Geschichten- Max Dauthendey
Die acht Gesichter am Biwasee
Die
Segelboote von
Yabase im Abend heimkehren
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Hanakes
Diener sehen vom
Fenster, daß das Boot, in dem die Herrin fortfuhr, draußen nicht weit
vom Ufer
steuerlos im Kreise treibt und das ein anderes Boot aus dem Schilf
heraus die
Seewölbung ersteigt und hinter dem Wasser verschwindet. Ein paar der
Diener
schwimmen hinaus und bringen das Boot mit der ohnmächtigen Hanake an
den
Landungssteg.
Zur
gleichen Stunde wie am
vorhergehenden Abend liegt Hanake ohnmächtig in dem Zimmer, das auf den
See
geht, bei derselben Kerze, die gestern brannte, sitzt ihre
Lieblingsmagd, die
Singende Seemuschel, und wartet auf das Erwachen ihrer Herrin.
Als
diese gar nicht zu sich
kommen will, kommt die Magd auf den Einfall, den grauen Papagei zu
holen, der
von den drei Sätzen immer nur den einen gelernt hat: Ich liebe dich.
Als die
den Vogel neben die Kerze in das Gemach bringt, schreit er sofort: „Ich
liebe
dich!“ Da zuckt das Gesicht der ohnmächtigen Hanake zusammen, als habe
ihr
einer einen unendlichen Schmerz angetan. Ihre Lippen seufzen tief auf,
ihr
Gesicht verändert die Farbe und wird wie Asche im Aschentopf, der neben
der
Kerze steht.
Die
Magd beugt sich
erschrocken über ihre Herrin, und wie sie noch zweifelt: Ist das der
Tod, der
Hanake so entfärbt?, da schüttelt der Papagei sein Gefieder, schlägt
mit den
Flügeln um sich und schreit plötzlich und unvermittelt: „Ich töte
dich!“
Die
Singende Seemuschel
starrt entsetzt den Vogel an, dessen großer Schatten vor der Kerze wie
der
Schatten eines mächtigen , schwarzen Segels über die Wände des Gemaches
fliegt.
Die
Magd greift mit beiden
Händen nach dem um sich schlagenden Papagei. Der Vogel schreit zum
zweitenmal:
„Ich töte dich!“ Die Hände der Magd packen das Tier und drücken dem
Papagei den
Hals zu, damit er nicht zum drittenmal das schauerliche „Ich töte
dich!“
schreien kann. Der Vogel verdreht seine Augen, läßt mit einem Ruck die
Flügel
schlaff hängen, spreizt die Krallen und hängt als lebloser Vogelbalg in
den
Händen der Magd.
Hanake
schlägt die Augen auf.
Die Magd wirft die Vogelleiche auf die Diele und ruft:
„O
Herrin, Ihr kommt wieder! Ihr wart weit
fort!“
Hanake
richtet sich auf,
sitzt auf der Diele und sagt in Gedanken:
„Ich
glaube, ich komme von
den Toten.“
Dann
sprach sie lange nicht
mehr. Sie sah nicht den toten Papagei. Sie weinte nicht über den Tod
ihres
Geliebten. Sie ließ sich von der Magd umkleiden, und als ihr diese ein
Hauskleid bringen wollte, sagte sie, und ihre Augen sahen durchdringend
durch
die geschlossenen Wände des Hauses:
„Ich
sehe im Abend Boote
von Yabase kommen. Ich sehe, man bringt mir ein rotes Scharlachkleid,
wie es
die Hofdamen tragen. Aber die hundert Segel, die jetzt von Yabase
kommen,
zeigen in den Segelfalten keine Schriftzeichen mehr. Jedes Segel ist
glatt wie
eine leere Hand. Hundert leere Hände kommen in mein Haus.
Bringe
mir ein weißseidenes
Unterkleid, Singende Seemuschel, damit ich das rote Scharlachkleid, das
man
mitbringt, darüber ziehen kann“.
Die
Magd widersprach ihrer
Herrin nicht. Sie öffnete nur ein wenig die Schiebewand nach dem See.
Aber sie
sah keine Lichter von Booten in der Nacht draußen, kein Bootskiel
rauschte im
Wasser, nur das Schilf zischte unten um das Haus und in der Ferne um
den
Landungssteg.
Hanake
ist hellsehend
geworden, dachte die Magd. Dann ging sie durch die Kammern des Hauses
nach den
Wandschränken, wo die Kleider gefaltet in großen Lacktruhen lagen. Und
die eine
Magd erzählte halblaut:
„Wißt
ihr schon, unsere
Männer, die zur Nachtzeit aus Yabase herüberkamen, sagten, man erzählte
sich in
allen Teehäusern, daß der Freund eines kaiserlichen Prinzen von einem
Europäer
auf dem See erschossen worden sei. Der blutige Körper des Toten wurde
in Yabase
auf den Kies gespült, und heimkehrende Boote haben gesehen, wie der
fliehende
Europäer, der Wildenten im Schilf gejagt hat, durch einen Fehlschuß den
Freund
des Prinzen tötete. Der Prinz selbst kam dann an das Ufer, wo die
Leiche seines
Freundes lag. Der Prinz hat seinen Freund lange angesehen, aber nicht
geweint,
sagen die Leute. Er hat gefragt, ob in der Nacht noch jemand über den
See
fährt; und als er hörte, daß unsere Männer noch über den See fuhren,
sandte er
eine kleine Kleidertruhe und ließ sie in das Boot unserer Männer
stellen. Die
Truhe ist für Hanake.
Morgen, ehe die Sonne am Mittag steht, wird der
Prinz zu
Hanake kommen, sagte ein kaiserlicher Diener heimlich zu unsern
Männern.“
„In
der Truhe ist ein rotes
Scharlachkleid für Hanake,“ sagte die Singende Seemuschel zu den
Mägden.
„Woher
weißt du das?“
fragten beide Mägde erstaunt. „Niemand durfte bis jetzt in die Truhe
sehen.“
„Wir
wissen das bestimmt,“ nickte die Gefragte.
Sie
nahm das weißseidene
Unterkleid über den Arm und schickte die Mägde in die Küche. –
Am
nächsten Tag um die
Mittagsstunde kam ein Segel auf Hanakes Haus zu,
Die
Singende Seemuschel
sagte zu Hanake, die im Purpurkleid auf der Altane saß und weiß und
rosa
geschminkt war, so dick gepudert und geschminkt, als verberge sie das
Gesicht
hinter einer rot und weißen Maske:
„Das
ist nicht der Prinz,
der da kommt. Denn ich sehe nur ein Segel, Herrin, und Ihr sagtet
gestern nacht
voraus, es würden hundert Segel kommen.
Alles, was Ihr sagtet, als Ihr von den Toten erwachtet, ist
eingetroffen. Wenn
aber der Prinz nur in einem Boot kommt, dann habt Ihr Euch geirrt, weil
Ihr von
hundert Booten redetet.“
„Schweig
und empfange den
Prinzen,“ sagte Haneke mit einer fast männlichen Stimme, die die Magd
nie an
ihr gehört hatte. „Geh mit allen Mägden und allen Dienern dem Prinzen
zur
Landungsbrücke entgegen, denn ich kann noch nicht gehen, meine Füße
zittern
noch. Ich kann den Prinzen nur hier im Hause empfangen.
Als
ich im Tode lag unter
den Toten, aber mit meinem Geliebten nicht vereinigt war, fragte meine
Seele
alle Toten:
‚Was
habe ich getan, daß
ich meinen Geliebten nicht unter den Toten finde?‘
‚Du
hast noch dem Leben
verweigerten Gehorsam zu geben‘ sagten die Toten, und ich erwachte
wieder.
Ich
weiß es, ich habe
gefrevelt. Ich habe meinen Leib einem Prinzen, einem Sohn des Himmels,
entziehen wollen und habe einen andern Mann umarmt. Aber der Geliebte
konnte
meinen Leib nicht mit in den Tod nehmen, weil ich erst lernen mußte,
dem Leben
zu gehorchen.“
Die
Magd weinte über
Hanakes Worte. Aber Hanake verbot es ihr und sagte:
„Wir
wollen nicht neuen Ungehorsam auf dies Haus laden. Ich darf nicht
weinen,
wenn ich auch bis an die Augen voll Trauer bin. Meine Füße aber
zittern, und
ich kann dem Prinzen nicht entgegen gehen. Ich kann meine Füße noch
nicht zum
Gehorsam zwingen.
Wenn
der Prinz dich fragt:
‚Wo ist Hanake?‘, sage, und laß dir nichts merken, sage: ‘Verzeihung,
Sohn des
Himmels, meine Herrin trauert um ihren toten Lieblingspapagei. Aber
wenn meine
Herrin des Prinzen Angesicht sieht, wird ihre Trauer zur Freude werden
und
doppelt glänzen, wie dein weißes Segelboot, o Herr, im Biwasee.‘“ –
Und
wie der Schiller auf
starrem, polierten Porzellan glänzte Hanake bis zum Abend, so lange der
Prinz
in ihrem Hause war und mit ihre spielte. Und auch als sie ihr
Scharlachkleid
öffnete und ihren kleinen weißgepuderten Leib nackt in die Arme des
Prinzen
legte, sang sie Lieder und zwitscherte mit den Lippen. . .
Der
Prinz sagte am Abend:
„Dein
Leib ist mir lieb,
weil er kühl ist wie die Schneeflocken und mich aufweckt wie die Kälte
am
Wintermorgen.
Und
nun singe mir noch zum
Abschied das Lied vom Biwasee, das nur auf weiße Seide geschrieben
werden
darf.“
Die
Singende Seemuschel saß
hinter der Papierwand im Nebenzimmer, wo sie die Gitarre spielten
mußte, so
lange der Prinz die nackte Hanake umarmte. Aber als die treue Magd
hörte, daß
der Prinz das Lied von ihrer Herrin verlangte, das nur eine
sehnsüchtige
Liebende singen darf, da konnte sie sich nicht mehr des Schluchzens
erwehren.
Und während die Hände der Singenden Seemuschel auf der Gitarre
spielten,
wimmerte ihre schluchzende Brust.
Hanake,
die in ihr
Scharlachkleid schlüpfte, raschelte mit der Seide, damit der Prinz das
Wimmern
der Magd nicht höre. Dann sollt sie singen. Aber der Prinz fragte, ehe
sie
begann:
„Weint
jemand hinter den
Wand?“
„O
nein,“ lächelte Hanake,
„das sind nur Brieftauben, die ich in einem Käfig halte, und ihre
Kröpfe
glucksen, weil sie zu viel gefüttert wurden.“
„Singe
jetzt!“ sagte der
Prinz.
Das
Wimmern hinter der
Papierwand verstummte, und Hanake sang das Lied.
Auf
dem See steht ein weißes segelndes Boot.
Mein
Herz, mein leises,
Mein
Auge, mein heißes, -
Die
Menschen, die einsam
sind,
Sind
wie die Boote von Yabase,
Die
blaß hintreiben im Abendwind.
Hanake
hatte während des
Singens ihren Kopf in den Schoß des Prinzen gelegt und mit offenen
Augen zur
Decke gestarrt. Ihr Körper war in derselben Stellung wie an jenem Abend
auf dem
Biwasee im Boot, als sie mit dem Kopf im Schoß ihres Geliebten gelegen.
Plötzlich
fährt Hanake, wie
von einem Schuß getroffen, auf. Sie wirft die Arme in die Luft und
fällt ohne
Aufschrei auf die Diele, wo sie in tiefer Ohnmacht liegen bleibt.
Der
Prinz wird blaß. Auf
seinen Ruf kommt die Magd hinter der Papierwand vor. Der Prinz sieht
die
verweinten Augen derselben und denkt, daß Magd und Herrin wirklich in
Trauer
seien über den toten Papagei. Er ist erstaunt darüber und sagt: „Deine
Herrin
ist noch schwach von Trauer über ihren toten Papagei. Pflege deine
Herrin; und
wenn sie aufwacht, sage ihr, ich käme morgen abend und hundertmal
wieder.“
Die
Magd verneigte sich vor
dem Prinzen, sie verbirgt ihre verweinten Augen und lügt:
„Sohn
des Himmels, verzeiht
meiner Herrin! Aber der Tod ihres Papageis ging ihr nicht so sehr zu
Herzen wie
jetzt der Abschied von Euch. Die Trauer darüber hat sie gleich einer
Ohnmacht
überfallen.“ –
Als
Hanake wieder zu sich
kommt, sieht sie fern im Abend über dem Biwasee das verschwindende
Segel des
kaiserlichen Bootes, und das Kielwasser treibt eine lange schwarzlinige
Welle von der Mitte des Sees bis an Hanakes Haus.
Hanake
murmelt: „Die Magd
sagt: hundertmal wird er wiederkommen! Ich will lieber
h u n d e r t
verschiedene Männer umarmen, ihr Götter! Erlaßt es mir, e i n e m Mann
Liebe
heucheln zu müssen h u n d e r t m a l hintereinander. Ich schwöre
euch: ich
will mich lieber auf dem Liebesmarkt zu Tokio hingeben, wo fünftausend
Mädchen
sich jede Nacht einem andern Mann anbieten. Aber erlaßt mir, o Götter,
die Qual
und bindet mich nicht hundert Nächte an den einen Mann, der sich
einredet, daß
ich ihn liebe.“
Die
untergehende Sonne
schminkte den Himmel wie das Gesicht eines Freudenmädchens. Karminrosig
und
violett silbrig färbten sich alle Wolken über dem Biwasee, wie die
fünftausend
Mädchengesichter auf dem Liebesmarkt zu Tokio.
Dann
hörte Hanake lautes
Gelächter, laute Männer- und Frauenstimmen, das Räderrasseln von
kleinen
Rikschawagen und das Geschrei von Kulis. Eine Schar ihrer Freunde und
Freundinnen war in Wagen und Tragsesseln von der Landstraße hergekommen
und
rief jetzt von draußen ins Haus nach Hanake. Dann drängten die
Gesichter ihrer
Freunde und Freundinnen in das Nebenzimmer, und Hanakes Gesicht wurde
wieder
höflich und freundlich und unbeschrieben wie eine weiße Eierschale.
Sie
warf noch rasch einen
Blick aus dem Fenster. Das Segel des kaiserlichen Bootes war hinter der
Seehöhe
verschwunden. Der See lag gradlinig, und nur wie eine kleine schwarze
Schnur
zog sich am Horizont das Kielwasser des verschwundenen Bootes hin. Die
Kielwelle erreichte nicht mehr Hanakes Haus und verlor sich wie ein
abgerissenes Band draußen auf der Seefläche.
Hanakes
Herz war leichter.
Sie trat aus dem Seegemach in das nebenanliegende Gemach, in das die
Freunde
hereindrängten. Das Haus war jetzt voll von zwitschernden Frauenstimmen
und
gurgelnden Männerkehlen, die Atem auf japanische Sitte laut und
achtungsbezeugend einzogen.
Nachdem
alle eine Weile
voreinander auf den Knien gelegen hatten und sich verbeugt hatten,
rutschten
alle zusammen, bildeten einen Halbkreis um Hanake und hockten auf den
Seidenkissen am Boden, und das Zimmer war laut wie ein Baum, in dem
eine
Sperlingschar plaudert.
Gerüchte,
daß ein
kaiserlicher Prinz sich nach Hanake umsähe, hatten sich bei den
Freunden
verbreitet; aber niemand wußte Genaues, und niemand wußte vom Besuch
des
Prinzen. Alle waren des Mordes wegen gekommen, der sich auf dem See in
der Nähe
von Hanakes Haus ereignet haben sollte. Sie wollten wissen, ob Hanake
den Schuß
gehört habe? Ob der Europäer fehlgeschossen oder auf den Japaner
gezielt habe?
Ob Hanake damals am Fenster gestanden habe? Und ob nach dem Schuß das
Seewasser
rot von Blut gewesen sei? –
Hanakes
Gesicht verlor
keinen Augenblick die starre Politur. Die Magd hatte ihr als sie aus
der
Ohnmacht aufgewacht war, das Scharlachgewand ausgezogen und ihr ein
blaues
Gewand gereicht, auf dem nur Seewellen und Wolken eingewebt waren, und
hatte
die Schminke und den Puder erneuert und den klingenden Haarschmuck in
ihrem
Haar fester gesteckt, als man das Herannahen der Freunde hörte.
Jetzt
reichten die Singende
Seemuschel und die anderen Mägde den Gästen Tee und Pfefferminzzucker
herum und
kleine, winzige Kuchenwürfel.
Als
die Schar der Fragen
sich wie eine Dornenhecke um Hanake aufbaute, suchte die Singende
Seemuschel
nach einem rettenden Gedanken, um ihrer Herrin zu helfen. Sie lief
fort, holte
den toten Papagei, kam wehklagend herein und sagte:
„Ach,
Herrin, seht, der
Papagei liegt im Sterben!“
Aber
wie war sie verblüfft,
als Hanake sie abwies und lächelnd zu den Gästen sagte:
„Ich
glaube, meine Magd ist irrsinnig geworden von der Ehre, die uns heute
widerfuhr. Sie zeigt mir den Papagei, der seit gestern tot ist, und der
uns
heute schon helfen mußte, einen kaiserlichen Prinzen zu belügen.“
Im
Zimmer wurde es still,
wie wenn alle Spatzen aus einem Baum fortgeflogen sind.
Alle
Gäste verstanden, daß
der Prinz dagewesen war, alle verstanden, daß Hanake ihn nicht liebte;
und daß
man einen Prinzen belügen könnte, war ihnen auch noch verständlich.
Aber welch
ein Frevel, laut über den Sohn des Himmels zu spotten und
einzugestehen, daß
man ihn belogen hatte!
Als
wären allen Gästen die
Teetassen aus den Händen gefallen, und als wäre der Tee vergossen, so
erschrocken saßen alle und starr. Keiner rührte mehr einen Teeschluck
an. Und
als Hanake mit kalten, glitzernden Augen sagte:
„Der
Prinz wird nicht von
dieser Lüge sterben. Ich bin auch nicht an seiner Liebe gestorben,“ –
da
schlossen die Freundinnen vor Schreck ihre Augen. Die Männer richteten
sich
auf, und wie eine Schar Krebse, die nach rückwärts krabbelt, verließ
die
Freundesschar das Gemach, teils aus Furcht, weil in diesen Haus gegen
den Sohn des
Himmels gefrevelt wurde, teils erschrocken vor Hochachtung, weil die
Luft hier
noch voll sein mußte von der Leidenschaft und der Nähe des kaiserlichen
Prinzen.
Unter
kaum hörbar
gewisperten Entschuldigungen verließen die letzten das Haus, bestürzt
und eilfertig,
als wären die Zimmer des Hauses voll Feuer, das sie alle verbrennen
könnte.
Hanake
aber ließ das Zimmer
aufräumen, ließ sich von der Singenden Seemuschel eine Schlummerrolle
unter das
Genick schieben, streckte sich auf der Diele aus und schlief fest ein.
Am
nächsten Abend erschien
ein Segel auf der Seehöhe. Es kam wie ein selbstbewußter Schwan lautlos
auf
Hanakes Haus zugeschwommen. Aber die Landungsbrücke bei dem Hause blieb
leer.
Nur die Köpfe der Schilfblüten bewegten sich und verneigten sich vor
dem
kaiserlichen Boot und vor dem Prinzen, der ans Land stieg.
Die
Papierfenster und die
Bambustüren von Hanakes Haus waren geschlossen und öffneten sich nicht,
als der
Prinz klopfen ließ. Wie eine Laterne ohne Licht lag am See das
gegitterte
Holzhaus mit den weißen Papierscheiben. Ein vorüberfahrender Schiffer
in seinem
Boot sagte den Leuten des Prinzen, daß Hanake am Morgen alle ihre
Dienstboten
entlassen habe. Sie habe ihr Haus zugeschlossen und sei nur mit einer
Magd auf
ihrem Segelboot in den See hinausgefahren; aber niemand wußte, wohin
die Fahrt
gegangen.
Das
kaiserliche Boot
kreuzte die ganze Nacht auf der Seefläche in der Nähe von Hanakes Haus.
Aber
die Papierfenster des Hauses blieben dunkel, und das lautlose
kaiserliche Boot
verschwand gegen Morgen hinter der Seehöhe.
Am
nächsten Abend kamen
hundert kaiserliche Segelboote von Yabase. Sie kamen an wie hundert
weiße
Fächer, die sich über den See spannten. Sie kreuzten über den ganzen
Biwasee,
während der ganzen Nacht, von Ozu bis Yabase, von Karasaki bis Katata,
von Seta
bis Awazu. Und als leuchteten sie in die Unterwelt des Sees, so zogen
sie die
hellen Scheinbilder der hundert weißen Segel durch die Seetiefe nach
sich.
Die
nächsten Abende
wiederholte sich das Schauspiel der hundert Segelboote, die Hanake
suchen
sollten, und die sich durch den Seenebel verteilten wie hundert weiße
Seidenspinnerschmetterlinge, die in einem grauen, riesigen
Spinnenwebnetz
hängen geblieben wären. –
oben
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Textgrundlage: "Die
Segelboote von Yabse im Abend heimkehren sehen",
aus: Die acht Gesichter am
Biwasee, Japanische Liebesgeschichten,
Max Dauthendey Albert Langen, München
1932, 37. bis 40. Tausend,
Copyright 1911 by Albert Langen, Munich, Printed in
Germany
Digitale
Sammlung der Universität
zu Köln
Logo 519:
“Sketch”,
Kawanabe Kyosai (1831-1889),
19.
JH, Standort: Brooklyn Museum, Asien Art
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gemeinfrei
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