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Literatur


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Gedichte - Sagenpoesien



 
Der Herrgotts Tritt 

Hoch ragt, von der östlichen Spitze der Alb,
Ein Felsen, vermoost und verwittert;
Zur Hälfte von Büschen bedecket, und halb
Von löchrichten Mauern umgittert.

     Tief unter ihm grünet die lachende Flur,
Ein blühender Garten, verbreitet,
Rechts fließet die Rems, von der Hand der Natur
Um rebichte Hügel geleitet.

     Hier ließ, auf der Spitze des Felsens, von fern
Des Schwabenlands liebliche Auen,
Vor grauen Jahrhunderten, Christum den Herrn,
Satan, der Versucher, beschauen.

     „Sieh!“ sprach er, und deutet in’s Remsthal hinein,
„Des Weinstocks erfreuliche Spenden,
Die schönen Gefilde da rechts an der Lein;
Und Ellwangens fette Präbenden;“

      „Und links, über Rechberg und Staufen hinauf
Den Wechsel der Dörfer und Wälder;
Und hin wo der Klemsbach in schlängelndem Lauf
Sich windet durch blühende Felder;“

     „Bis hin, wo die Ens mit dem Neckar vermählt,
Durch Schwabens Elisium fließet,
Und Mutter-Natur auf die schönere Welt
Die Schale des Segens ergießet.“

     „Sieh! ringsum das Alles, und beuge das Knie
Vor mir, und du sollst es gewinnen!“ –
Doch Christus entgegen ihm donnerte: – „Flieh,
Verfluchter, und heb’ dich von hinnen!“ –

     Da kollerte Satan die Berge hinab;
Es bannt’ in der Belzebubs Klinge,
Ein langes Jahrtausend in’s felsichte Grab
Der Fluch, den Verderber der Dinge.

     Da liegt er an Ketten, mit bitterer Buß
Den Gräuel der Sünden zu büßen,
Drum sieht man dem Berge, den schwärzlichen Fluß
Satanischer Tränen, entfließen.

     Doch Christus, der Mittler, mit mächtigem Schritt
Ging über die Berge von hinnen,
Tief drückte die Spur sich vom Herrgottestritt
Auf Scheulbergs und Rosensteins Zinnen.

    Hier sieht man, landauswärts, auf spitzem Gestein,
Dort drüben, landeinwärts, vom Fuße
Noch immer das Zeichen, auch ehren’s gar fein
Die Pilger, mit brünstigem Kusse.

     Dran bauten die Herren von Rosenstein
Ein Schloss unter Buchen und Ellern,
Und tranken gar stattliche Humpen voll Wein,
Aus felsengegrabenen Kellern.

     Und raubten gewappnet Tal ab und Tal auf,
Nie waren die Straßen geheuer;
Und holten sich Augsburger Waaren hinauf,
Und bargen’s in felsigter Scheuer.

     Genüber der Burg hat, durch Wunder bekannt,
Verrichtet an heiliger Stelle,
Die heil’ge Maria, zum Beißwang genannt,
Im Eichenwald eine Kapelle.

     Es hatte sie Friederich, der mit dem Biss,
Gestiftet, so lautet die Kunde,
Da, wo man der Mutter ihn weinend entriss:
Drum heißet sie: Beißwang, zur Stunde.

     Dort hinkten viel Tausend auf Krücken hinein,
Und gingen auf eigenem Beine
Heraus: darum glänzten, von Edelgestein
Und Golde, die heiligen Schreine.

     Da stiegen, – es blies ihnen Satanas ein, –
Die Rosensteiner zu Rosse,
Und stürmten die Kirch’ und erbrachen den Schrein,
Und brachten den Schatz nach dem Schlosse.

     Da braus’te von Beißwang herüber der Sturm,
Es krachten die mosigten Eichen,
Es prasselten stürzend das Schloss und der Turm,
Und deckten mit Steinen die Leichen.

     Trotz Sturmgeheul, Donner und leuchtendem Strahl,
Den Zeugen der himmlischen Rache,
Vernahmen die zagenden Pilger im Tal
Des Satans entsetzliche Lache.

Im Schlosse da siedeln sich Raben jetzt ein;
Bleich wanken des Nachts und mit Trauern
Die modernden Ritter von Rosenstein,
Rund um die verfallenen Mauern.

Jakob Grimmer


  Der Geist des Junkers auf Niedegg
Sage aus dem Blauthal

Was wimmert dort im Mondenschein
So schaurig von dem Rande
Des Waldes – hu! am Felsgestein
Ein Geist im Luft-Gewande
Mit einer Armbrust schleichts umher
Und Seufzer tönen tief und schwer
Hervor aus seinem Busen!

Und traurig schaut es über’n Grund
 Hinüber zu den Trümmern
Wo einst die Veste Arnegg stund
Mit Aechzen und mit Wimmern
Dann hebt der Geist sich riesengroß
Schnellt von der Wehr den Bolzen los
Und – fließt in Nebel-Wolken.

Der Schatten g’hört dem Junker an
So geht die alte Mähre
Der einst als Hugo Lobe sann
In Macht und Glanz und Ehre
Auf Niedegg hauste felsenfest
Das wie ein steiles Adler-Nest
Ins Tal herunter blickte.

Und drüben über’m engen Tal
Des Junkers Bruder Diether
Saß in dem hohen Waffensaal
So finster und so bitter
Denn hören musste er zur Stund
Von einem Mönch die arge Kund
 „Dass Hugo ein Bastarde.“

Nicht länger will er nun mit ihm
Der Ahnen Güter teilen
Bricht aus dem Tor mit wildem Grimm
Die tiefe Schmach zu heilen –
Und nur die Burg auf Felsen-Spitz
Bleibt fürder Hugo als Besitz
Vor seines Feindes Waffen. –

 Da feierte nach Jahr und Tag
Auf Arneggs Schloss Altane
Beim rauschenden Banket-Gelag
Voll froher Zech-Kumpane
Die Hochzeit seines Mägdleins fein
Mit einem Edlen von dem Rhein
Der alte graue Diether

Wie schmetterte Trompetenschall
So lustig durch die Lüfte
Wie wirbelten die Paucken all
So laut durch Tal und Klüfte
Und seidne Fahnen reich von Gold
Sie wehn vom Söller, wo so hold
Die Braut den Wein kredenzte.

„Ha dieser Jubel mir zum Spott
Auf Söller und auf Mauer
Schwört Hugo, soll beim heil’gen Gott
Vergehn zur Stund in Trauer!“
Er stürtzt hinauf zur Turmes Spitz
Späht lauernd nach der Freude Sitz
Von wo die Klänge schallten.

In mitten saß Herr Dieterich
Im blauen Sammt-Gewande
Um ihn die Gäste männiglich
An der Altane Rande
Da zielt der Junker – und es schwirrt
Der Bolzen, rücklings sinkt der Wirt
Verröchelnd hin zu Boden.

Drum wimmert auch im Felsenschlund
So schaurig von dem Rande
Des Waldes, wo der Wachturm stund
Der Geist im Luft-Gewande
Drum wandelt er seit jener Zeit
So oft der Vollmond sich erneut
Und schnellt den Pfeil vom Bogen. –

C. W.


Zwei Brüder

Oben auf der Bergesspitze
Liegt das Schloss in Nacht gehüllt;
Doch im Tale leuchten Blitze,
Helle Schwerter klirren wild.

Das sind Brüder, die dort fechten
Grimmen Zweikampf, wutentbrannt.
Sprich, warum die Brüder rechten
Mit dem Schwerte in der Hand?

Gräfin Laura’s Augenfunken
Zündeten den Brüderstreit;
Beide glühen liebestrunken
Für die adlig holde Maid.

Welchem aber von den beiden
Wendet sich ihr Herze zu?
Kein Ergrübeln kann’s entscheiden, –
Schwert heraus, entscheide du!

Und sie fechten kühn verwegen,
Hieb auf Hiebe niederkracht’s.
Hütet Euch, Ihr wilden Degen,
Grausig Blendwerk schleichet Nachts.

Wehe! Wehe! blut’ge Brüder!
Wehe! Wehe! blut’ges Tal!
Beide Kämpfer stürzen nieder,
Einer in des andern Stahl. –

Viel Jahrhunderte verwehen,
Viel Geschlechter deckt das Grab;
Traurig von des Berges Höhen
Schaut das öde Schloss herab.

Aber Nachts, im Talesgrunde,
Wandelt’s heimlich, wunderbar,
Wenn da kommt die zwölfte Stunde,
Kämpfet dort das Brüderpaar.

Heinrich Heine








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______________________________
Gedicht: "Der Hergotts Tritt"
auf dem Rosenstein bei Heubach.
Eine würtembergische Volkssage,
Jakob Grimmer. Aus: Taschenbuch
Häusliche und Gesellschaftliche Freuden
 auf das Jahr 1800, Frankfurt/Main
 (1799?) S. 129-136. ED wohl 1799,
Frankfurt, Verlag: Philipp Heinrich Guilhauman,
Frankfurt

Wikisource 

Gedicht: "Der Geist des Junkers von Niedegg" -
aus: Leyer-Klänge, C, W. - Eine Sammlung Balladen,
Romanzen, Legenden und Volkssagen aus der Vorzeit
Ulms und seiner nächsten Umgebung, S. 23-26.
ED: 1834, Verlag Fr. M. Mangold, Blaubeuren

Wikisource 

Gedicht: "Zwei Brüder" , Heinrich Heine.
Aus: Buch der Lieder, Junge Leiden,
Romanzen, S. 52-53.
Etstehung: 1817-1821, ED: 1827,
Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg

Wikisource

Logo42: Der Tod und die Frau, Schiele Egon.
EJ: 1915, Österreichische Galerie, Wien, Gemeinfrei

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