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04.3
Geschichten
Stefan Zweig
aus
Die Liebe der Erika Ewald
Die
Wunder des Lebens
Seite 6
Lächelnd
und
innerlich das vergebliche Bemühen überlegen bemitleidend, sah sie
diesem
endlosen Spiele zu, ohne zu ermüden oder sich ihres Widerwillens gegen
dieses
unschuldige hilflose Wesen zu erinnern. Zum ersten Mal webte ein
menschliches
und innig menschliches Leben für sie in diesem kleinen glatten Körper,
dessen
fleischige Nacktheit und stumpfe Sättigung sie bisher nur empfunden;
und mit
kindlicher Neugier folgte sie jeder Regung. Der alte Mann sah zu und
schwieg.
Mit Worten fürchtete er den Trotz und die vergessene Scham in ihr
wieder
wachzurufen, aber ein befriedigtes Lächeln eines, der die Welt und ihre
Wesen
kennt, wollte nicht weg von seinen milden Lippen. Nichts Sonderbares
sah er in
diesem Wechsel, sondern nur ein Berechnetes und Erwartetes, ein
Vertrauen auf
jene tiefrauschenden Gesetze der Natur, die nie versagen und vergessen,
Wahrheit zu werden. Er fühlte sich wieder so ganz nahe einem jener
ewigen, sich
immer wieder erneuernden Wunder des Lebens, das aus den Kindern die
hingebende
Güte der Frauen mit einem Male erstehen läßt, die wieder hin zu den
Kindern
geht, von Werden zu Werden, und so eigene Kindheit nie verliert,
sondern
zweimal lebt, in
sich und in denen, der sie
begegnen. Und war dies nicht das Gotteswunder Marias, die Kind war, um
nie Frau
zu werden, sondern weiterzuleben in ihrem Kinde? Hatte nicht jedes
Wunder
seinen Spiegel in der Wirklichkeit und jeder erschaute Augenblick eines
werdenden Lebens einen Glanz des Unnahbaren und ein Brausen
des
Ewig-Unverständlichen?
Der
alte Mann fühlte wieder tief jene Wundernähe,
deren göttlicher oder irdischer Gedanke ihn nun seit Wochen umpreßte,
ohne ihn
freizugeben. Aber er wußte, daß dies eine dunkle und verschlossene
Pforte war,
vor der sich alles Sinnen demütig wieder wenden müsse, ohne mehr zu
erringen,
als einen ehrfürchtigen Kuß auf die versagte Schwelle. Und so griff er
zum
Pinsel, um mit Arbeit die Gedanken zu verjagen, die sich schon in
düstre
Wolkentiefen verloren. Wie er aber hinblickte, um der Wirklichkeit das
Nachbild
abzulauschen, blieb er für einen Augenblick gebannt. Denn ihm war, als
sei er
bisher mit seinem Suchen in einer Welt gegangen, die von Schleiern
umhangen
war, ohne daß er es wußte, und nun erst glühte sie ihm in ihrer
unmittelbaren
Kraft und Verschwendung entgegen. Vor seinen Augen lebte das Bild, das
er
gesucht. Mit leuchtenden Augen und haschenden Händen wandte sich das
blühende
gesunde Kind dem Lichte entgegen, das seinen nackten Körper mit einem
mattschimmernden weichen Glanz übergoß und ihm so seraphischen Schein
verlieh.
Und über diesem spielenden Haupte ein zweites, das sich zärtlich
betrachtend
niederneigt und selbst gleichsam von dem Glanze erfüllt ist, den dieser
helle
lichterfüllte Körper ausstrahlt. Und schmale kindhafte Hände, die
behütend zu
beiden Seiten warten, um alles Unheil und Verderben von diesem Kinde
abzuwehren. Und über
dem Haupte ein flüchtiger
Glanz, der sich in den Haaren verfangen hat und gleichsam von ihnen
auszustrahlen scheint wie ein inneres Licht. Sanfte Bewegung, vereint
mit
tändelndem Licht, Unbewußtheit mit noch träumender Erinnerung, alles
rann
zusammen in ein flüchtiges und schönes Bild, das nur hingehaucht schien
und aus
gläsernen Farben geschaffen, die ein Augenblick jäher Bewegung
zerschmettern
kann.
Wie
eine Vision sah der alte Mann dieses Paar, das ein
flüchtiges Spiel des Lichtes so verschwistert hatte und gleichsam
aus fernem Traume
fiel ihm des italienischen Malers fast vergessenes Bild ein und seine
Gottesmilde. Und wieder schien es ihm, als hörte er göttlichen Ruf.
Aber diesmal
verlor er sich nicht an Träume, sondern schenkte seine ganze Kraft dem
Augenblick. Mit heftigen Zügen hielt er dies Bewegungsspiel dieser
kindischen
Hände und die sanfte Neigung dieses sonst so harten Mädchenhauptes
fest, als
wollte er sie der Vergänglichkeit des Momentes für immer entraffen, der
sie
zusammengefügt. Er fühlte Schöpferkraft in sich wie heißes junges Blut.
Sein
ganzes Leben war ein Rinnen und Rauschen, ein Einschlürfen des Lichtes
und der
Farbe in dieser Minute, ein Formen und Umfassen seiner zeichnenden
Hand. Und in
dieser Minute, da er dem Geheimnis göttlicher Kräfte und unbegrenzter
Lebensfülle so nahe stand wie noch nie, da sann er nicht ihren Wundern
und
Zeichen nach, sondern lebte sie, indem er sie selbst erschuf.
Dieses
Spiel währte nicht allzu lange. Das Kind
ermüdete endlich bei dem unablässigen Haschen, und auch Esther war
befremdet,
wie sie den alten Mann plötzlich mit fieberhafter Glut und geröteten
Wangen
arbeiten sah; wieder war
in seinem Antlitz die
gleiche visionäre Helle, wie an dem Tage, da er von Gott und seinen
tausendfältigen Wundern zu ihr gesprochen hatte, und wieder fühlte sie
begeistertes Erschauern für die Größe, die sich so ganz in die
schöpferischen
Welten verlieren konnte. Und in dieses umfassende Gefühl verlor sich
ganz die
kleine Beschämung, daß sie der Maler in dem Augenblicke überrascht
hatte, da
sie ganz von dem Anblick des Kindes erfüllt war. Sie sah nur eine Fülle
des
Lebens; und die Vielfältigkeit und Größe solcher Momente ließen sie
immer jenes
Erstaunen wiederempfinden, das sie zuerst gefühlt, als ihr der Maler
die Bilder
ferner und unbekannter Menschen, traumhaft schöner Städte und üppiger
Landschaften gezeigt hatte. Und die Armut ihrer eigenen Tage und der
monotone
Gleichklang ihrer seelischen Erlebnisse färbten sich am Rausche des
Fremden und
von der Pracht des Fernen. Aber eigene Schöpfersehnsucht brannte
tiefinnerst in
ihrer Seele, wie ein verborgenes Licht im Dunkeln, von dem niemand weiß.
Dieser
Tag war eine Wende in Esthers und des Bildes
Schicksal. Der Schatten war gesunken. Nun ging sie mit hellen und
hastenden
Schritten zu jenen Stunden, die ihr so flüchtig schienen, weil sie eine
wechselnde Reihe kleiner Erlebnisse aneinander ketteten, deren jedes
ihr
bedeutsam war, da sie den Wert des Lebens nicht kannte und sich reich
glaubte
mit den kleinen kupfernen Münzen unwertiger Begebnisse. Unmerklich trat
die
Gestalt des alten Mannes in den Hintergrund gegen den unbehilflichen
kleinen
rosigen Körper des Kindes. Ihr Haß war jählings in eine wilde und fast
gierige
Zärtlichkeit umgeschlagen, wie sie Mädchen oft gegen Kinder und kleine
Tiere
haben. Ihr ganzes Wesen erschöpfte sich in Beobachtung und Liebkosung,
unbewußt
lebte sie den erhabensten Gedanken der Frau, die
Mutterschaft, in einem hingebenden leidenschaftlichen Spiel. Der Zweck
ihres
Besuches entglitt ihr. Sie kam, setzte sich mit dem kleinen blühenden
Kinde,
das sie bald erkannte und das ihr drollig entgegenlachte, in den
breiten
Lehnstuhl und begann ihre innigen Tändeleien, ganz vergessend, daß sie
um des
Bildes willen gekommen und daß sie einst dieses nackte Kind wie einen
Druck und
eine Last empfunden hatte. Das schien ihr so ferne, wie einer ihrer
unzähligen
falschen und verlogenen Träume, die sie früher in der dunklen traurigen
Gasse
in langen Stunden emsig aneinander gesponnen hatte, und deren Gewebe
zerflatterte beim ersten vorsichtigen Atemzuge der Wirklichkeit. Und
nur in
diesen Stunden glaubte sie auch jetzt noch zu leben; ihr Verweilen zu
Hause war
ihr eine Fremde, wie die Nacht, in die man schlafend hinabtaucht. Wenn
sie mit
ihren Fingern die dicken fleischigen Händchen des Kindes umfaßte,
fühlte sie,
daß dies kein blutloser Traum war. Und das Lächeln war keine Lüge, das
ihr aus
diesen blauen großen Augen entgegenblinzelte. Das war alles Leben, und
sie
verzehrte sich in einer inneren Gier nach Verschwendung an die Welt,
die ein
reiches und unbewußtes Erbteil ihres Stammes war und nach Hingebung,
der
fraulichen Sehnsucht, ehe sie noch Weib war. In diesem Spiel barg sich
schon
der Keim tieferen Verlangens und tieferer Lust. Aber noch war alles ein
tändelnder Reigen zärtlicher Einfälle und inniger Bewunderung,
spielender Anmut
und törichten Traums. Wie Kinder die Puppen schaukeln, so wiegte sie
dieses
Kind, aber sie träumte dabei, wie Frauen und Mütter träumen, – in eine
süße
zärtliche grenzenlose Ferne.
Der
alte Mann fühlte die Wandlung mit der ganzen
Fülle seines wissenden Herzens. Er spürte, daß er
ihr ferner wurde, nicht fremder, und daß er nicht mehr in ihrem Wunsche
stand,
sondern schon abseits, wie eine milde Erinnerung. Und er freute sich
dieses
Umschwungs, so sehr er auch Esther liebte, denn er sah junge starke und
gütige
Triebe in ihr, von denen er hoffte, daß sie schneller die Trotzigkeit
und
Verschlossenheit ihrer ererbten Art zerbrechen würden als sein Bemühen.
Und er
wußte, daß ihre Liebe an ihn, den Alten, Absterbenden Verschwendung
war,
während sie in junges Leben Segnung und Verheißung tragen konnte.
Wunderbare
Stunden verdankte er dieser erwachten
Zärtlichkeit Esthers zu dem Kinde. Viele Bilder von bezwingender
Schönheit
formten sich vor ihm, alle Paraphrasen eines einzigen Gedankens und
doch alle
verschieden. Bald war es ein zärtliches Spiel: Esther mit dem Kinde
tändelnd,
selbst ganz Kind in ihrer unbändigen Mitfreude, geschmeidige Bewegungen
ohne
Härte und Leidenschaft, milde Farben in sanfter Vereinung, zärtliches
Zusammenfließen zarter Formen. Und dann wieder Augenblicke der Stille,
wenn das
Kind träge auf dem weichen Schoße eingeschlafen war und die schmalen
Hände
Esthers über ihm wachten wie zwei Engel, wenn in ihren Augen jene
zärtliche
Freude seligen Besitzes aufglänzte und die verschwiegene Leidenschaft,
das
schlafende Antlitz mit Zärtlichkeiten zu erwecken. Dann wieder
Sekunden, da
sich die vier Augen ineinander einsenkten, unwissend, unbewußt und
suchend die
einen, innig hingebend und selig leuchtend die andern. Dann waren
wieder
Momente entzückender Verwirrungen, wenn das Kind mit seinen
unbehilflichen
Händen an der Brust des Mädchens emportastete, von der es die
mütterliche
Spende erwartete; dann
rötete wieder die Scham
Esthers Wangen wie rosiges Licht, aber es war keine Angst mehr, die sie
erfüllte, und kein Unwille, sondern nur eine verlegene Aufwallung, die
in ein
beglücktes Lächeln zerrann.
Und
diese Tage wurden die Schöpferstunden des Bildes.
Aus tausend Zärtlichkeiten schuf er eine, aus tausend tändelnden,
beseligten,
ängstlichen, glücklichen, innigen Blicken einen Mutterblick.
Ein stilles großes
Werk wuchs empor. Ganz schlicht war es. Ein spielendes Kind und eines
Mädchens
sanft sich niederneigendes Haupt. Aber die Farben waren mild und klar,
wie er
sie nie gefunden, und die Formen standen so scharf und klar, wie dunkle
Bäume
gegen die heilige Glut des Abends. Es war, als müßte irgend ein inneres
Licht
verborgen sein, von dem sich jene geheime Helle entzünde, eine Luft in
ihm
weben, die weicher, umschmeichelnder und klarer sei als die aller
irdischen
Welt. Nichts Überirdisches war darin und doch eine heimliche Mystik des
Lebens,
das es geschaffen. Denn zum ersten Mal fühlte der alte Mann, der in
seiner
langen emsigen Schaffenszeit stets sorglich Strich an Strich gesetzt,
ein
inneres Wachsen und Werden an seinem Bilde, von dem er nichts wußte.
Wie in der
alten Volksmäre die zauberischen Geister ihre Werke erschufen,
verborgen und
doch mit so schaffender Eile, daß des Morgens die Menschen mit
staunenden Augen
die nächtige Vollendung schauten, so fühlte der Maler, wenn er nach
Minuten
schöpferischen Rausches vom Bilde zurücktrat und es mit prüfendem Auge
betrachtete. Wieder pochte der Gedanke des Wunders an sein Herz, das
kaum noch
zögerte, ihm Einlaß zu gewähren. Denn dieses Werk schien ihm nicht nur
seines
ganzen Ringens leuchtende Blüte, sondern etwas viel Ferneres und
Höheres, das
sein
niederes Werk nicht würdig sei zu tragen,
wenn auch als seine Krönung. Und seines Schaffens Heiterkeit senkte
sich tiefer
und wurde fürchtige Stimmung, ein Bangen vor diesem eigenen Werk, in
dem er
sich nicht mehr wieder zu erkennen wagte.
So
wurde auch er Esther ferner, denn sie schien ihm
nur die Mittlerin des irdischen Wunders, das er vollbracht. Mit alter
Güte
behütete er sie, aber seine Seele erfüllte sich wieder mit den frommen
Träumen,
die er schon ferne geglaubt. Die schlichte Kraft des Lebens ward ihm
mit einem
Male so wunderbar. Wer konnte ihm Antwort geben? Die Bibel war alt und
heilig,
sein Herz aber irdisch und stand noch tief im Leben. Durfte er da
fragen, ob
die Schwingen Gottes hinabrauschten bis in diese Welt? Gingen noch
heute
Zeichen Gottes durch die Welt, oder waren es nur schlichte Wunder des
Lebens?
Der
alte Mann überhob sich nicht, da Antwort wissen zu
wollen, so Seltsames auch in seinem Leben geschah. Aber er war seiner
selbst
nicht mehr so sicher wie einst, da er an das Leben glaubte und an Gott
und
nicht nachsann, wer die Wahrheit war. Und jeden Abend umhüllte er
sorglich das
Bild. Denn einmal in diesen Tagen, als er heimgekehrt war und der
silberne
Schein des Mondes segnend über dem Bilde hing, da war es ihm, als hätte
die
Gottesmutter ihm ihr Antlitz enthüllt. Und wenig fehlte, daß er sich
betend
hingeworfen hätte vor seinem eigenen Werk. . . .
In
diesen Tagen aber
geschah noch ein anderes im Leben Esthers, das nichts Seltsames und
Unwahrscheinliches war, aber doch wie ein aufwirbelnder Sturm bis in
die Tiefen
ihres Lebens hinabgriff, daß sie erschauerten in wildem
und unverständlichem Schmerz.
Sie fühlte die ersten Mysterien der Reife und ward Weib aus einem
Kinde. Viel
ratlose Verwirrung erfüllte ihre Seele, die niemand führte und
unterwies, die
einsam einen wundersamen Weg zwischen tiefen Dunkelheiten und
mystischem
Leuchten ging. Und viel Sehnsucht ward wach, die keinen Weg wußte. Ihr
unbändiger Trotz, der früher allen Gespielen abweisend ausgewichen war
und
jedes unnötige Wort mit ihrer Umgebung vermieden hatte, brannte wie ein
Fluch
in diesen Tagen dunkler Verlorenheit. Denn so fühlte sie nicht die
heimliche
Süße, die in diesem Werden sich birgt, wie eine Saat, deren Fülle noch
ferne
ist, und nur der dumpfe, irre und so einsame Schmerz blieb zurück. Und
in diese
Unwissenheit glänzten die Legenden und Wunder, von denen der alte Mann
ihr
erzählt, wie verführerische Lichter, denen ihre Träume in die
unsinnigsten
Möglichkeiten gierig folgten. Die Erzählung von der milden Frau, deren
Bild sie
gesehen, die Mutter ward nach wundersamer
Verkündigung, durchbebte sie mit einer jähen und fast freudigen Angst.
Und doch
wagte sie nicht zu glauben, denn noch von anderem war da gesprochen
worden, das
sie nicht verstand. Aber sie meinte, daß in ihr selbst irgend ein
Wunder wirke,
weil sie sich so verändert fühlte in ihrem ganzen Empfinden, weil die
Welt und
alle Menschen um sie mit einem Male anders zu sein schienen, tiefer,
seltsamer
und voll geheimer Triebe. Alle Dinge schienen zusammen zu gehören und
ein
inneres Leben zu haben, das sich entgegendrängte und wieder
zurückstieß, eine
Gemeinsamkeit, von der sie nicht wußte, wo sie sich berge; ihr schien
alles
zusammenzuhalten, was so vereinzelt stand. Und sie selbst fühlte diese
innere
Kraft, die sie hineinzog in das Leben und zu den Menschen, aber sie war
unsinnig und wußte nicht, wohin sie sich wenden sollte und hinterließ
nur
diesen gleichen drängenden, pressenden und quälenden Schmerz
unverbrauchter
Sehnsucht und unterbundener Kraft.
Was
Esther bisher unmöglich erschienen, versuchte sie
jetzt in verzweifelten Stunden, wenn ihre Verlorenheit sich erkannte
und die
Sehnsucht nach einem Dinge, an das sie sich anklammern könnte, ihr Herz
überwältigte. Sie sprach mit ihrem Ziehvater. Bisher war sie ihm
ausgewichen,
instinktiv, weil sie die Ferne fühlte, die zwischen ihnen war. Aber nun
stieß
sie dieser blinde Drang über die Schwelle. Sie sprach mit ihm von allen
Dingen,
erzählte ihm von dem Bilde, griff tief in sich hinein, um aus diesen
Stunden
etwas emporraffen zu können, was ihm von Wert sein könnte. Und der
Wirt,
sichtlich erfreut über diese Wandlung klopfte ihr derb begütigend auf
die
Wangen und hörte zu. Manchmal warf er ein Wort drein, aber es war so
lässig un
unpersönlich wie die Gebärde, mit der er den
zerkauten Tabak zur Erde spuckte. Schließlich erzählte er selbst in
seiner
ungeschickten Weise, was gerade vorgegangen war, aber Esther horchte
vergebens.
Er wußte ihr nichts zu sagen, er versuchte es gar nicht. Alle Dinge
schienen
nur bis an seinen Körper heranzukommen und nichts nach innen zu
fließen, eine
Gleichgültigkeit gegen alles schlug ihr aus seinen Worten entgegen, die
sie mit
Ekel erfüllte. Was sie früher nur dumpf geahnt, wußte sie jetzt: es gab
keinen
Weg von solchen Menschen zu ihr und ihrer Seele. Es gab ein
Nebeneinandersein,
aber kein Erkennen, eine Öde und kein Verständnis. Und er schien ihr
noch der
beste von all den Menschen, die in dieser traurigen Kneipe aus und ein
gingen,
weil eine gewisse biedere Derbheit in ihm war, die in manchen
Augenblicken
sogar Herzlichkeit werden konnte.
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