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04.2
Der Todtentanz - Ein Gedicht
Ludwig
Bechstein
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O
Rosentraum voll Paradieseswonnen,
Den Unschuld,
Jugend, Liebe selig träumt,
Den Wolken
gleichst du, abendgoldumsäumt,
Ein Augenblick –
dann ist der Glanz zerronnen.
Wer trat sie an
des Lebens Pilgerschaft,
Und wurde nicht
vom Zeitsturm fortgerafft?
Er reisst uns aus
dem warmen Blüthenzelt
Der Kindheit
grausam in die kalte Welt.
Er stösst uns aus
der Jugend stillem Haus
In das Gewühl des
lauten Markts hinaus,
Er wirft uns in
ein wogenrollend Meer,
Wir schiffen dort
auf morschem Kahn umher,
Und Keiner fragt,
ob uns ein Rettungssteuer blieb?
Ob uns der Sturm
auf Felsenklippen trieb? –
Der Hauch der
Zeit ist
ein vernichtend Wehen,
Von dem die
Frühlinge vergehen;
Er ist der Cherub
mit dem Flammenschwert,
Der unser
Lebensparadies verheert. –
Das Leben war ein
Kind, das unter Blumen spielte,
Harmlos, im
Morgenroth, und kannte nicht den Schmerz;
Noch gab es
keinen Schmerz; der Engel Unschuld kühlte
Mit Rosen ihm die
Stirn‘, und trug es himmelwärts.
Zur Jungfrau nun
erwuchs das Leben bald, und fühlte,
Und sehnte
liebend sich an Gottes grosses Herz.
Da kam die Zeit,
ein alter, grauer Greis,
Der schloss in
seinen Arm das jugendliche Leben;
Vergebens strebt‘
es, ihm zu widerstreben,
Es blieb in
seiner Macht, und gab ihm alles Preis.
Und fort und fort
erneut sich dieser Raub;
Der Zeit
Gigantenschritt zermalmt zu Staub;
Was er auf seinen
Pfaden findet,
Und Monumente,
für die Ewigkeit gegründet,
Bricht er, wie
von dem Baum ein welkes Laub. –
Das Leben stönte
bang im Mutterschmerz,
Ein krampfhaft
Zittern wühlt in seinem Schoos,
Und kroch herauf,
und griff ihm kalt ans Herz:
Da rang sein
Kind, da rang der Tod sich los.
Mit Hohngelächter
trat er an das Licht,
Das
Leben bebte
vor dem starren Angesicht,
Und
reicht‘ ihm
keine Brust, und stiess ihn aus,
Entsetzen
sah aus
ihm, und Nacht und Graus.
Und
wie das Leben
kummerahnend weit,
Flucht‘
ihm sein
Kind, und blieb der Mutter ewig feind.
In
eine Wüste
floh die schreckliche Gestalt;
Trostloser
Öde
war sie ja verwandt,
Sie
bleichte sich
um glüh’nden Sonnenbrand,
Und
blieb doch
eiseskalt. - -
Das
erste
Menschenpaar, das noch umschlungen lag,
Begrüsst‘
erwachend einen unheilvollen Tag.
Gewitterschwangre
Wolken thürmten sich,
Und
Donner
rollten fürchterlich.
Verzagend
sanken
jene nieder,
Und
zitterten,
erhoben dann sich wieder,
Und
irrten
weinend, ohne Ziel umher.
Vom
Himmel
stürzte sich ein Regenmeer,
Glührothe
Blitze
fuhren in die Palmen,
Geknickt
zu Boden
neigten sich die Halmen,
Des
Meeres Wogen
grollten dumpf und fern,
Und
übern
Erdkreis flog der Ruf des Weltenherrn.
Die
Wolken
senkten sich herab zum Wald,
Durchflammt
von
einer zürnenden Gestalt,
Die
schön und
schrecklich anzusehen war,
Vor
ihrem Anblick
floh das erste Menschenpaar,
Entsetzt,
verwirrt, in tiefen Finsternissen,
Vom
Sturmeswehn
gewaltsam fortgerissen.
Der
Boden bebt
von des Gewitters Macht,
Der
Sonne Licht
birgt sich in Wolkennacht. –
Du
armes Paar,
warum so bitt’res Leid
Auf
Dich gehäuft
nach kurzer Seligkeit?
Was
war Dein
Sündigen, was Dein Verschulden? –
Wem
früh das
Glück gelacht, muss am Abend dulden;
Das
reinste Glück
vernichtet die Begier,
Und
dieser Fluch
ward schon erfüllt an Dir. –
Und
wie sie
jammernd fliehn, die unglücksel’gen Gatten,
Hängt
sich an
ihren Schritt ein fürchterlicher Schatten,
In
dessen grause
Macht sie nun gegeben sind;
Es ist
des Lebens
ausgestossnes Kind.
Doch
noch ein
Trostesstern in ihrem Jammer scheint,
Was sie auch
trifft, sie dulden es – vereint.
oben
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Textgrundlage und
Bilder: Der
Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig
Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach Hans Holbein. Leipzig,
herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld
Düsseldorf,
Universitäts- und
Landesbibliothek
Online-Ausgabe
Bild:er", Holbein d.J. (1498-1543,
und W. Hollar, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org
Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt
Notke,
gemeinfrei
wikimedia
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