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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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Der
Wandrer stieg in einen Bergesschacht,
Und sass vor Ort
in dunkler Knappentracht.
Bald meiselt‘ er
am funkelnden Gestein,
Bald warf er kaum
gebaute Stollen ein;
Ertränkte manchen
Schacht in Wasserfluth,
Dess reicher
Schatz nun unerreichbar ruht,
Zog als ein
Schwaden durch die Gänge hin,
Verbarg des
Bergwerks Eignern den Gewinn,
Und höhnte jene
Gier, die nie gekühlt,
Nach Mammon
kühn der Erde Schoos
durchwühlt.
Verlöschte grausam
manches Grubenlicht;
Und nimmer macht
der düstre Bergmann Schicht. –
In
Schauerhöhlen, die kein Mensch erblickt,
Von Stalaktiten
wunderlich geschmückt,
Von Rizomorphen
phosphorbleich erhellt,
Sass er, ein
König, in der Unterwelt.
Sein
Thron ein Mammuthknochenberg, umher
Versteinte Palmen,
und vom Höhlenbär
Die grausige
Gestaltung – rund herum
Hofdienerschaft
auf Megatherium.
Da
kam’s ihm vor, als hab‘ er schon einmal
Umwandeln müssen in dem Jammerthal,
Und habe sich gewiegt in Flamm‘ und Fluth,
Und habe schlummernd tausend Jahr geruht,
Bis Zeit und Leben ihn aufs neu gezeugt,
Und ihn mit Gift der Wüstenei gesäugt.
Dann träumt‘ ihm, dass er längst gestorben wär‘,
Und wandle nur noch als Gespenst umher,
Und in den Riesenthieren rund um sich
Sah er sein eignes fürchterliches Ich.
Da trieb’s ihn fort, herauf, herauf zum Licht,
Dort drunten wohnte Ruh‘, und Ruhe kannt‘ er nicht.
Wer andern Freuden schafft, ist selbst oft freudenlos;
Er führt zur Ruh‘, doch wölbt sich ihm kein Grabesschoos. –
Unwillig
kehrt er sich dem kindischen Geschlechte
Der Menschen wieder zu, das er vertilgen möchte.
Dem Treiben, das erbärmlich, niedrig scheint,
Wo Falschheit triumphiert, gekränkte Tugend weint.
Auf offnem Markt die Lüge frech sich bläht,
Die mit Betrug und List stets Arm in Arme geht.
Dort steht ein Anwalt, und ein reicher Mann
Spricht im Vorübergehn ihn traulich an:
„Nun nun, Herr Anwalt, für Crispin,
Der mir mein Recht auf’s Erbgut streitet,
Seit Ihr der Fürsprach? Ei, seht zu, wie sich’s entscheidet!
Ich hab just nichts gegen ihn,
Doch sehet, ob er Euch, wenn er verliert
Gebühren zahlen kann, wie sich’s gebührt!
Ihr werdet mich verstehn, Herr Anwalt? Ei
Da fällt mir eine Sünde bei,
Ich schuld‘ Euch noch, ich glaube
zwanzig Kronen;
Hier nehmt sie hin, Verdienste muss man lohnen!“
Der
schlaue Mann versteht, und die gekrümmte Hand
Streckt er begierig aus. – Von ferne stand
Verrathen sein Klient, und sah den Gegner zahlen,
Und weinte still, verzehrt von bittern Qualen:
„Barmherziger! Du, dem mein Elend kund!
Du der einst Urteil spricht mit allgerechtem Mund,
Du den man nicht besticht, hilf mir zu meinem Recht,
Sei Du mein Anwalt, Gott! Mit Thränen zahlt Dein Knecht!
Ist ungerecht mein Streit, so bette mich ins Grab!
O Gott, in jenes Hand ruht schon mein Bettelstab!“
Da
trat der Pilger gleich heran:
„Komm armer Mann, ich will Dein Fürspruch sein!
Ich zahle jetzt für Dich, es sind auch Kronen mein!“
Er starrt aus hohlem Aug‘ den flaschen Anwalt an.
Und Geld er drauf ihm zuzählt, Stück vor Stück,
Ihn mit der Sanduhr schlagend ins Genick,
Dass er mit dumpfen Schrei zusammenbrach,
Gesehen hatt‘ er seinen letzten Tag.
Der
Reiche bebte; floh, Entsetzen trat ihm nah;
Die Menge sammelt sich, sie fragt, was hier geschah?
Der Schlag hat in gerührt, den ausserdem nichts rührte,
Nun ist der Mund verstummt, der oft das Recht verdreht,
Gebühr empfing er hier, wie sichs für ihn gebührte,
Vor höh’rem Richterstuhl er bald erbangend steht.
Und
wunderbar, als man den Leichnam streng besichtet,
Da schien’s, als hab‘ ein Höh’rer hier gerichtet,
Der Theil mit dem er sprach manch falsches Lügenwort,
Die Z u n g e war aus seinem Munde fort.
–
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bilder: Holbein d.J. und W.
Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
wikimedia
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