04.3
Drei
von der Feme
Band 3
Max Schraut
- Ein gefährliches Preisrätsel -
1933
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Stuart
Clinton hatte in einer
etwas verrufenen Kneipe noch eine Stärkung zu sich genommen, bevor er
nach
langem Zaudern und Überlegen zum Tiburn-Kanal fuhr. Er fühlte sich
krank und
elend, er merkte, daß das Fieber sein Blut immer mehr erhitzte, und
außerdem zerfraß
ihm eine wahnwitzige Angst sein im Grunde feiges Herz.
Wenn
er sein Leben rückblickend
überschaute, stieß er nur auf dunkle, dunkelste Merkzeichen an seinem
wirren
Daseinspfade. Gewiß, er hatte an Flucht gedacht . . . Flucht vor denen,
die ihn
ganz genau kannten. Aber er wußte, daß jeder Fluchtversuch zwecklos
sein würde.
Immer noch wollte er sich einreden, daß seine Lage noch nicht so ganz
hoffnungslos sei. Nur deshalb gedachte er auch den Auftrag zu
erledigen, den
ihm Mr. Bellard erteilt hatte. Vielleicht gelang es ihm doch noch, die
Feme zu
täuschen.
Nun
wanderte er unsicheren
Schrittes am Kanalufer dahin und gab sich den Anschein, als ob er
wirklich nach
dem „Verschleppten“ suchte.
Kurz
vorher hatte einer der
Flußpiraten, die schon einmal den Gefangenen in dem wracken Frachtkahn
besucht
hatten, die Tür des Verschlages geöffnet und dem Gentleman mit der
Frackweste
und der Wolljacke kurz erklärt, er brauche sich an sein dem Warner
gegebenes
Ehrenwort nicht mehr zu halten, er sei frei . . .
Spezialkommissar
Baaker, der
lesend auf seiner Matratze gelegen hatte, sollte nicht ahnen, daß Mac
Forster
es gewesen, der ihn hierher gebracht hatte. Uns lag daran, Forster und
Ellen
unbedingt aus dem Spiel zu lassen.
Der
Flußpirat ließ die Tür offen
und verschwand wieder, während Baaker nach kurzem Zögern sich an Deck
begab. So
schnell er sich auch zunächst mit seiner ihn tief demütigenden
Gefangenschaft
abgefunden hatte, nachdem ein Unbekannter ihn in einer Taxe schlau
betäubt
hatte, — jetzt hegte er nur den einen Wunsch: Er mußte diese
drei Leute aufspüren und unschädlich machen!
Plötzlich
gewahrte er am Ufer
trotz des Nebels eine Gestalt und rief sie an. „Hallo, — besorgen Sie
ein Boot! Ich habe keine Lust, mir in dem kalten Wasser einen
Schnupfen zu holen. Ein paar
Freunde haben mich aus Übermut hier zurückgelassen.“
Stuart
Clinton war stehen
geblieben. Diese Stimme kannte er. Es war Baaker . . . Und wenn er sich
dem
allmächtigen Spezialkommissar zu Dank verpflichtete, konnten die Dinge
doch
noch eine günstige Wendung nehmen.
„Gut,
Sir, ich hole ein Boot“,
rief er zurück.
Als
er dann an Deck des
Schleppkahns kletterte, gaukelte ihm sein fieberheißes Hirn die
angenehmsten Bilder vor.
Sein
unbändiger Haß gegen die
Feme und gegen seinen Schwiegersohn Forster trug mit dazu bei, ihm die
klare
Überlegung zu rauben. Er stand dicht vor Harry Baaker und kreischte
diesem, von
häufigen Hustenanfällen unterbrochen, fast geifernd ins Gesicht:
„Wissen
Sie auch, wer Sie hierher
verschleppt hat, Mr. Baaker?! Wahrscheinlich haben Sie sich von der
Feme
irgendwie . . .“
Aber
weiter kam er nicht.
Er
schnellte herum . . .
Irgendwoher aus den Nebelschwaden, die das Vorschiff einhüllten,
erklangen
seltsam weiche, wehmütige Ziehharmonikaklänge: Das Bajazzolied, das
berüchtigte
Todeslied!
Clinton
riß seine Pistole heraus
und stürmte wie ein Tollhäusler nach vorn und feuerte blindlings in das
gelbbraune Nebelgebräu hinein . . .
Er
stolperte über einen
Lukendeckel, und unten im Kanal platschte das trübe Wasser auf. Stuart
Clinton
wurde bei den verzweifelten Versuchen, wieder an die Wasseroberfläche
zu
gelangen und sich aus dem Schlamm hervorzuarbeiten, von seltsamen
Visionen
gepeinigt . . . Sein schlau durchgeführtes Doppelleben als Kaufmann in
London
und als Bandenführer und Einbrecher in Newyork flog wie ein
blitzschnell sich
abrollendes Filmband nochmals an seinem geistigen Auge vorüber . . .
Vor vier
Jahren hatte er dieses Leben einstellen müssen, da er einen
unsichtbaren
Verfolger hinter sich spürte. Zum Schein hatte er Armut und Not und
geschäftlichen Ruin ertragen, um jede Spur zu verwischen. Aber als Mr.
Smith
hatte er sich bemüht, seine Verfolger irgendwie zu entdecken. Dann
wurde er
wieder kühner und unternehmungslustiger, gab seinem alten Komplicen
Seymour
Flox das Geld zur Gründung des Old-Palastes, aber wenig später
merkte er,
daß sein eigener Schwiegersohn und auch Baaker ihn einzukreisen
suchten, und
dann ereignete sich das Ärgste: Die Feme trat auf den Plan, — —
und er war verloren . . .
Als
er nun endlich an die
Wasseroberfläche gelangte, stieß er mit dem Kopf gegen die Bordwand des
Kahns,
versank von neuem, das Bewußtsein schwand ihm, und die Strömung führte
einen
Toten, einen Gerichteten der Themse zu. Seine Leiche wurde gefunden,
und so, wie die
Dinge lagen, erfuhr niemand, daß Ellen nur aus Liebe Harry Baaker
gefangen
gehalten hatte, damit Stuart Clintons Name ohne Makel bliebe.
Die
Zeitungen brachten am nächsten
Abend eine kurze Notiz über die Auffindung des toten Mr. Clinton.
Davon, daß
Harry Baaker fast eine Woche ein Gefangener des „Warners“ (angeblich)
gewesen,
wurde nichts veröffentlicht. Die Behörden hatten ihre Gründe, dies zu
verschweigen, denn es war schlechterdings unmöglich, zuzugeben, daß
Baaker und
seine Schwester Evelyn die Erfinder des großen Preisrätsels gewesen
waren.
Und
wie stand es um dieses
„Rätsel“?!
Am
selben Abend hatte Seymour
Flox einen gelblichen Brief erhalten, der nachher in Asche zerfiel.
Flox
lief der kalte Schweiß über
die Stirn, als er diesen „Befehl“ immer wieder überflog.
„Sollten
Sie je verraten, wer
Stuart Clinton in Wahrheit gewesen ist, werden wir auch Sie aburteilen.
Verlassen Sie England sofort, nehmen Sie nur das nötigste Geld mit und
übertragen Sie alle Rechte an dem Old-Palast und an den ergaunerten
Summen der
sozialen Fürsorge. Außerdem veröffentlichen Sie Anzeigen, daß das
Preisrätsel
eingestellt und die Preisverteilung der Behörde überlassen wird.“
Flox
gehorchte. Und als dann
einige Beamte die eingegangenen Bilder der Feme prüften, stießen sie
auf einen
Umschlag, in dem eine Amateuraufnahme von drei Herren in Sportanzügen
und ein
Beischreiben lagen:
„Wir,
die Drei von der Feme,
bestätigen, daß Miß Clinton uns fotografiert hat und daß nur dieses
Bild
einwandfrei uns drei zeigt. — Die
Feme: Der Warner, der Richter, der Henker.“
So
hatte denn London seine neue
Sensation: Tagelang wurde nur von Ellen Clinton und ihrem Verlobten Mac
Forster
gesprochen.
Über
Stuart Clinton, den für
immer begrabenen Bankräuber Sylvester Blooc, sprach niemand.
Und
als Ellen und Mac Wochen
später das Eigenheim, den ersten Gewinn des großen Preisrätsels, als
junges
Ehepaar bezogen, hatten wir Drei von der Feme längst anderswo ebenfalls
einen
neuen Unterschlupf gefunden . . . Inzwischen hatten wir auch bereits
den Palast
des Schwindelkonzerns so gründlich unterminiert, daß diese tolle
Gründung, die
in nichts mit dem Old-England vergleichbar war, urplötzlich
zusammenkrachte und
all die unzähligen Betrogenen uns dankbar sein mußten, sowohl ihr Geld
wie noch
recht fette Zinsen zurückgezahlt zu erhalten —
genau wie die bei dem großen Preisrätsel
leer Ausgegangenen.
Eine
tolle Gründung war’s!
Verbrecherische Genies standen an ihrer Spitze.
Wir
brachten sie doch zu Fall und hatten noch unseren Spaß dabei . . .
oben
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