Geschichten
Aus dem Märchenbuch
der Wahrheit
Fritz
Mauthner
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Sancho
Pansa
Don
Quichote, der edelste der Menschen, war gestorben, ein Märtyrer seines
tapferen und guten Glaubens. Sancho Pansa aber, weil er klug und gemein
war, blieb am Leben, und Sancho Pansa wurde der Erbe Don Quichotes.
Als
nun Don Quichote, der edelste der Menschen, begraben war, weinte um ihn
Sancho Pansa eine ehrliche Träne; dann sann er nach in seinem dicken
Schädel, wie er Nutzen ziehen könnte aus dem Erbe seines Herrn.
Zuerst
veranstaltete er eine Versteigerung, in welcher die Rüstungsstücke, die
Lanze und der Helm des Ritters zu kaufen waren. Und weil sehr viele
Leute lebten, welche zu dem Märtyrer Don Quichote als wie zu ihrem
himmlischen Wohltäter aufblickten, so hatte Sancho Pansa aus den
Gewandstücken einen guten Erlös. Das verleitete ihn freilich, eine
ganze Handlung von alten Kleidern und altem Eisen aufzukaufen und all
die Lumpen und die zerbrochenen Lanzen als echte Reliquien Don
Quichotes von Zeit zu Zeit auszuwürfeln. Den glücklichen Gewinnern
machte die Fälschung nichts. Denn sie schrieben den armen
Habseligkeiten des edlen Ritters wunderbare Kräfte zu; das morsche Zeug
aus dem Trödelgeschäft aber war um nichts weniger wirksam als die
echten Waffen.
Da
Sancho Pansa nun sah, daß man seinen guten Herrn als wie einen
Wundertäter verehrte, war er nicht dumm und gründete daraufhin eine
große Heilanstalt in derselben Gebirgswüste und an derselben Stelle, wo
der edle Don Quichote einst auf dem Kopf gestanden hatte.
Er
versandte lange Briefe an alle Kranken und Bresthaften Spaniens und
versprach ihnen schnelle Genesung, wenn sie in seine Heilanstalt kämen
nach der Wüste, fleißig beteten und Geld mitbrächten. Die Kraft der
Heilung sei an den geweihten Boden gebunden, außerdem besitze er, der
Direktor der Heilanstalt, noch die allerwirksamsten Reliquien: die vier
Hufe des Rosinante. Nur die vier Hufeisen hätte er verkauft und sich
mit Gold aufwiegen lassen. Die vier Hufe aber seien gut gegen Pest und
Aussatz, gegen Fluß und die fallende Sucht, besonders aber gegen die
übrigen Krankheiten.
Durch
solche Klugheit wurde Sancho Pansa dermaßen reich, daß er seiner
geringen Herkunft vergaß. Er sprach von seinem edlen Ritter nicht mehr
als wie von seinem Herrn, sondern mehr wie von seinem Dienstknecht. Er
fing an, sich wie ein Fürst zu kleiden und trank zur Erinnerungsfeier
an Don Quichote nur noch aus goldenen Bechern.
Da
ereignete es sich, daß ein schwarzer Handelsmann aus Afrika die
Grabstätte Don Quichotes erwarb und dort eine noch viel größere
Heilanstalt aufmachte. Und den Kranken aller Weltteile Genesung
versprach durch den Zauber der Knochen Don Quichotes. Nun wurde Sancho
Pansa wild, so dick er schon geworden war. Er gürtete sein
Schlächtermesser, und es begann eine jahrelange Rauferei um das Grab
Don Quichotes. Bei diesen Unruhen verloren sowohl Sancho Pansa als der
schwarze Handelsmann aus Afrika viel von ihrem Vermögen. Da kamen beide
eines Abends heimlich zusammen und trafen eine Verabredung. Die
Rauferei sollte weitergehen, aber zu ihrem Nutzen. Auf jeder Seite des
Grabes baute einer von ihnen ein Wirtshaus und verkaufte seinen
rauflustigen Parteigenossen schlechte Getränke.
Durch
solche Klugheit wurde Sancho Pansa immer nur noch reicher und dicker.
Er faßte den Entschluß, sich Spanien anzueignen. War er schon einmal
Statthalter einer Insul gewesen, so hoffte er auch als König gut zu
bestehen. Er warb mit seinem Golde Tausende von Knechten, welche runde
Schädel hatten wie er, Esel regieren konnten wie er, und sich wie er
auf das Braten von Gänsen verstanden. Da hatte er eine gute Wahl
getroffen. Mit ihren runden Schädeln rannten sie die Leute mit den
hohen Stirnen über den Haufen, die Esel regierten sie vortrefflich, und
zum Braten gab ihnen Sancho seine Feinde. Durch solche Klugheit wurde
er am Ende mächtiger als der König von Spanien.
Bald
nach diesen Erfolgen stellte es sich heraus, daß auch unter seinen
Gefährten einige ehrliche Leute waren, die über seinem Triumph den
edlen Don Quichote nicht vergessen hatten. Die rotteten sich zusammen
und stellten eine neue Lehre auf. Don Quichote habe keinen runden
Schädel gehabt, habe es geliebt, ein edles Roß zu regieren und habe
seine Feinde nicht gebraten. Sancho Pansa überlegte nicht lange. Er
trieb die Aufrührer aus seinem Reiche hinaus und machte seine
Anschauung von den Schädeln, den Eseln und der Braterei zum Gesetz, bei
Todesstrafe. Seitdem wurde in Spanien der Name Don Quichote kaum mehr
genannt.
Sancho
Pansa geht jetzt mit dem Plane um, sich aus eigener Machtfülle zum
Sohne des edlen Ritters zu ernennen und seine eigenen Sanchokleider,
seine eigenen Sanchoknochen und die Hufe seines eigenen Esels für
wundertätig zu erklären.
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