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Literatur





 







Geschichten
Aus dem Märchenbuch
der Wahrheit

Fritz Mauthner
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 Die Spielerin

Es war einmal eine sanfte Königin, die sollte geköpft werden. Als sie von ihrem Töchterchen Abschied nahm, schrie die kleine Prinzessin, Mama solle nicht sterben, Mama solle sich nicht köpfen lassen.

„Ängstige dich nicht, mein Kind,“ sagte die gute Königin, „das ist ja alles nur zum Spaß. Weißt du, wie auf dem Theater. Sie werden mir ein schwarzes Kleid anziehen, der Henker wird das Beil erheben, und die Zuschauer werden alle glauben, ich sei hingerichtet. Wie auf dem Theater. In Wirklichkeit aber geschieht gar nichts.“

Wenn alles nur ein Spaß ist, Mama, warum weinst du dann?“
„Ich weine, mein Kind, weil du niemals eine Königin werden wirst.“
„Warum denn nicht, Mama?“
„Weil es keine Könige mehr gibt. Es ist alles nur ein abgekartetes Spiel. Die einen spielen Zauberer, die anderen spielen Könige, es gibt aber keine wirklichen Zauberer und Könige mehr.“

Die Königin wurde geköpft, und die kleine Prinzessin wartete acht Tage lang auf die Rückkehr der Mutter.
Dann fand sie neue Kameraden und vergaß ihr früheres Leben. Sie spielte Schülerin und spielte Puppenmütterchen. Später spielte sie junge Dame. Als sie aber groß genug war, ging sie zum richtigen Theater und spielte nach der Kunst tragische Rollen in schöner Sprache. Man lobte sie immer, wenn sie unglückliche Gräfinnen gab.

Sie wußte oft nicht, wovon sie ihre Gräfinnenkleider bezahlen sollte. Da heiratete sie einen reichen Zauberer mit dem Beinamen Trüffelschwein. Er war natürlich kein Zauberer, sondern ein Taschenspieler. Er gab vor, aus Schmutz Gold machen zu können. Aber sein Gold hatte er immer aus fremden Taschen geholt. Seine Zauberei war nur, daß er sich dabei wirklich die Hände schmutzig machte. Den Beinamen Trüffelschwein hatte er nicht davon bekommen, weil er etwa Trüffeln auszufinden verstanden hätte. Vielmehr davon, daß er Trüffeln fraß, wie ein Schwein Kartoffelschalen.

Die Ehe mit dem Zauberer war für die spielende Prinzessin mit manchem Opfer verbunden. Denn es lag ein Fluch auf ihm, daß er nicht nach Trüffeln roch, sondern nach dem Schweinestall. Und wenn er Ananas gegessen hatte, so roch er nach dem Mistbeet. Und nach dem Genuß von Champignons stank er wie  Pferdedung.

Trotzdem fand die Spielerin das Leben an seiner Seite ganz erträglich. Er zahlte ihre Theaterkleider und warf es ihr nur selten vor. Sie mochte allen Grund haben, mit dem Trüffelschwein zufrieden zu sein. Denn ihre Bekannten beneideten das Ehepaar: sie um das dicke reiche Trüffelschwein, und ihn um die schöne Gräfin. So ließen sie sich oft Arm in Arm auf dem Marktplatz sehen.

Eines Tages kam ein richtiger König aus fernem Land zu der Spielerin. Sie gewannen einander lieb. Der König sagte zu ihr königliche Worte, und das gefiel ihr. Da sie aber immer noch glaubte, es gäbe keine wirklichen Könige, so hielt sie ihn für einen Spieler und seine Reden für Lernerei. Wenn er davon sprach, sie neben sich auf den Thron zu setzen, ein Diadem auf ihr seidenweiches, schwarzes Haar zu drücken und sie seinem Volk als Königin zu zeigen, so schloß sie wohl die Augen und lächelte zufrieden. Aber sie glaubte ihm eigentlich nicht.

Wenn sie recht verliebt in ihn war, borgte sie sich von einem Kollegen eine Krone von Goldpapier und einen Mantel von falschem Hermelin und schmückte damit den wirklichen König. Dann liebten sie einander.

Als ihre Liebe den höchsten Grad erreicht hatte, sagte der König eines Tages:
„Nun kommst du mit mir.“
Die Spielerin schloß die Augen und träumte von einer Hochzeitsreise nach den italienischen Seen. Wenn man in Wirklichkeit auch nur ein Stündchen spazieren fuhr, um die Stadt herum, es war doch hübsch von ihrem Geliebten, daß er den König so gut spielte und so schönte Worte brauchte.

Der König aber kaufte dem Zauberer das Weib ab, für einen großen Sack Trüffeln. Dann hob er die erschreckte Spielerin in einen prächtigen Reisewagen, dem waren vier Rappen vorgespannt. Tagelang ging die Fahrt nach dem fernen Lande des Königs.

Dort sprach er:
„Jetzt hat das Spiel ein Ende. Du sollst mich in meinem eigenen Reiche sehen bei meiner Königsarbeit.“
„Wo hast du denn die Krone und den Mantel?“ fragte die Spielerin ängstlich.
„Ich spiele nicht Theater!“ sagte er ernst. „Ich bin ein wirklicher König!“

Und er setzte sich hin an einen festen grünen Tisch und schrieb seinen Namen auf hundert Blätter.
„Was tust du?“ fragte die Spielerin.
„Ich baue Wege und Brücken. Ich weise Flüssen ihren Weg. Ich schließe Bündnisse und ich bestrafe Verbrechen.“

Da ging die Spielerin leise auf ihr Zimmer und schrieb einen Brief an ihren Mann.

„Mein lieber guter Mann“ Ich habe mit ihn eine schöne Hochzeitsreise gemacht, aber nicht an die italienischen Seen, sondern in ein kaltes Land, das er sein Königreich nennt. Ich bin entschlossen, zu dir zurückzukehren.
Weißt du, mein liebes Trüffelschweinchen, er ist nämlich verrückt. Er hält sich für einen wirklichen König und spricht die reine Prosa. Du bildest dir wenigstens nicht ein, daß du ein Zauberer seist. Ich habe dich lieb.“

Als der wirkliche König nach einigen Stunden von seinen Königsarbeiten aufstand, war ihm die Spielerin schon davongelaufen.


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