Nach
dem Gewitter hatte sich die Luft empfindlich
abgekühlt, so dass mir abends die Zähne im Munde klapperten. Daher
schien es
mir ratsam, mich nach einem Quartier umzusehen, wo ich unter Dach und
Fach
übernachten konnte. Ich versteckte mein Netz, näherte mich einem
einsamen
Bauernhofe und besah die Gelegenheit. Aus einer offenen Luke im Giebel
hing
Stroh herab; eine Leiter stand davor. Zu Nacht, als alles still
geworden, stieg
ich hinauf. Es war ein einfacher Bretterboden. Ich machte mich so
leicht wie
möglich. Knacks! Da brach ich schon durch.
Ich
fiel weich auf ein Bett, wie ich merkte. Aha! dacht ich. Das trifft
sich
gut! Dies ist sicher die Fremdenkammer! und wollte mir's bequem machen.
Aber
neben mir rührte sich was.
"Kunrad!"
rief eine Weiberstimme.
"Kunrad, der Sack ist durch die Decke gefallen."
"Dummheit!
Du träumst! Dreh dich um!" gab eine schläfrige
Männerstimme zur Antwort.
"Kunrad!"
kreischte die Frau. "Der Sack hat Haar auf dem
Kopf!"
"Ich
komm schon!" klangs munter aus dem andern Bett herüber.
Es
schien mir nicht ratsam, noch länger zu verweilen. Ich trat klirrend in
ein Gefäß
voll Flüssigkeit; ich tappte mit den Händen in fünf, sechs offene
Mäuler. Die
Kinder heulten, die Frau schrie: "Ein Dieb! EinDieb!" und der Bauer
fluchte und schwur, dass er ihn schon kriegen und durch und durch
stechen
wollte, wenn er nur gleich einen Säbel hätte. Zum Glück fand ich eine
Tür, die
in den Nebenraum führte. Hier kriegt ich den Kopf einer Kuh zwischen
die Arme,
und als ich das haarige Gesicht und die zwei harten Hörner fühlte,
erschrak ich
und dachte schon, es sei der kräftige Knecht mit der Heugabel. Das
bekannte
Hamuh! gab mir die Besonnenheit zurück. Ich sprang aus der Klappe und
schlich
mich hinter dem Schweinestall herum durch den Gemüsegarten ins Feld.
Alles, was
Stimme hatte, war wach geworden: Hund, Hühner, Schweine, Kühe, Ziegen
und
Gänse; aber am längsten hört ich noch die leidenschaftlichen Äußerungen
der
Familie, die aus weitgeöffneten Mäulern und Fenstern hinter mir
herschimpfte.
Ohne
erst mein Netz zu holen, lief ich die halbe Nacht hindurch, bis ich
einen
Teich erreichte, in dessen Nähe ein Mühlrad rauschte.
Schön
gelb und rund, gleich dem Eierkuchen in der Pfanne, ehe er völlig
gereift
ist, schwebte der Mond im Himmelsraum. Ich war ungemein wach und warm
geworden.
So setzt ich mich denn auf das Wehr und hörte zu, was sich die Frösche
erzählten, die ihre gesellige Unterhaltung, worin sie durch meine
Ankunft
gestört waren, alsbald wieder anknüpften.
"Frau
Mecke! Frau Mecke" fing die eine Fröschin zur andern an.
"Was ba-backt Ihr denn morgen?"
"Krapfen!Krapfen!
Frau Knack!" entgegnete die Frau Mecke.
"Akkurat
mein Geschmack!" quakte die Frau Knack.
Und
kaum, dass sie diese Ansicht geäußert hatte, so stimmten sämtliche
Frösche
ihr bei und erklärten laut und einstimmig, die Frau Knack-ack-ack-ack
hätte den
wahren Geschmack-ack-ack-ack, und da blieben sie bei und hörten nicht
auf, bis
ich gegen Morgen einen dicken Stein holte und mitten ins Wasser
plumpste.
Inzwischen
hatt' ich allerlei in Erwägung gezogen. Durch die vorwiegend
pflanzliche Nahrung war meine Natur doch sehr merklich ermattet. Auch
bedurfte
meine Wäsche, die nur aus 1/12 Dutzend Hemden und 1/12 Duzend Paar
Strümpfen
bestand, recht dringend der Ergänzung. Daher beschloss ich, mir in der
Mühle
einen Dienst zu suchen.
Auf
meine Anfrage, ob's nichts zu flicken und zu stopfen gäbe, gab der
Müller
die freudige Antwort.
"Nur
herein, mein Sohn, es ist ein gesegnetes Mäusejahr; kein Sack ohne
Löcher!"
Drei
Wochen lang hantierte ich emsig mit Nadel und Zwirn; aber die sitzende
Lebensweise gab mir auch die beste Gelegenheit, in aller Stille an die
reizende
Hexe zu denken und allerlei Pläne zu schmieden, wie ich sie wieder
erwischen
könnte. Unwiderstehlich erwachte die Wanderlust; die Beine fingen an zu
zappeln
wie fleißige Weberbeine, und eines schönen Morgens stand ich
reisefertig da,
mit einem neuen Netz in der Hand, und sprach:
"Meister,
ewig können wir nicht beieinander sein. Gehabt Euch wohl!"
Nachdem
ich meinen Lohn erhalten, spazierte ich mit munteren Schritten den Bach
entlang. Ich war ordentlich plus und prall geworden. Und pfeifen tat
ich, und
zwar schöner als je, denn grad durch das ärgerliche Loch, was mir der
Strolch
in die Zähne geworfen, bracht ich nun die kunstvollsten Töne hervor.
Die
Landschaft, in die ich zuerst gelangte, sah sehr einförmig aus. Die
Kartoffeln standen gut, indess ungewöhnlich viele Schnecken gab es
daselbst,
die, wie mir schien, noch viel langsamer krochen als anderswo.
Bald
erreicht ich ein idyllisches Dörflein. Alle Häuser hingen gemütlich
schief
auf der Seite; desgleichen die Wetterhähne auf den Dächern. Auf
den
Türschwellen im warmen Sonnenschein hockten die Mütter und besahen so
beiläufig
den Kindern die Köpfe, während die Mannsbilder draußen auf der Bank
saßen und
versuchten, in dieselbe Stelle zu spucken, was, wenn es gelingt, ja den
Ehrgeiz
befriedigt. Nur einer machte sich etwas Bewegung auf der Gasse. Er ließ
seinen
Stock fallen. Mühsam und seufzend hob er ihn auf, aber dann ging er
auch gleich
ins Wirtshaus zu seiner Erholung.
Ein
Dickwamps sah schläfrig zum Fenster heraus.
"Ihr
da, mit dem Dings da!" sprach er mich an. "Ihr könntet mir
zu etwas behilflich sein." Ich trat ins Haus. In langgedehnter,
zähflüssiger Rede tat er mir kund, um was es sich handelte: Er hätte
eine
Kanarienvogelhecke oben unter dem Dach, die möchte er gern, von wegen
des
lästigen Treppensteigens, nach unter verlegen, aber das Viehzeug, um es
einzufangen, sei gar zu flüchtig für ihn, und da wär ich mit
meinem Netz
grad recht gekommen.
Ich
stieg voran die Treppe hinauf. Er ließ sich nachschleppen, indem er
meine Frackschöße
erfasste, und es wundert mich nur, dass dieselben bei der Gelegenheit
nicht
ausgerupft und entwurzelt sind. Trotzdem, als wir die Dachkammer
erreichten,
musste ich ihm erst lange den Rücken klopfen, bis er wieder zu Atem
kam; so
dick war der Kerl.
Mit
Leichtigkeit, vermittelst meines Netzes, erhascht ich sämtliche Vögel,
es
mochten ihrer zwanzig bis dreißig sein und steckte sie in einen Beutel,
den ich
auf einem Stuhl niederlegte. Nur ein altes, schlaues Weibchen konnt ich
noch
immer nicht kriegen.
Der
Dicke, der starr und träge zugesehn wie ich so
herumfuchtelte, mochte davon wohl etwas schwindlig und müde geworden
sein. Mit
dem Seufzer "achja!" ließ er sich in voller Sitzbreite auf den Stuhl
niedersinken, wo der Beutel drauf lag. Keinen Ton gaben sie von sich,
die armen
Vöglein. Er merkte auch nichts, sondern saß friedlich da mit
geschlossenen
Augen, und als ich ihm ängstlich mitteilte, dass fast sein ganzer
Singverein
unter ihm läge, sprach er langsam und seelenruhig:
"Dann
pfeifen's nimmer, das weiß ich gewiss!"
"Na!"
rief ich. "So bleibt meinetwegen sitzen bis Ostern übers
Jahr. Wünsch angenehme Ruh!"
Das
alte Kanarienweibchen hatte sich ihm frech auf den Kopf gesetzt und
pickte
an dem Quart seiner Zipfelmütze. So verließ ich die Zwei.