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Literatur


04.3


Geschichten
Stefan Zweig

Die Liebe der Erika Ewald





Die Liebe der Erika Ewald
Seite 3


Der Sonntagmorgen war ein wenig trübe und melancholisch gewesen. Ein schwerer Frühnebel legte sein dichtmaschiges graues Netz über die Stadt und ließ wie durch feine Ritzen ein leises Regenstieben auf die Straße niederzittern. Aber bald begann es in dem dunklen Netz zu funkeln, als ob sich eine schwere goldene Königskrone darin gefangen hätte, die immer schimmernder und heller wurde. Und schließlich zerriß das trübe Gewebe unter der lichten Last, und eine frische Frühlingssonne leuchtete herab und spiegelte tausendfältig ihr junges Antlitz in den blanken Scheiben und nassen Dächern, in den glitzernden Wassertümpeln, den sanft erglühenden Kirchturmkuppeln und in den heiteren Blicken der auslugenden Leute.
 

Nachmittags war schon helles Sonntagstreiben in den Straßen. Die vorüberrasselnden Wagen klapperten eine frohe Melodie, aber die Spatzen wollten noch lauter sein und schrieen um die Wette von den Telegraphendrähten herab, und dazwischen schrillten die Signale der Straßenbahn in hellem Durcheinander. Eine breite Menschenflut drängte sich auf den Hauptstraßen gegen die Peripherie zu wie ein dunkles Meer, aber ein lichtes schimmerndes Blitzen war darin von weißen Frühlingskleidern und hellen Farben, die sich zum ersten Male wieder ins Freie wagten. Und über dem allen lag Sonne, eine warme, lichtflutende Frühlingssonne mit einem blinkenden Leuchten.

Erika freute sich im Dahinschreiten, wie leicht und beseligt sie an seinem Arm ging. Am liebsten hätte sie getanzt oder getollt wie ein Kind. Und ganz kindlich und mädchenhaft war sie in ihrem einfachen glatten Kleide und dem aufgesteckten Haar, das sonst tief und schwer wie eine wetterschwere Wolke über der Stirne drohte. Und ihr Übermut war so überquellend und echt, daß er auch seinen Ernst bald ins Wanken brachte.

Sie hatten ihren ursprünglichen Beschluß, in den Prater zu gehen, bald aufgegeben, denn sie fürchteten den grellen stimmenlauten Sonntagstrubel, der in die feierliche Stille des prächtigen Parkes bricht. Ihr Prater, das waren die breiten wohlgepflegten Alleen mit den uralten Kastanienbäumen, die weiten schweifenden Auen, die in dunklen Waldungen enden und die hellen Wiesen, die sich in sattem Glanze sonnen und nichts mehr von der Millionenstadt wissen, die in unmittelbarer Nähe atmet und stöhnt. Aber am Feiertag verliert sich dieser Zauber und verbirgt sich vor den überströmenden Scharen.

Er schlug vor, gegen Döbling zu zugehen, aber weit hinter den eigentlichen netten Ort mit seinen freundlichen weißen Häuschen, die so kokett aus der dunklen Umhüllung schmucker Gärten herausblitzen. Er wußte dort ein paar stille und stimmungsvolle Wege, die durch schmale akazienblütenbeschneite Alleen sanft in die weiten Felder hinüberführen. Und die gingen sie auch heute. Sie kamen in den stillen Ort mit seinem fast ländlichen Sonntagsfrieden, der sie auf ihrem ganzen Spaziergange wie ein milder unfaßbarer Duft begleitete. Manchmal sahen sie sich an und fühlten, wie reich ihr Schweigen war, wie es die ganze selige Empfindung des vollströmenden Frühlings trug und mehrte.

Die Felder waren noch niedrig und grün. Aber der segensschwere Duft der warmen spendenden Erde kam zu ihnen wie ein verheißungsvoller Gruß. Ferne lag der Kahlenberg und der Leopoldsberg mit seinem uralten Kirchlein, von dem die Wand steil abfiel bis zur Donau hinab. Und dazwischen viel reiches Land, meist noch braun und unbestellt und voll gewärtiger Saat. Aber dazwischen schon viereckige Flächen mit gelber werdender Frucht, die sich eckig und unvermittelt vom dunklen Erdreich abhoben, wie abgerissene und zerschlissene Fetzen auf dem gebräunten kraftvollen Körper eines arbeitsharten Werkmannes. Und wie ein blauer Bogen darüber ein heiterer Frühlingshimmel gespannt, in den die flinken Schwalben mit zwitscherndem Jubel hineinsegelten.

Als sie durch eine alte breite Akazienallee kamen, erzählte er ihr, daß dies Beethovens Lieblingsgang gewesen sei, auf dem er im Spazierengehen viele seiner tiefsten Schöpfungen zuerst empfunden habe. Der Name stimmte sie beide ernst und feierlich. Sie dachten an seine Musik, die ihnen ihr Leben in vielen begnadeten Stunden reicher und inniger gemacht hatte. Alles schien ihnen bedeutender und größer, da sie an ihn dachten: sie empfanden die Majestät der Landschaft, deren fröhliche Heiterkeit sie nur vorher geschaut, und der schwere satte Duft der sonneglühenden fruchtschwellenden Erde gab ihnen das geheimste Symbol des Frühlings.

Ihr Weg ging weiter durch die Felder. Erika ließ im Vorübergehen das unreife Korn durch ihre Finger rauschen, aber sie fühlte es gar nicht, wenn ab und zu ein Halm unter ihrer Hand zerknickte. Das Schweigen zwischen ihnen gab ihr seltsame und tiefe Gedanken, in die sie sich träumend verlor. Es waren milde und heimliche Liebesgefühle in ihr erwacht, aber sie dachte nicht an ihn, der ihr zur Seite ging, sondern an alles, das um sie war und lebte, an das Korn, das sich leise im Winde wiegte und an die Menschen, denen es Arbeit und Glück schenkte; sie dachte an die Schwalben, die sich am Himmel hoch verfolgten und an die Stadt, die fern unten in einer grauen Dunstkapuze eingehüllt herüberschaute, sie fühlte wieder die allumfassende Gewalt des Frühlings in sich wie ein Kind, das mit frohen Sprüngen zum ersten Male jubelnd in das mildströmende Sonnenlicht hinausstürmt.

Sie gingen lange in den Wiesen und Feldern. Inzwischen neigte sich der Nachmittag seinem Ende zu. Es war noch nicht Abend, aber das scharfe Licht ging allmählich in eine weiche verhauchende Mattigkeit über, die sein Nahen verkündigte, und in der Luft zitterte ein leiser blaßrosa Ton. Erika war ein wenig müde geworden und, um sich auszurasten und ein wenig auch aus Neugier gingen sie in ein kleines Wirtshaus am Wege, aus dem ihnen fröhliche Stimmen in buntem Durcheinander entgegen klangen. Im Garten setzten sie sich nieder; an den Nachbartischen saßen Familien aus der Vorstadt, bessere Leute mit gemütlichen Mienen und lauten ungezwungenen Stimmen, die den Sonntag nach Wiener Art mit einem Ausflug feierten.

Rückwärts in einer Laube waren ein paar Musikanten, drei oder vier Leute, die am Wochentag in der Stadt bettelnd herumzogen und nur des Sonntags ein Dach über sich hatten. Aber sie spielten die alten abgeleierten Volksweisen recht gut, und wenn sie einen besonders flotten und populären "Schlager" begannen, so fielen bald alle Stimmen ein und sangen die Melodie aus voller Kehle mit. Auch die Frauen stimmten ein, niemand genierte sich, alles war hier Gemütlichkeit und behäbige Zufriedenheit.

Erika lächelte ihm über den Tisch zu, aber ganz verstohlen, daß sich niemand beleidigt fühlte. Ihr gefielen diese schlichten unkomplizierten Leute mit den einfachen Empfindungen und Trieben, die sich nicht verbergen konnten. Und ihr gefiel die behaglich-ländliche Stimmung, die kein fremder Einschlag trübte.

Der Wirt, ein breiter, gutmütiger Mann kam mit jovialem Lächeln zum Tisch her. Er hatte in seinem Gast einen vornehmeren Mann bemerkt, den er selbst bedienen wollte. Er fragte, ob er ihm Wein bringen dürfe, und als das bejaht wurde, erkundigte er sich, ob das Fräulein Braut auch etwas wünsche.

Erika wurde blutrot und wußte ihm im ersten Augenblicke nichts zu antworten. Dann nickte sie nur verwirrt mit dem Kopf. Ihr "Bräutigam" saß gegenüber, und obwohl sie ihn nicht ansah, fühlte sie seinen lächelnden Blick, der sich an ihrer Verwirrung weidete. Sie schämte sich eigentlich, wie ungeschickt sie sich benahm einer naturgemäßen Verwechslung halber, aber sie wurde das peinliche Gefühl nicht mehr los. Und mit einem Male war ihr die Stimmung verdorben, jetzt fühlte sie erst, wie abgehackt und maschinenmäßig die Leute ihre Lieder abdudelten, jetzt erst hörte sie das häßliche Brüllen und Poltern der Bierbässe, die in toller Freude mitjohlten. Am liebsten wäre sie weggegangen.

Aber da begann der Geiger ein paar seltsame Takte. Mit weichen süßen Strichen spielte er einen alten Walzer von Johann Strauß, und die andern stimmten schmiegsam in die weiche, liebe Melodie ein. Erika fühlte wieder erstaunt, was für zwingende Macht die Musik über ihre Seele habe, denn mit einem Male war eine Leichtigkeit in ihr und ein Wiegen und Schweben. Und die Süßigkeit der Melodie ließ sie fremde Versworte mitsingen, ganz leise mitsummen, ohne daß sie es recht wußte. Sie spürte nur, daß wieder alles gut und froh sei, und das Blühen des Frühlings fühlte sie wieder und ihr eigenes tanzendes Herz.

Als der Walzer zu Ende war, stand er auf und ging. Sie folgte ihm gern, denn sie verstand sofort seine Absicht, sich die packende Gewalt der Melodie und ihre sonnige Innigkeit nicht durch einen öden Gassenhauer zerstören zu lassen. Und sie gingen den schönen Weg gegen die Stadt zu wieder zurück.

Die Sonne war schon gesunken, nur hinter den Kanten der Berge, durch die goldumglühten Bäume sickerten feine Lichtbäche von seltsam rosiger Färbung hinab ins Tal. Es war ein wundersamer Anblick. Ein rötliches Leuchten stand am Himmel wie von einem fernen Brande, und tief unten über der Stadt wölbte sich der Dunst in der intensiven Strahlenfärbung wie ein purpurner Ball. Und alle Geräusche verklangen im Abend in sanfter Harmonie: der ferne Gesang von heimkehrenden Ausflüglern, begleitet von einer Harmonika, das immer lauter werdende helle Gezirp der Grillen und das unbestimmte Sausen und Rauschen und Raunen, das in allen Blättern lebte, in allen Ästen wisperte und selbst in der Luft zu surren schien.

Plötzlich, ganz unvermittelt, fielen ein paar Worte von ihm in ihr feierliches, fast andächtiges Schweigen hinein: »Erika, das war doch komisch, wie Sie der Wirt meine Braut nannte.«
Und dann ein Lachen, ein mühseliges gezwungenes Lachen.

Erika fuhr aus ihrer Träumerei. Was wollte er damit? Sie fühlte, daß er ein Gespräch beginnen, erzwingen wollte. Sie hatte Furcht, eine dumme, sinnlose dunkle Angst. Sie gab keine Antwort.

»Nicht, das war doch komisch? Und wie Sie rot geworden sind!«

Sie sah hinüber, um seinen Gesichtsausdruck zu betrachten. Wollte er sie verspotten? – Nein! Er war ganz ernst und sah sie gar nicht an. Er hatte es absichtslos gesagt. Aber er wollte eine Antwort haben. Jetzt fühlte sie erst, wie gezwungen er das gesagt hatte; wie um einen Anfang zu machen. Es war ihr so bange, und sie wußte nicht, warum. Aber etwas mußte sie sagen, er wartete ja darauf.

»Mir war es weniger komisch als peinlich. Ich bin nun einmal so, daß ich Scherze nicht recht verstehen kann.« Sie sagte es hart und abschließend, fast wie gereizt.

Dann stellte sich wieder ein Schweigen zwischen beide. Aber es war keine selige Stille vereinten Genießens mehr, wie früher, kein sympathetisches Ahnen und Erfassen der ungeborenen Empfindung, sondern ein schweres und dunkles Schweigen, das ein Verschweigen war von irgend etwas Drohendem und Drängendem. Und sie hatte plötzlich Angst vor ihrer Liebe, daß sie auch so schmerzhaft und verzehrend werden sollte wie jedes Glück, das ihr begegnet war, wie die wehmütigen und leisen Bücher, über denen sie weinte, und die doch ihr liebstes waren und wie die brennenden Wellen der Tonfluten in Tristan und Isolde, die ihr höchste Seligkeit bedeuteten und sie doch quälten wie ein Schmerz. Das Schweigen drückte sie immer mehr und mehr und wurde wie ein dunkler, schwerer Nebel, der sich schmerzhaft auf ihre Augen legte. Allmählich befreite sie sich erst aus ihrer Bangigkeit. Sie wollte ein Ende machen, ihn klar und offen fragen.

»Mir ist so, als wollten Sie mir etwas verschweigen. Was ist Ihnen?«

Einen Moment blieb er ruhig. Dann sah er sie an mit dunklen, unbeweglichen Augensternen. Er überlegte und sah sie nochmals an, tiefer und sicherer, und seine Stimme klang seltsam voll und melodisch.

»Ich habe es lange nicht gewußt. Seit kurzem weiß ich es erst. Ich – sehne mich nach Ihnen.«

Erika erbebte. Sie hatte die Augen zu Boden gerichtet, aber sie spürte, daß er sie ansehe, tief, fragend, durchdringend. Sie dachte nun an das letzte Mal, wie sie bei ihm war und er sie geküßt hatte. Sie hatte ihm damals nichts gesagt, aber ihr Herz war ungestüm erwacht, sie wußte nicht, ob in Zorn oder Scham. Und das Bangen hatte sie erfaßt, das sie sonst spürte, wenn er so glühende und leidenschaftliche Lieder spielte, jenes selige Grauen mit Abgründen und Seligkeiten ohne Ende. Was sollte jetzt kommen? O Gott, o Gott!. . .  Sie fühlte, daß er weitersprechen würde und sehnte sich danach und fürchtete sich doch. Sie wollte es nicht hören. Sie wollte die Felder sehen, ja, den Abend, den herrlichen Abend. Nur nichts hören, nichts hören. Nur die Stadt ansehen mit ihrem dunklen Nebel, die Stadt und die Felder. Und die Wolken da oben. . . . Die Wolken, wie sie rasch am Himmel segelten! Ganz wenige waren noch oben. Eins ... zwei ... drei ... vier . . . fünf . . . ja fünf Wolken. . . . Nein! Nur vier waren es!. . . . Vier. . . .

Aber da begann er zu sprechen.

»Ich habe lange Angst gehabt vor meiner Leidenschaft, Erika! Ich habe immer geahnt, daß sie kommen werde und habe es nie glauben wollen. Nun ist sie da. Ich weiß es, seitdem Sie das letzte Mal bei mir waren, seit gestern.«

Einen Moment schwieg er und holte Atem aus tiefster Brust.
 

»Und – das macht mich traurig, unendlich traurig. Ich weiß, daß ich Sie nicht heiraten kann, ich weiß, es würde mich meine Kunst kosten. Das kann kein Fremder verstehen – Sie werden es verstehen, meine liebe, liebe Erika. Nur ein Künstler kann das verstehen, und Sie haben eine reiche, unendlich reiche Künstlerseele. Und Sie sind auch klug. Wir können nicht mehr weiter so zusammen verkehren .... es muß ein Ende gemacht werden...«

Er hielt inne. Erika fühlte, daß er noch nicht zu Ende war. Am liebsten wäre sie vor ihm bettelnd hingesunken und hätte ihn gebeten, jetzt nicht weiter zu sprechen. – Sie wollte jetzt nichts hören, nichts verstehen. – Nein, sie wollte nicht. . . . Und angstvoll begann sie wieder die Wolken zu zählen. . . . Aber die waren schon weg. . . . Nein, dort war noch eine. . . . Eine, die letzte, rosig überhaucht wie ein stolzer Schwan, der den dunklen Strom hinabsegelt.... Wieso fiel ihr das Bild ein? Sie wußte es nicht. . . . Ihre Gedanken wurden immer wirrer. Sie fühlte nur, daß sie bloß an die Wolke denken wollte. . . . Die zog jetzt fort, ja sie zog fort über den Berg hin. . . . Sie spürte, wie ihr ganzes Herz an ihr hing, wie sie sie am liebsten mit ausgestreckten Händen gehalten hätte, aber sie ging . . . sie lief, lief schneller, immer schneller. . . Und jetzt – jetzt war sie verschwunden. . . . Und Erika hörte nun wieder klar und unabänderlich seine Worte, unter denen ihr Herz in blinder Angst erbebte.

»Ich weiß nicht, ob du mich so ganz kennst. Ich glaube nicht, ich meine immer, daß du mich überschätzt. Ich bin kein großer Mensch, ich bin keiner von denen, die . . . . die über dem Leben stehen in ihrer sicheren Selbstgenügsamkeit. Ich wollte, ich wäre so, aber ich bin es nicht. Ich klebe am Leben, ich bin nicht eben viel mehr als einer, der das begehrt, was er liebt. Ich bin nur so, wie alle Männer sind, ich verehre nicht nur die Frau, wenn ich sie liebe, ich . . . . verlange sie auch. . . .  Und . . . . mit Fremden will ich dich nicht betrügen. Ich will nicht, daß du mich verachtest. Du bist mir zu lieb dazu. . .«

Erika war blaß geworden. Nun erst verstand sie, was er meinte, und sie wunderte sich, daß sie nicht früher daran gedacht. Mit einem Male war sie wieder ruhig geworden. Es war alles gekommen, wie es kommen mußte.

Sie wollte ablehnend sprechen, aber sie vermochte es nicht. Das sanfte "du" seiner Rede hatte sie eigentümlich überwältigt mit seiner liebevollen Innigkeit. Sie verspürte wieder, wie sie ihn liebte; das Bewußtsein kam ihr plötzlich, wie ein vergessenes Wort, das wiederkehrt. Und sie fühlte auch, wie schwer sie ihn verlieren könnte, wie viel geheime Kräfte sie mit ihm verbanden. Wie ein Traum war ihr alles. . . .

Er sprach weiter, und seine Stimme wurde mild wie eine Liebkosung. Sie fühlte seine Hand in ihren zärtlichen Fingern.

»Ich weiß nicht, ob du mich geliebt hast, ob du mich so geliebt hast, wie ich dich jetzt. Mit der letzten Hingabe und mit dem grenzenlosen Vergessen an alle Kleinlichkeiten, mit jener heiligsten Liebe, die nur schenken und nichts verweigern kann. Und ich glaube nur an die Liebe, die Opfer bringt um ihrer selbst willen. . . . Aber nun ist alles zu Ende. Und ich habe dich darum nicht minder lieb. .. «

Erika war wie von einem Rausch befangen. Ein sanfter Schauer überlief sie. Sie wußte nur, daß sie ihn verlieren sollte und nicht konnte. Und daß sie hoch über dem Leben stand. Alles war so fern, so weit. Abendstille lag über den Tälern und sanfte Feierlichkeit, die Stadt war fern und ihr Gebrause und alles, was an Wirklichkeit erinnerte. Sie fühlte sich in sonnigen Höhen, weit, weit oben über alle Häßlichkeit und Kleinlichkeit mit ihrer opferfreudigen, freien und spendenden Liebe, mit ihrer seligen Macht des Glückverschenkens. Keine Gedanken, kein kluges, rechnendes Besinnen war mehr in ihr, nur Gefühle, jauchzende, überströmende Gefühle, wie sie sie nie gespürt. Die Stimmung überwältigte sie und ihr eigenstes Wollen. Und so sagte sie leise und schlicht:

»Ich habe niemanden auf der Welt als dich. Und dich will ich glücklich machen.«

Alle Scham war von ihr gewichen, wie sie zu ihm sprach. Sie wußte nur, daß sie mit einem Worte viel, viel Glück verschenken konnte und sah nur seine leuchtenden Augen und ihren dankbaren Glanz.

Und er beugte sich nieder und küßte mit stiller Ehrfurcht ihren Mund.

»Ich habe nie an dir gezweifelt.«

Und dann gingen sie den Weg hinab, der Stadt, nach Hause zu.







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