04.3
Drei
von der Feme
Band 3
Max Schraut
- Ein gefährliches Preisrätsel -
1933
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Die Bedeutung der Blitzlichtaufnahme
Ich
war hier ganz allein auf mich
angewiesen, weder Roger Sheffield noch Bickfort Tomsen konnten ahnen,
wohin ich
geraten war, und mit einer fast unerträglichen Spannung sah ich der
weiteren
Entwicklung der Dinge entgegen.
Evelyn
gab sich anscheinend
vollkommen zwanglos wie bisher.
„So,
Mr. Bellard“, meinte sie
liebenswürdig, „eine Tasse Mokka wird Ihre Nerven am schnellsten wieder
ins
Gleichgewicht bringen. — Ali, reiche mir das Tablett . . .“
Der
Araber trat gewandt näher,
und Evelyn hielt mir die gefüllte Tasse hin.
Wenn
unser trügerisches Spiel
vorhin auf der Straße wirklich von diesem dunkelhaarigen Mädchen, das
am Kongo
ihren persönlichen Mut bei hundert Gelegenheiten bewiesen hatte, noch
nicht
durchschaut sein sollte, dann konnte es jetzt jeden Augenblick
geschehen.
Denn
das Paket, das ja Mac
Forsters Schreibtischinhalt bergen sollte und das dort am Fenster auf
einem
Stuhle lag, enthielt nur alte Zeitungen.
Wir
hatten in der Eile nichts
Passenderes als Ersatz finden können.
Öffnete
Evelyn Baaker dieses
Paket, so mußte es zur Katastrophe kommen, und gerade die Anwesenheit
des
Arabers in der schlichten Livree erschien mir als sehr übles
Vorzeichen.
Zu
meiner Erleichterung jedoch
schickte Evelyn den Farbigen nun hinaus, setzte sich zu mir und bat
mich
nochmals, den Mokka nicht kalt werden zu lassen. Sie plauderte über
London und
kam auf Umwegen auch auf den Anlaß meines hiesigen Aufenthaltes zu
sprechen.
Als Monsieur Charles Bellard erklärte ich ihr freimütig, daß ich mich
mit der
Absicht trüge, hier eine Auskunftei größten Stils einzurichten und
erwähnte
auch, daß ich das oberste Stockwerk des Old England-Palastes gestern
von Mr.
Seymour Flox gemietet hätte.
Ich
merkte, wie sie leicht
stutzte. Der Name Old-Palast, in dem ihr Bruder als „Blaag“ so
raffiniert das
Preisrätsel gegen die Feme für seine Zwecke ausgeschrieben hatte, mußte
ihr ja
auffallen, und hierbei entschlüpfte ihr ungewollt eine Äußerung, die
für mich
außerordentlich wichtig war.
„So,
— also Sie kennen Mr. Flox .
. . Nun, ein Bekannter von mir kennt ihn gleichfalls. Welchen Eindruck
haben
Sie als Geschäftsmann mit Menschenkenntnis von ihm gewonnen, Mr.
Bellard?“
Ich
blickte Evelyn in die dunklen
Augen. Es war nichts Hinterhältiges darin.
„Wenn
ich ehrlich sein soll, Miß
Baaker: Flox kommt mir wie ein verkappter Verbrecher vor!“
Sie
nickte nachdenklich und stieß
seltsamerweise einen leichten Seufzer aus.
„Denselben
Eindruck empfing auch
mein Bekannter . . .“, erwiderte sie noch zerstreuter. „Er glaubte
sogar
zunächst, Flox sei mit einem Amerikaner Sylvester Blooc identisch
. . .
Das trifft jedoch nicht zu, wenigstens nicht ganz . . .“
Ich
überlegte mir bei dieser
eigentümlichen Unterhaltung jedes Wort. Evelyns „Bekannter“ war
natürlich ihr
Bruder . . .
„Ein
sehr rabiater Herr ist dieser
Flox bestimmt“, sagte ich scheinbar empört. „Vor ein paar Stunden wurde
ich im
Old-Palast Zeuge, wie Flox seinen Reklamechef Blaag, den genialen
Erfinder des
großen Preisrätsels, einfach verhaften und abführen ließ. Weshalb, weiß
ich
nicht.“
Evelyn
lächelte unmerklich. „Ja,
davon habe auch ich gehört, Mr. Bellard . . . — Fühlen Sie sich nun
besser?“
„Oh,
ich fühle mich wie
neugeboren“, scherzte ich harmlos. „Ich werde Sie nun nicht weiter
belästigen,
Miß Baaker . . . Die Nacht ist bereits soweit vorgeschritten, daß auch
Sie der
Ruhe bedürfen. Wenn Sie nur noch die Liebenswürdigkeit hätten, mir ein
Gläschen
Kognak zu holen, so werde ich vollkommen imstande sein, mein Hotel
allein zu
erreichen.“
Sie
eilte dann auch hinaus, und
im Augenblick hatte ich die Vorhänge des hinter dem Schreibtisch
befindlichen
Fensters zurückgeschlagen und das Fenster geöffnet. Ebenso flink
warf ich
das verdächtige Paket in die Büsche des Gartens hinab, steckte noch
schnell ein
paar wertvolle goldene Nippfiguren von der Schreibtischplatte zu mir,
damit der
Eindruck eines Diebstahls von draußen vervollständigt würde, erwartete
dann
Evelyn mitten im Zimmer, trank das Gläschen Kognak und ließ mich von
meiner
seltsamen „Zufallsbekanntschaft“ hinausgeleiten. An der Vorgartenpforte
schieden
wir mit herzlichem Händedruck. Eine leere Taxe kam gerade vorüber, ich
rief dem
Schofför „Westminster-Hotel“ zu, Evelyn winkte nochmals, und Minuten
später entlohnte ich die Taxe und schritt
auf unsere Limousine zu, in der mich Freund Baronett mit den
vielsagenden
Worten empfing:
„Olaf,
– ich war im Garten, ich
habe das Paket Zeitungspapier mitgenommen. — Nun, wie war’s?!“
Auch
Bickfort Tomsen, der Warner,
lehnte sich vom Führersitz in das Innere des Wagens hinein und meinte
belustigt:
„Wer
war denn nun eigentlich
diese dunkle Schönheit, die dich mit ihrem Sportwagen anrempelte?“
„Es
war“ — ich machte absichtlich
eine Kunstpause — „es war Evelyn Baaker, die Schwester des unsichtbaren
Kongolöwen, unseres neuesten Verfolgers, — es war gleichzeitig die
Erfinderin
des großen Preisrätsels!!“
„Nicht
möglich!“, rief der sonst
so ungeheuer abgeklärte Baronett kopfschüttelnd. „Weißt du das mit
aller
Bestimmtheit?“
„Freilich,
— — bitte . . .!!“
Und
ich holte die gestohlenen
fünf goldenen Figuren hervor, die alles nur Erzeugnisse
altafrikanischer
Herkunft und Götzenstatuetten waren.
Bick
und Roger schwiegen
zunächst.
Dann
fragte Bickfort, ohne weiter
auf diese Vorgänge einzugehen: „Und wie erklärst du dir den bei Mac
Forster
bestellten Einbruch?“
„Sehr
einfach: Kommissar Baaker
hat sich doch natürlich vor seinem Dienstantritt bei seinem Vorgänger
Hemmerfolk allerlei über uns drei berichten lassen. Dabei mag er Ellen
Clinton
gesehen haben oder sonst wie auf sie aufmerksam geworden sein.
Zweifellos ließ
er sie beobachten, zweifellos muß ihm einiges über die Vorfälle auf der
einsamen Straße bei Norwood, als Ellen und Mac mich „befreiten“,
bekannt
geworden sein. Ich betone: Einiges!! Die tatsächlichen
Vorgänge blieben
seinen Leuten unklar. Er hoffte nun, Mac Forster könnte sich hierüber
Aufzeichnungen gemacht haben. Deshalb befahl er — scheinbar tat es der
berüchtigte Sylvester Blooc — den drei Amerikanern, Mac’s Schreibtisch
auszuräumen. Mithin weiß Baaker, wie Sylvester Blooc seine Kreaturen
benachrichtigt, aber wer Blooc ist, weiß er nicht, — genau so wenig wie
wir.
Immerhin ist eins gewiß:
Seymour
Flox, der Allmächtige des
Old-Palastes, steht
mit dem Newyorker Bandenführer in Verbindung. Eine Fährte
haben wir also bestimmt gefunden: Sie führt über Flox zu dem großen
Bankräuber
Sylvester, und da dieser Bursche schon deshalb gemeingefährlich ist,
weil die
Hudson Bank in Newyork nach dem Einbruch in Konkurs geriet und gerade
die
kleinen Sparer leer ausgingen, müssen wir den Mann einmal vor die Feme
bringen.
— So, — — noch eine Frage, Bickfort?“
„Allerdings“,
meldete sich an
Stelle Bicks der Baronett. „Weshalb baute Mac Forster in seinem Zimmer
die
Blitzlichtanlage und die fotografische Kamera auf? Rechnete er etwa mit
unserem
Erscheinen?“
„Ja,
das tat er bestimmt. Wozu
sonst die Blitzlichtanlage?! Wozu ferner Ellen Clintons Erscheinen am
Fenster?!
Mac Forster und Ellen Clinton sind eben nach wie vor überzeugt, daß die
Feme,
der der Volksmund tausend Augen andichtet, auch meine Verhaftung, die
eines
scheinbar Unbeteiligten beobachtet hat, und daß die berühmten „Drei“
bei Mac
Forster genau wie Baaker irrigerweise, Aufzeichnungen über diese
Vorfälle
vermuten werden und . . . verschwinden lassen wollen.
— Nur so
ist die Blitzlichtanlage zu erklären, — — nur!! Oder wißt ihr eine
bessere
Deutung?“
„Nein“,
sagte der Baronett
ehrlich. „Diese Deutung muß stimmen. Und das Nächstliegende ist
nun, daß
das Brautpaar die Blitzlichtaufnahme für den Wettbewerb, also für das
Preisrätsel, einreichen werden. Ich bin nur gespannt, was sie dazu als
schriftliche
Beweise, es handele sich um die Drei, beifügen werden. Diese
schriftliche
Anlage zu den Fotos muß ich unbedingt lesen und zwar rechtzeitig, — —
rechtzeitig,
— — ihr begreift wohl, was ich damit sagen will.“
Wir
begriffen das durchaus, und
die Blicke, die wir wechselten, verrieten unsere tiefinnersten Bedenken
und
geheimen Befürchtungen. Trotzdem blieb es bei unserem bisherigen
Programm, und
der folgende Tag brachte den Londonern die zweite große Überraschung im
Verlauf
dieser einen Woche: Die Auskunftei Bellard!! —
In
den Mittag- und Abendblättern
erschienen Riesenanzeigen, in denen die Auskunftei Bellard, Hollborn
Street 12
Personal für den Innen- und Außendienst suchte. Berücksichtigt würden
nur
Leute, die bereits längere Zeit erwerbslos seien, persönliche
Vorstellung sei
notwendig, und zwar für jede Berufsart, die in Betracht käme, getrennt.
Infolge
dieser Anzeigen herrschte
zwei Tage lang in der Hollborn Street vor dem Old-Palast ein geradezu
lebensgefährliches Gedränge.
Und
keiner, der von den
Subdirektoren des Monsieur Bellard geprüft wurde, verließ die
ausgedehnten
Büroräume, selbst wenn er nicht eingestellt wurde, unbefriedigt. Die
neue
Auskunftei war großzügig genug, all diesen Hoffenden und Darbenden
zumindest
mit drei Schillingen für Fahrgeld und Zeitverlust beizuspringen, — kein
Wunder
auch, daß dabei der Old-Palast die besten Geschäfte machte, zumal ja
bei einer
Zeche von einem Schilling und Zuzahlung eines weiteren Schilling ein
Bon
ausgegeben wurde, der zur Teilnahme am Preisrätsel berechtigte, dessen
Bedingungen sehr einfach waren: Einsendung einer Amateurfotografie
von
drei Männern in denen der Einsender die „Feme“ vermutete und dazu
Angabe von
Zeit und Ort der Momentaufnahme sowie kurzer Beweise dafür, daß es
sich um
die Feme handele. — Die Preisverteilung (Hauptgewinn ein völlig
eingerichtetes
Eigenheim von fünf Zimmern nebst Garten) würden nach drei Monaten durch
ein
Preisrichterkollegium stattfinden. Die Gewinne sollten denen zufallen,
die am
klarsten den Nachweis erbracht hätten, daß die Fotografien tatsächlich
die Drei
von der Feme darstellten.
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