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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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Der
Wandrer weilt‘ in Kerkereinsamkeit,
Wo das Verbrechen sass bei der Verworfenheit;
Auch Unschuld, oft verachtet und verhöhnt,
Ihr ungehörtes Flehn in Klagen ausgestöhnt.
Ihm war es wohl in jenen Schauerhöhlen,
Die Grausamkeit erfand, die Tyrannei gebaut,
Die Marterkammern hat er angeschaut,
Bestimmt, unmenschlich Menschen abzuquälen.
Die schrecklichen Geräthe waren all‘
Vom Blut befleckt der Opfer, ungereinigt,
Es war, als zittre sterbend mancher Hall
Von Seufzern derer, die man hier gepeinigt,
Durch kerkerlufterfüllte Höhlen schauerlich
Der
düstre Pilger setzte sich
In einen Block, und schlang sich eine Kette
Um Fuss und Hand, als ob das Schergenamt
Er an sich selber zu verrichten hätte.
„Zum
ew’gen Sklaventhum
scheint das Geschlecht verdammt,
Das
sich gottähnlich wähnt und nennt im
stolzen Wahn –„
So fing der Wandrer ernst mit sich zu reden an:
„Sie
fürchten mich mehr, als den Richter dort,
Als ob ich ihre Gottheit wäre
Errichten sie mir grausige Altäre,
Und jedes ihrer Opfer ist – ein Mord.
Mein Altar ist das ragende Schaffot.
Schwarz überhangen wird es für den dunklen Gott;
Mein Priester ist der Henker, und mein Fest
Wenn man zum Richtplatz Sünder führen lässt.
Fallbeilgerüst, Holzstoss und Galgen stehen
Auch als Altäre da, Veränderung ergötzt.
Wild drängt das Volk, den Opfertod zu sehen,
Das sich nie höher freut, als wenn es sich entsetzt.
Mein Beichtstuhl ist die Marterkammer,
Fühllos sind meine Priester für den Jammer.
Nicht Thränen heischt als Sühnung ihre Wuth,
Nicht Reue, Bess’rung nicht, sie wollen Blut für Blut!“
Er
sprach’s – es klirrten Riegel, Pforten krachten,
Der Wanderer verschwand; die Henkersknechte brachten
Ein neues Opfer für die Folterpein.
Wer hat ein menschlich Herz und möchte Zeuge sein? –
Auf
seinem Richterstuhl, gleichwie auf einem Thron,
Ein feiler Richter sass, und sprach dem Rechte Hohn.
Sein Scepter war ein rauher Knotenstab,
So hart, wie die Gesetze, die er gab,
Und ungleich, wie das Recht, nach dem er sprach;
Stark war der Stab, des Richters Tugend schwach.
Der Arme stets des Stab’s Gewicht empfand,
Für Reiche zeigt‘ der Richter offne Hand.
Vom armen Mann sah er, wie gern, zurück,
Doch volle Seckel reizten seinen Blick.
Und arm und schuldig war ihm einerlei,
Floss nur in seine Truhen Gold herbei.
Und reich und schuldlos war so nah verwandt,
Dass er Entscheidung ohne Suchen fand. –
Ein
Reicher schlug in seines Zornes Hitze
Den Knaben eines Armen, dass er starb.
Nun standen Beide vor dem Richtersitze,
Der Arme demuthvoll, mit abgezogner Mütze,
Der Mörder barsch und grob. Des Richters Gunst erwarb
Die volle Tasche, die der Reiche zeigte,
Rechtsprechend er sich schon auf dessen Seite neigte,
Als plötzlich ein Gespenst aus tiefer Kerkerhöhle,
Bleich, abgezehrt, als käm‘ es aus dem Grab
Hereintrat – Richter, nun befiehl Gott Deine Seele!
Und von ihm ungesehn brach’s über ihm den Stab.
Wahnsinnig
lächelnd stand der Vater da,
Wol möglich, dass nur er das Fürchterliche sah,
Und wie der Stab zerbricht, und eine Kette klirrt,
Wie der Verzweiflung Drachenflügel ihn umschwirrt,
Zuckt er sein Messer aus der Scheide,
Und in des Richters Herzen wühlt die Schneide.
Der Reiche flieht, entsetzt, bethört, verwirrt,
Der neue Mörder eilt ihm stürmisch nach,
Sie ringen, aber Kraft ist gegen Wahnsinn schwach;
Sie ringen, bis der Vater wuthentbrannt
Den Mörder seines Sohns auch mit dem Stahl durchrannt.
Und wie der Richter dort in seinem Blute schwimmt,
Und ächzt, sieht er ein abgeschlagnes Haupt,
Aus dessen bleichem Mund er nur das Wort vernimmt:
„Stürb! Dir geschah wie Du gehandelt und geglaubt!“
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bilder: Holbein d.J. und W.
Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
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