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Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

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Der Wucherer



Ein Wuchrer sass inmitten seiner Güter,
Tief im Gewölb, des Mammons karger Hüter,
Geld war sein Gott, Geld seine Seligkeit,
Sein Himmel, dess er sich in dumpfer Gruft gefreut.
Da lag vor ihm das liebe, theure Gold,
Wie tausend Liebesaugen, lockend, hold;
In Säcken,  wohlversiegelt und verwahrt,
Stand mancher Schatz, seit Jahren aufgespart;
In Truhen festverschlossen, angekettet,
War jahrelang der Reichthum schon gebettet.
Der Wuchrer zählte, zählte still und leis
Und ämsig, und es trat oft kalter Schweis
Auf seine Stirne, wenn er sich verzählte,
Wenn an dem Tausend ein Denar nur fehlte.
O wer kann schildern, was ein Wuchrer fühlt,
Wenn er in seinem Gold wollüstig wühlt?

So fühlt der Geier, hält den Raub er in den Krallen, -
Was kümmerts ihn, dass Thränen drauf gefallen?
Dass es verflucht ward mehr denn  tausendmal,
Und oft erpresst durch mehr als Henkersquaal?
Es lösen Thränen, denkt er, nicht Metall,
Sie waschen es nur blanker – Seufzerhall
Wiegt nicht so schwer, wie Gold, und Fluch und Blut,
Wie heiss auch brenne beider Gluth,
Sie schmelzen nicht Metall, verringern nicht den Werth. –
 
Und einsam sass der  Wuchrer, abgezehrt
Von Gier und Habsucht, Grimm im Blick und Groll,
Dass noch nicht alle Truhen übervoll;
Da weht der Wind ein welkes Blatt herein,
Es raschelt – Furcht durchgrauset sein Gebein;
Er hört in jedem Rauschen einen Dieb,
Der ihm den Himmel stiehlt, ach, ihm so lieb.
Und stärker rauscht es, und das abgebrannte Licht
Flammt sterbend heller auf - „Ha, schreckliches Gesicht!
Da sitzt der Dieb – wie kam er nur herein?
Er streicht mit gieriger Hand den schönen Mammon ein!
Weh mir! Verfluchte Polizei! Ha, Schurke! Hund! –„
Vor Schreck erstirbt der Ruf in seinem Mund.
Er will empor vom Sitz, und kann es nicht,
Will Hülfe rufen, aber Luft gebricht.
 
Und mehr und mehr nimmt sich der Räuber, häuft
In sein Gefäss das Gold, dass es fast überläuft.
„Ha – halt – halt –„ krächtzt der Geizige hervor:
„Du – Du – Du nimmst mir ja mein Leben!“
Da hohnlacht eine Stimme: „Karger Thor!
Das weiss ich, und das will ich eben!
Drum nehm‘ ich Deinen Schatz!“ Es rafft der Dieb die Lasten
Zusammen, und sein Fuss zertritt die Kasten.
Der Wuchrer springt empor, wild glüht sein Blick,
So stürzt die Löwin auf den Räuber ihrer Jungen,
Die Arme hält er, wie zum Kampf geschwungen,
Springt auf, und fällt, und bricht im Fallen das Genick.

Der Räuber – einer wars, dem nie ein Schloss zu fest,
Der sich durch Mauern nicht im Lauf beschränken lässt,
Der keinen Schatz bedarf, und nur nach einem strebt,
Dem besten, den der Mensch besitzt, so lang er lebt;
Der Räuber blieb noch eine Weile
In dem Gewölbe, wo der Wuchrer lag,
Sah düster den Gefall’nen an, und sprach:
„Nun geht Dein Mammon bald in viele Theile;
Du hast des Leibes Blösse kaum bedeckt,
Du hast durch Habsucht Deinen Ruf befleckt,
Du hast gehungert, hast in toller Gier
Des Lebens Freuden selbst verweigert Dir,
Hast Arme hart von Deiner Thür gestossen,
Warst Kleinen ein Tyrann, und sklavisch klein vor Grossen;
Was hast Du nun, Du armer, armer Mann?
Was frommt’s, dass Deine Gier Dir Tausende gewann?
Wer weint um Dich? Wer klagt, dass Du gestorben bist?
Mit Abscheu nennt Dich, wer Dich nicht vergisst.
Nicht Weib, nicht Kind, nicht Freund zollt eine Thräne!
Du warst allein, - so wandelt die Hyäne
Einsam, und scharrt aus Gräbern ihren Frass,
Doch solches will Natur, sie nähret sich vom Aas,
Du scharrtest Gold aus manchem Grab des Glückes,
Das weinende Familien verschlang;
Wird von dem Dräu’n des Weltenrichterblickes,
Unseliger, wird Dir vor Gottes Zorn nicht bang? -
Reift drüben Dir der Fluch, hier von Dir ausgesät?
Du kannst nicht Rede stehn, zur Antwort ist’s zu spät!“ –


oben

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Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

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