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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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Auf
öder Flur der
Pilger steht.
Umher nach neuen
Opfern späht.
Und still und
stiller wurd‘ es schon;
Es klang der
Abendglocke Ton
Vom nahen Kloster
über die Haide;
Da schritt ein
Mann im wallendem Kleide
Den Pfad vom
Kloster her – er trug
Den Krummstab und
ein starkes Buch.
Es war der Abt –
der Wandrer schwand,
Als wehe der Wind
ihn weg vom Land.
Und jener blieb
auf dem Kreuzweg stehn,
Und hat sich
lange dort umgesehn.
Unter einem Baum,
den leis und lind
Durchlispelt der
Abendwind
Trat er, und
sprach: „ Hier will ich’s wagen,
Und die dunklen
Mächte beschwören, befragen.“
Dann zog er mit
seinem
Stabe mit Fleiss
Rund um sich her
einen vierfachen Kreis,
Und öffnete des
Buchs Klausur,
Und murmelte
manchen schrecklichen Schwur,
Nach Süden,
Westen, Osten und Norden,
Und es rauscht‘
um ihn her mit dumpfen Accorden;
Hoch über ihm
klang’s , wie verhallende Harfen;
Dort über dem
Hügel hob sich’s, wie Larven,
Und als er so
fortlas im Höllenzwang,
Da hat er
plötzlich, erblassend und bang,
Sich selbst – mit
dem Stab, mit der Mütze geschmückt.
Von der Inful
umrauscht und umflattert – erblickt,
Ein hohläugiges
Bild, so finster und gross,
Sein Leib ein
alternder Baumstamm voll Moos.
Und näher trat
ihm die grause Gestalt,
Und den bebenden
Abt überlief es kalt.
„Im Namen Gottes!
Wer bist Du? Sprich!“
Doch sie schwieg,
und ihr Schweigen war fürchterlich.
Der Wandrer
war’s, der dem Frechen genaht,
Der als rächender
Geist jetzt vor ihn trat,
Und fasst ihn am
Gehrock, und zog ihn nach,
In der Angst der
Mönch alle Gebete sprach,
Und sträubte sich
je mehr und je länger,
Zu folgen dem
grausigen Doppelgänger,
Der aber zog ihn
immer hinter sich her,
Bis er
niedersank, und nicht athmete mehr.
„Wahnsinniger
Thor!“ der Pilger spricht:
„Versuche die
dunkeln Gewalten nicht!
Sie wohnen nicht
im Schoose der Nacht,
In Deinem Herzen
herrscht ihre Macht.“ –
Der Wandrer ging
in ein Irrenhaus,
Sah dort des
Wahnsinns Schreck und Graus,
Sah dort
verstört, entmenscht und wild,
Des
Menschenschöpfers Ebenbild,
Versunken in
tiefsten Elends Pfuhl,
Und sass auf
eines Narren Stuhl,
Und ein
Narrenlied, ein närrisch Lied
Sang er, bevor er
wieder schied:
„Eine goldne
Krone
Flecht‘ ich mir
von Stroh!
Sitz‘ auf meinem
Throne,
Und bin froh!
Und ich bin der
König!“
„Herrscher, stolz
und prächtig,
Fällt von mir ein
Streich!
Und ich bin gar
mächtig,
Und bin reich!
Und ich bin der
König!“
„Alles Leben
zittert,
Bricht mein
Zürnen los!
Ich bin
unerschüttert,
Ich bin gross!
Und ich bin der
König!“
„Fragt ihr, wo
ich wohne?
Sucht mich in der
Welt!
Unter jeder Zone
Steht mein Zelt!
Und ich bin der
König!
Mit Stroh
bekränzt, mit Schilf und Gras,
Nicht lange dort
der andrer sass.
Ihn trieb ein
wildes Gelüsten fort,
Und
Ruhe fand er
an keinem Ort.
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bilder: Holbein d.J. und W.
Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
wikimedia
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