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Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

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Der Domherr



Im Kreuzgang eines Domstifts ernst verweilt
Er, dessen flücht’ger Fuss uns All‘ ereilt.
Durch Eisengitterlaubwerk, schwarz und dicht,
Fiel in den Gang ein melancholisch Licht.
Vom Klosterkirchhof rauschte mancher Baum,
Noch mehr verdüsternd den so düstren Raum.
Und in dem Kreuzgang stand manch Bild von Stein,
Nur blass erhellt vom fahlen Dämmerschein;
Und manches Wappen, von der Zeit benagt,
Dem Wanderer, wer hier begraben, sagt.
Viele alte Schriften las man rings umher,
Manch ernsten Spruch und manche weise Lehr‘,
An die die hier Begrabnen nie gedacht,
Doch von dem frommen Steinmetz angebracht,
Der Wandrer ging und las, und sprach mit Spott,
„Glaubt man dem Stein, so ruhen All‘ in Gott.

Und fröhlich Urständ soll der Herr verleihn?
Die Fröhlichkeit wird allzugross nicht sein!
Der fromme Hatto – war ein Trunkenbold,
Der heil’ge Kuno – gab Banditen Sold,
Der gute Probst Sylvan – bestahl den Dom,
Der biedre Wolfgang – mordete den Ohm,
Der wackre Konrad – spielte früh und spät,
Der edle Kurt – verhöhnte das Gebet,
Der keusche Benno – hielt mit Knaben zu -
Genug, genug – Gott geb‘ euch ew’ge Ruh!
Kein Laster ist so frevelhaft und gross,
Es ward verübt in dieses Stiftes Schoos,
Und so verrucht ist keine Missethat,
Die nicht den Thäter hier gefunden hat.
Wer will des Lasterdrachen Höhle sehn,
Mag in ein Stift, mag in ein Kloster gehen.
Oft trug die Fahne mit dem Gotteslamm,
Ein Basiliks mit giftgeschwelltem Kamm.
Die Hand, die Gottes heil’gem Leib verheilt,
Hat an unheil’gen Orten oft verweilt.
Und Mancher, der da trug das Kreuz des Herrn,
War mehr noch, als Ischarioth, ihm fern.“

Der Wanderer sprach’s, da schallten Tritte nah,
Verwandelt stand der Schattenpilger da.
Der Domprälat trat in den düstern Gang,
Hart hinter ihm mit hellem Waffenklang
Sein Falkonier, zum Jagen ausgerüstet;
Ein weisser Edelfalk aus Island brüstet
Sich auf der Hand, und Jäger folgen
Mit Armbrust, Spiessen, langen Dolchen,
Und Edelknaben, bunt von Tracht;
Der stolze Priester liebt die Pracht.
Gevatter Narr ist auch dabei,
Als würdiger Diener der Klerisei. –
Als Jäger stand der Pilger harrend dort;
„Komm Horst,“ sprach der Prälat, „wir wollen fort!“
„Wollt Ihr nicht beten, würd’ger Herr zuvor?“
Spricht ihm der Jäger flüsternd in das Ohr.
Und Jener: „Horst, Du bist wohl nicht gescheit?
Jetzt ist zum Jagen, nicht zum Beten Zeit,
Doch wenn Du meinest, es sei wohl gethan,
Es kommt mir auch auf ein Gebet nicht an:“

„Sancte Huberte domine,
Hilf uns erlegen Hirsch und Reh!
Bringst Du den Keuler mir zum Schuss,
Te Laudem totis viribus!
Und stösst der Falk den Reiher bass,
Laudetur sancta Trinitas!“

So lästerte der Mann mit frechem Hohn
Den Geist des Herrn, den Vater und den Sohn.
Manch Heiligenbild, das auf den Säulen stand,
Schien kummervoll zu blicken von der Wand;
Es rauschte, wie der Domherr jenes sprach,
Gleich unsichtbarer Geister Flügelschlag;
Der ew’gen Lampe Licht im heil’gen Haus
Losch überm Hochaltar urplötzlich aus;
Der Jäger blieb dem Domherrn nah und schwieg,
Bis einsam Beide. Laut nun rief er: „Halt!“
Jetzt überfuhr’s den Domherrn eisig kalt.
Des Jägers Stimme, wie der Donner tief:
„Ich bin der beste Schütze! Stirb Du Wicht,
Und lästre fortan Gott und seine Heil’gen nicht!“ –

oben

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Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

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