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Literatur


04.2

Der Todtentanz - Ein Gedicht

Ludwig Bechstein

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Triumph des Todes



Das Opfer fiel. – Der Seher sieht es fallen,
Und sieht nach einem hochgewölbten Haus
Die bleiche Schaar der Todesengel wallen.
 
Da löschen alle Lebensflammen aus,
Mit Moder übertünchen sich die Mauern,
Aus ihnen duftet der Verwesung Graus.
 
Das Leben zittert unter Grabesschauern;
Der Fürchterlichen werden mehr und mehr;
Wenn sie frohlocken, muss die Menschheit trauern.
 
Durch alle Räume wogt das grause Heer,
Farblos, leblos, und doch bewegt, wie Schatten,
Graunvollen Anblicks, augenhöhlenleer.

Und kommen sie, das Opfer zu bestatten,
Um das die jugendliche Menschheit weint?
Den ersten Raub, den sie erbeutet hatten?
 
Den Sieg zu feiern, kommen sie vereint,
Den sie dem Leben endlich abgerungen;
Kaum fasst das Haus die Zahl, die hier erscheint.

Noch hat kein Ton den Riesenbau durchdrungen,
So voll, und doch so still – kaum ist ein Laut
Wie Rauschen welker Blätter drin erklungen.
 
Leer, ein Geripp nur, ist das Haus erbaut,
Hohläugig starrend sieht man’s düster ragen,
Von Nacht und feuchten Nebeln rings umgraut.
 
Tonwecker bringen Jene nun getragen;
Der Erdball ist auf Knochen hingestellt,
Und wird als Donnerpauke dort geschlagen.
 
Von solchem dumpfen Hall erbebt die Welt;
Weit strecken sie Posaunen und Drommeten,
Wie Meteore, blass vom Licht erhellt.
 
Das sind nur Feuerschweife von Kometen;
Und wollt Ihr hören den Triumpfgesang,
Und hören das Gebet, das Jene beten?
 
Es rollt und rauscht wie Sturm und Wogendrang,
Dumpfheulend, wimmernd, wie aus tiefen Grüften,
Wie von zersprungnen Glocken ist der Klang,
 
Und wie der Lärm der wilden Jagd in Lüften:
 
„Rauschet feiernde Gesänge,
Dröhnet Donnerharfenklänge
Aufwärts aus der Grabesenge!“
 
„Was auf Erden auch bestehe,
Sinkt und bricht im bangen Wehe,
Rufen wir ihm zu: Vergehe!“
 
„Wie der Erste uns verfallen,
Fiel mit ihm das Loos von Allen,
Die das Leben noch durchwallen!“
 
„Keinen werden wir verschonen,
Nicht in Hütten, nicht auf Thronen,
Waffen schirmen nicht und Kronen!“
 
„Schwacher Menschheit stolze Träume,
Ihrer Hoffnung Blüthenbäume,
Mordet unser Hauch im Keime!“
 
„Jeder Hader wird geschlichtet!
Jede Sünde wird gerichtet!
Jedes Leben wird vernichtet!“
 
„Ob auch Mancher kräftig strebe,
Ob er hundert Jahre lebe,
Endlich saftlos sint die Rebe!“
 
„Sei’s die Blüthe, sei’s die Traube,
Nie gesättigt von dem Raube,
Sammeln wir den Staub zum Staube!“
 
„Bis das Leben all erkaltet,
Bis der Erdball selbst veraltet,
Und die Urnacht wieder waltet!“ –
 
Da sah der Seher die Phantome schwinden,
Ein heller Blitz fuhr in die Schauernacht,
Als woll‘ er drinnen lichten Tag entzünden.
 
Und mit dem Tod rang eine Himmelsmacht:
Ein Kreuz erschien, hoch über allen Landen,
Und von dem Kreuze klang’s: Es ist vollbracht!“
 
Es war vollbracht; Christ lag in Todesbanden.
Der Weltenkönig starb für seine Welt,
Doch nach drei Tagen ist er auferstanden.
 
Es war vollbracht; der Drache war gefällt;
Der Sieger hat sich glorreich aufgeschwungen,
Und wird einst richten überm Sternenzelt.
 
Du frommer Heiland, hast den Tod bezwungen,
Den ewigen, durch Deinen Sühnentod,
Und haben wir im letzten Kampf gerungen,
 
Blüht uns Dein Kranz im ew’gen Morgenroth.



oben

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Textgrundlage und Bilder:  Der Todtentanz - Ein Gedicht von Ludwig Bechstein,
mit 48 Kupfern in treuen Conturen nach  Hans Holbein. Leipzig, herausgegeben bei
Friedrich Augus Leo, 1831, gedruckt bei J. B. Hirschfeld

Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek
Online-Ausgabe

Bilder: Holbein d.J.  und W. Hollar(1498-1543, gemeinfrei, aus der Todtentanz
wikimedia.org

Logo 465: „Dans Macabre“, Bernt Notke, gemeinfrei
wikimedia

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