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Literatur


04.2


Gedichte - Totentanz
 
Allgemein - Heine

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Da hab ich viel blasse Leichen



Da hab’ ich viel blasse Leichen
Beschworen mit Wortesmacht;
Die wollen nun nicht mehr weichen
Zurück in die alte Nacht.
 
Das zähmende Sprüchlein vom Meister
Vergaß ich vor Schauer und Graus,
Nun zieh’n die eig’nen Geister
Mich selber in’s neblichte Haus.

Laßt ab, Ihr finstren Dämonen!
Laßt ab, und drängt mich nicht!
Noch manche Freude mag wohnen
Hier oben im Rosenlicht.

Ich muß ja immer streben
Nach der Blume wunderhold;
Was bedeutet’ mein ganzes Leben,
Wenn ich Sie nicht lieben gesollt?

Ich möcht sie nur einmal umfangen,
Und pressen an’s glühende Herz!
Nur einmal die Lippen und Wangen
Küssen mit sel’gem Schmerz.

Nur einmal aus ihrem Munde
Möcht’ ich hören ein liebendes Wort, –
Alsdann wollt’ ich folgen zur Stunde
Euch, Geister, zum finstern Ort.
 
Die Geister haben’s vernommen,
Und nicken grausiglich.
Feins Liebchen, nun bin ich gekommen;
Feins Liebchen, liebst du mich?

oben   

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Textgrundlage: „Da hab ich viel blasse Leichen“, Heinrich Heine,
aus Buch der Lieder,
Junge Leiden, Traumbilder, S. 36-37, 1. Auflage,
Enstehung: 1817-1821, ED: 1827, Verlag
Hoffmann und Campe,
Hamburg

Scans der Ausgabe 1827 auf den Commons


Logo 470: „Totentanz", Lundström, Johan Pehr, Entst.J: 19. Jh,
Stockholm, SE, gemeinfrei

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