lifedays-seite

moment in time



 
Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

__________________________________


Der Weltgeistliche



Die Winternacht war hell und klar;
Der Wandrer, der die Welt durchwallt,
Auf einen Klosterkirchhof tritt;
Und in das Beinhaus ging er ein,
Und sass da drinnen ganz allein,
Und hatte in den engen Schranken
Seine sonderlichen, eignen Gedanken.
Er sah heraus ganz still und bleich;
Ihm war das Kleid der Erde gleich.
Die Flur war ach! so öd‘, so leer,
Als ob sie lange gestorben wär‘.
Und oben, das blasse Mondenlicht,
War eben auch ein Eisgesicht,
Fast wie ein Schädel, weiss gebleicht,
Der Höhlen statt der Augen zeigt.
Die Gräber waren überschneit,
Der Schnee mit Blättern überstreut,
Die sich im Nachtwind lustig drehten,
Und tanzend über die Gräber wehten,
Mit leisem Rauschen, schnellem Zittern,
An Leichensteinen und Eisengitter.

Fast wie ein Schädel, weiss gebleicht,
Der Höhlen statt der Augen zeigt.
Die Gräber waren überschneit,
Der Schnee mit Blättern überstreut,
Die sich im Nachtwind lustig drehten,
Und tanzend über die Gräber wehten,
Mit leisem Rauschen, schnellem Zittern,
An Leichensteinen und Eisengittern.
Die Klosterkirche stieg himmelan,
Warf Riesenschatten über den Plan.

Der Fahnen widriges Geschrill
Durchschnitt die Nacht, sonst war es still.
Ein Käuzlein sass im Thurmgemäuer,
Die grossen Augen sprühten Feuer.
Komm mit! Komm mit! rief es so trübe,
Als wein‘ es um begrabne Liebe.

Der Wanderer vernahm ein Pochen
Und hob sich von dem Sitz aus Knochen,

Und lauschte nach einem Grabe hin.
„Willst wieder heraus? Bleib Du nur drin!“
Doch am Klosterthor das Glöcklein klang,
Und eine Stimme rief gar bang:
„Ein Kranker liegt in Todesnoth,
Verlangt nach dem hochheiligen Brod!
O fromme Väter, säumet nicht,
Eh‘ ihm das Auge sterbend bricht!“

Als Leienbruder der Pilger stand,
Die Schelle hielt er in der Hand,
Hielt unter’m Arme sein Brevier,
Einem Stundenglase glich es schier,
Er trug dem Pater vor die Leuchte,
So schritten sie zur Krankenbeichte.
Der Priester das Hochwürdige trug,
Verhüllt mit goldbefranztem Tuch;
Und seinen Schritten schloss sich an
Der Bote mit dem Sakristan.
Die Klosterkirche thürmte sich
Empor gar düster und schauerlich. -
Sie kamen zu dem Kranken hin,
Zu bringen ihm des Heils Gewinn.
In seiner Kammer, unsichtbar,
Stand eine düstre Wächterschaar:
Ein feurig Weib voll Ungeduld
Trat an des Kranken Lagerstatt;
Er sah es stehn  es war die Schuld -
Und ächzt‘ und stöhnte todtesmatt.
Ein andres Weib hielt in der Hand
Eine Natter, die sich ringelnd wand
Nach des Kranken Haupt mit scharfen Bissen,
Es war das strafende Gewissen.
Die Sünden hatten, giftgeschwellt,
Sich um das Lager rings gestellt,
Zu Häupten stand ein weinend Weib,
In Trauer tief verhüllt den Leib.
Voll Hoffnung auf die letzte Weihe
Sah sie empor – es war die Reue.

Und wie der Priester trat herein
Verklärt ihr Haupt ein Heil’genschein.
Und wie der Pilger mit der Leuchte
Den Kranken abzufordern schien,
Trat sie zu dessen Bett, und neigte
Sich als Versöhnung über ihn.

Der Priester reicht‘ ihm das Liebesmal,
Der Pilger befreit‘ ihn von aller Qual. -
Dann hat er auch noch in derselben Nacht
Den Priester wieder nach Hause gebracht.
Doch in das düstre Kloster nicht.
Er löschte seiner Leuchte Licht,
Und führt‘ ihn durch einen Pfad voll Graus
Still in das ewige Vaterhaus.

oben

_________________________________




______________________

Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

   lifedays-seite - moment in time