Geschichten
Kurt
Tucholsky
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Im
Departement du Gard – ganz richtig, da, wo Nîmes liegt und der Pont du
Gard: im
südlichen Frankreich – da saß in einem Postbureau ein älteres Fräulein
als
Beamtin, die hatte eine böse Angewohnheit: sie machte ein bisschen die
Briefe
auf und las sie. Das wusste alle Welt. Aber wie das so in Frankreich
geht:
Concierge, Telefon und Post, das sind geheiligte Institutionen, und
daran kann
man schon rühren, aber daran darf man nicht rühren, und so tut es denn
auch
keiner.
Das
Fräulein also las die Briefe und bereitete mit ihren Indiskretionen den
Leuten
manchen Kummer.
Im
Departement wohnte auf einem schönen Schlosse ein kluger Graf. Grafen
sind
manchmal klug, in Frankreich. Und dieser Graf tat eines Tages folgendes:
Er
bestellte sich einen Gerichtsvollzieher auf das Schloss und schrieb in
seiner
Gegenwart an einen Freund:
Lieber
Freund!
Da
ich weiß, dass das Postfräulein Emilie Dupont dauernd unsre Briefe
öffnet und
sie liest, weil sie vor lauter Neugier platzt, so sende ich Dir
anliegend, um
ihr einmal das Handwerk zu legen, einen lebendigen Floh.
Mit
vielen schönen Grüßen
Graf
Koks
Und
diesen Brief verschloss er in Gegenwart des Gerichtsvollziehers. Er
legte aber
keinen Floh hinein.
Als
der Brief ankam, war einer drin.
Peter
Panter
oben
Der
fromme Angler
Bei Ascona im Tessinischen
lebt ein Mann, der hat es mit der Frömmigkeit und liebt die Lebewesen
und
alles, was da kreucht und fleucht. Gut. Nun angelt der Mann aber sehr
gern. Und
da sitzt er denn so manchmal am Lago Maggiore und lässt die Beine
baumeln, hält
die Angelrute fest und sieht ins Wasser. Und dabei betet er.
Er betet nämlich: es möge
kein Fisch anbeißen. Weil sich doch Fische immer so quälen müssen, wenn
sie am
Angelhaken zappeln, und das möchte der Mann nicht, und da sendet er
denn ein
heißes Gebet nach dem anderen zum lieben Gott, Abteilung: Lago
Maggiore-Fische,
es solle auch gewiss keiner bei ihm anbeißen. Und dann angelt er weiter.
O meine Lieben! Ist dieser
Mann nicht so recht eine Allegorie, ja, ein Symbol? Das ist er. Dieser
Mann
muss entweder ein alter Jude sein, oder – verschärfter Fall des
Judentums – er
ist bei den Jesuiten in die Lehre gegangen. Er hat das höchste
erreicht, was
Menschen erreichen können: er hat die himmlischen Ideale mit seinen
sündigen
Trieben zu vereinen gewusst, und das will gekonnt sein. Den Fischen,
die da bei
ihm zappeln, wird das ja gleich sein; [aber ihm ist es
nicht gleich, denn er hat nun beides: die Fische und die Seelenruhe.
Schluss, allgemeiner
Ausblick:
Da sitzen sie am Ufer des
Lebens … oder am Meere des Lebens, das ist eigentlich noch schöner … da
sitzen
sie am Meere des Lebens und baumeln mit den Beinen und halten die
Angelrute ins
Wasser, um den Erfolg zu fischen. Aber wenn sie schlau sind, dann beten
sie
dazu und sind: Fromme Huren; soziale Bankdirektoren; demokratische
Militärs und
privatest die Wahrheit liebende Journalisten. Sie angeln und sie beten.
Peter
Panter
oben
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