern Stahl. –
Viel
Jahrhunderte verwehen,
Viel
Geschlechter deckt das Grab;
Traurig
von des Berges Höhen
Schaut
das öde Schloss herab.
Aber
Nachts, im Talesgrunde,
Wandelt’s
heimlich, wunderbar,
Wenn
da kommt die zwölfte Stunde,
Kämpfet
dort das Brüderpaar.
Heinrich Heine
oben
______________________________
Gedicht: "Der Hergotts Tritt"
auf
dem Rosenstein bei Heubach.
Eine würtembergische Volkssage,
Jakob
Grimmer. Aus: Taschenbuch
Häusliche und Gesellschaftliche Freuden
auf
das Jahr 1800, Frankfurt/Main
(1799?) S. 129-136. ED wohl 1799,
Frankfurt, Verlag: Philipp Heinrich Guilhauman,
Frankfurt
Wikisource
Gedicht: "Der Geist des Junkers von
Niedegg" -
aus: Leyer-Klänge, C, W. - Eine Sammlung Balladen,
Romanzen,
Legenden und Volkssagen aus der Vorzeit
Ulms und seiner nächsten
Umgebung, S. 23-26.
ED: 1834, Verlag Fr. M. Mangold, Blaubeuren
Wikisource
Gedicht: "Zwei Brüder" , Heinrich
Heine.
Aus: Buch der Lieder, Junge Leiden,
Romanzen, S. 52-53.
Etstehung: 1817-1821, ED: 1827,
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg
Wikisource
Logo42: Der Tod und die Frau,
Schiele Egon.
EJ: 1915, Österreichische Galerie, Wien, Gemeinfrei
zeno.org
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