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04.2
Gedichte
- Totentanz
Allgemein -
Baudelaire,
Charles
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Totentanz
An
Ernest Christophe
Von
ihrer Schönheit stolz wie Lebende durchdrungen,
Prunkt
sie mit Taschentuch, mit Handschuh und mit Strauss;
In
kühner Lässigkeit zeigt sie sich ungezwungen –
Wie
eine magere Kokette sieht sie aus.
Hat
je auf einem Ball man schlankren Wuchs gesehen?
Du
schaust ihr grelles Kleid, an weiten Falten reich,
Auf
einen Knochenfuß in Wellen niedergehen,
Von
buntem Schuh geschmückt, der zieren Blumen gleich.
Ihr
magres Schlüsselbein umschmiegen leichte Spitzen,
Gleich
einem üppgen Bach, der sich am Felsen reibt,
Und
sittsam bergen sie vor possenhaften Witzen
Den
unheilvollen Reiz, der tief verborgen bleibt.
Die
hohlen Augen sind erloschen und verwittert,
Es
nickt der Blumenschmuck vom Schädel grauenvoll,
Der
schwank sich wiegend auf den dünnen Wirbeln zittert –
O
Zauber eines Nichts, das aufgeputzt und toll!
Gar
manche möchten dich ein nächtig Zerrbild nennen,
Die
von der Trunkenheit des Fleisches nur gewußt,
Die
nicht der menschlichen Gebeine Feinheit kennen:
Du
mächtiges Skelett stillst meine höchste Lust!
Kommst
du zu stören mit erschreckender Grimasse
Das
Fest des Lebens, als ob lüsterne Begehr,
Leichtgläubge,
dein Gebein im Grab nicht ruhen lasse,
Zum
wilden Taumeltanz des Freudensabbats her?
Beim
Sang der Geigen, bei der Kerzen lichtem Prangen
Hoffst
zu verscheuchen du der finstren Träume Not?
Willst
du vom wilden Strom der Orgien erlangen,
Daß
er die Hölle kühlt, die dir im Herzen loht?
Unausgeschöpfter
Quell von Wahn und Seltsamkeiten,
Nach
dem der Menschheit Schmerz seit alter Zeit geforscht,
Ich
sehe durchs Gewand, geschürzt an deinen Seiten,
Die
gierge Schlange, die dir das Gebein zermorscht.
Zwar
fürchte wahrlich ich, daß deine Reize scheitern,
Und
daß kein Preis dich krönt, der würdig deiner Mühn;
Wen
dieser Sterblichen wird solcher Spott erheitern?
Das
Graun kann Starke nur mit seiner Lust durchglühn.
Der
Augen Höhlung, drin des Grabes Schauer nachtet,
Enthaucht
den Schwindel, und es wird kein Tänzer sein,
Der
ohne Ekel und Beklemmung je betrachtet
Das
Lächeln, das uns grinst aus deiner Zähne Reihn.
Doch
welches Menschen Arm umfing nicht schon Skelette?
Wer
hat sich nicht genährt vom Graun der Grabeswelt?
Was
kümmert uns Geruch, Gewandung und Toilette!
Der,
der sich ekelt, zeigt, daß er für schön sich hält.
Du
Tänzrin, nasenlos! Sieghafte Dirne! Winke
Und
sprich zur Tänzerschar, die sich erschrocken ziert!
Ihr
Hübschen! Trotz der Kunst des Puders und der Schminke
Riecht
ihr nach Grabesdunst! Skelette parfümiert!
Ihr
Gecken welker Schmach! Ihr Dandys falschen Glanzes
Grauhaarger
Stutzerschwarm! Gefirnißtes Gebein!
Die
Welterschütterung des grimmen Totentanzes
Reißt
euch in dunkles Land, das niemand sah, hinein.
Am
kalten Seinestrand, am Glutgestad des Ganges
Spreizt
tanzend sich die Schar der Menschen und sieht nicht,
Daß
klaffend durchs Gewölb gleichwie ein dunkles, banges
Sturmwetter,
dräuend des Gerichts Posaune bricht.
In
deiner Welt bestaunt der Tod dich allenthalben,
Wie,
sterbliches Geschlecht, er deinen Krampf verlacht,
Und
oft, indem gleich dir er prunkt mit duftgen Salben,
Eint
seinen grimmen Hohn er deines Wahnsinns Nacht!
oben
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Textgrundlage:
„Blumen
des Bösen“, Baudelaire, Charles.,
Leipzig 1907, S. 105-108, gemeinfrei
zeno.org
Logo 470: „Totentanz", Lundström, Johan Pehr,
Entst.J: 19. Jh, Stockholm, SE, gemeinfrei
zeno.org
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