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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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Der
Pilger, der das
Leben ewig hasst,
Und von ihm
zehrt, ein unwillkommener Gast,
Geht durch die
Länder stets mit heisser Gier,
Klopft unerwartet
an gar manche Thür,
Und sendet seine
Diener weit umher.
Sie rauschen,
flattern über Land und Meer;
Sie hüllen oft in
Blumenduft sich ein;
Sie glühn
verlockend oft im Freudenwein;
Sie bergen sich
in dunkler Bergesnacht,
Und schwängern
die Metalle tief im Schacht;
Sie schlüpfen
tückisch in das Feuerrohr,
Und brechen
grausam mordend draus hervor.
Wer zählt die
bleiche fürchterliche Schaar,
Die schon vom
Anbeginn gehorsam war.
Dem dunklen
König, und ihm dient so gern
Wie Mörderbanden
ihrem Oberherrn?
Der Hass, der mit
der
Rache sich vermählt;
Zorn, der die
blinde Wuth zur Gattin wählt;
Neid, der mit
Missgunst gleiche Pfade geht;
Der Trunk, der
treulich zu der Wollust steht,
Die legen sich
gar manchem Erdensohn
Ans Herz, und
stechen, wie der Skorpion.
Sie fangen ihn in
Netzen, reich an Glanz,
Dann rast der
Leidenschaft Taranteltanz,
Hohnlachend aber
führ vom Honigseim
Der Lust – der
Wandrer oft die Thoren heim. –
Der Pilger traf
auf seiner Wanderschaft
Einst einen
Kurfürst, reich, doch arm an Kraft,
Der, stets
umgeben von der Räthe Schaar,
Doch
unentschlüssig stets und rathlos war;
Ein wankend Rohr,
von jedem Wind bewegt.
Das Scepter hatt‘
er aus der Hand gelegt;
An seinem Thron
sass die Gerechtigkeit,
Und war
entschlafen schon geraume Zeit;
Ihr rost’ges
Schwert war, unter Glas gebracht,
Längst dem
Antikenkabinet vermacht.
Nutzlos hing ihr
die Binde falsch und schief,
Da sie mit offnen
Augen sass und schlief.
Der Herr wohl
wünschte seines Landes Glück.
Doch gute That
hielt böser Rath zurück. –
Und er erging
lustwandelnd sich vorm Haus;
Es traten die
Vertrauten mit heraus,
Die Lenker seines
Willens, seiner Macht,
Vom Fürsten ihm
nichts liessen, wie die Tracht. –
Ein armes Weib,
ein tiefgebeugtes, trat
Mit einem Kind
dem Herrscher an und bat:
„Gebt Gnade Herr
und Recht!“ ertönt ihr Flehn;
„O wollt auf uns
mit güt’gen Blicken sehn!
Diess Kind – o
Gott – dort jenem falschen Mann,
Der hinter Euch
sich birgt, gehört es an.
Grausam und hart
verliess er trenlos mich,
Und auch des
Kindleins nicht erbarmt er sich,
Das schuldlos
gegen ihn zum Himmel schreit‘
O Gnade Herr!
Gnad‘ und Gerechtigkeit!“
Das arme Kind, in
Lumpen kaum gehüllt,
Mit Mitleid hätt‘
es jedes Herz erfüllt.
Das bleiche Weib,
bethränten Angesichts,
Einst Reiz für
die Begier des Bösewichts,
Trug furchtlos
des Verführers grimmen Blick;
Ach, alles kündet
laut ihr Missgeschick,
Und alles spricht
für sie, doch rechts und links
Dreht sich der
Herr, verlegnen Augenwinks,
Unwillig hoffend,
dass sie sich entfernt,
Und Ehrfurcht
mehr, Zeit besser wählen lernt.
„Das schöne
Kind!“ ein Mann voll Mitleid sprach;
„Erhebt, o Herr,
das Weib aus tiefer Schmach!“
Doch zornig,
düster der Verführer grollt,
Den Boden
stampfet, und die Augen rollt.
Der Herr erhebt
abwehrend jede Hand,
Und hat vom Weib
das Antlitz abgewandt.
Da schreitet
ernst der Wanderer daher,
Ein grausenvoller
Anwalt nahet er,
Und reisst dem
Fürsten ab den Hermelin;
Zieh nicht Dein
Schwert, Du Treuer gegen ihn!
‘S ist auch ein
Kurfürst, der – mit welkem Laub
Ist er gekrönt,
erkürend Raub auf Raub.
„Hast Du das
Recht zu
schirmen, keinen Muth,
Sollst Du nicht
tragen Fürstenkleid und Hut!“
Der Kurfürst
wankt – ihm dunkelt’s vor dem Sinn,
Die Diener
hielten ihn – er war dahin.
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bilder: Holbein d.J. und W.
Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
wikimedia
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