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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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O Himmelsanblick, wie nun
Aug‘ in Auge strahlt,
Entzücken
höher Beider Wangen malt,
Wie
sie sich selig ansehn, sich umfassen,
Und
nicht mehr von einander lassen,
Und
Engeln gleich, so schuldlos und so schön,
Umschlungen
durch den Garten Gottes gehen!
Die
Schöpfung jauchzt, wie sich der Mensch, ihr
König, zeigt;
Der
Löwe kommt, und blickt ihn an – und schweigt,
Verwundert
steht der Elephant von fern,
Und
ahnt in jenen Beiden seine Herr’n;
Und
friedlich kommt die Kreatur herbei,
Die
Taube gurrt, es kreischt der bunte Papagei,
Mit
Affen spielt der Hund, und die Gazelle lauscht
Aus
dem Gebüsch hervor, das
schlanke Wild durchrauscht.
Und
Edens Blumen hauchen Balsamduft,
Und
Schmetterlinge gaukeln in der Luft,
Lebend’ge
Blüthen, reich an Farbenglanz,
Herabgefallen
aus der Engel Kranz.
Und
süss und labend bietet ungesucht
Den
jugendlichen Wandrern sich die Frucht,
Und
weich und schwellend ladet grünes Moos,
Am
Rand der Quellen in der Ruhe Schoos.
Da
neigt die Sonne sich dem Westen zu,
Und
die Geschöpfe suchen schon die Ruh.
Zur
stillen Meerbucht schwimmt der weisse Schwan,
Und
purpurflammend glüht der Ozean.
Das
Menschenpaar, das sich umschlungen hält,
Umarmt
sich fester, stiller wird die Welt.
Die
Sonne sinkt – ach! jener Hände breiten
Sich
nach dem holden Schein, der dort verglüht,
Sie
lassen über’s Meer die Sehnsuchtsblicke gleiten,
Und
Wehmuth zieht in ihr Gemüth.
Der
Baum des Lebens rauscht im Abendwehen,
In
Purpurtinten glänzen ferne Höhen,
Und
wie der Menschheit erste Zähre fliesst,
Wird
sie vom ersten Liebeskuss versüsst.
Noch
keine Sprache thut in Tönen kund
Der
wonnevollen Herzen heil’gen Bund;
Sie
haben sich, nur sich, und halten sich so treu,
Als
ob die Nacht das Grab des Lebens sei.
Die
Jungfrau kos’te sanft ein weisses Lamm,
Und
dachte den Gedanken: Bräutigam.
Der
Jüngling hat sie lächelnd angeschaut,
Und
in der Seele klang’s ihm: Meine Braut!
Und
ihrer Lieb‘ unausgesprochner Gruss
Vereinte
sie zum flammenheissen Kuss;
Sie
sanken hin, ein treuvereinter Leib,
Und
waren – Mann und Weib. –
Gebrochen
war die Frucht vom Lebensbaume,
Durch
dessen Laub sich eine Schlange wand;
Die
Schlange hiess Genuss, und gab im schönen Träume
Die
Himmelsfrucht in Menschenhand.
Ein
neuer Lebenskeim entstand im Mutterschoos;
Entschieden
war der Menschheit Loos.
Wo
sich fortbildend Leben selbst erschafft,
Stirbt
im Genuss die gottgeborne Kraft;
Das
ist der Spruch des Ewigen: Entstehen,
Sich
gatten, Gleiches zeugen, und vergehen!
Was
Leben athmet auf der Erdenbahn,
Ist
des Gebotes Unterthan.
Ob
auch ein Paradies verblüht,
Wenn
Leben sich in Leben tauchend glüht,
Der
Allmacht Wille zeichnet unsern Lauf,
Und
Elternfreude wiegt ein Eden auf.
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bild: "Wappen des
Todes", Holbein d.J. (1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
wikimedia
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