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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Inka-hAma,
Affenkopf
Indianisches
Märchen
inmal
lebte Einer vom Stamme der Sioux an einem Bergsee, Inka-hAma genannt,
der weder eine Frau besaß noch Kinder, mit denen er hätte tändeln
können; der ein alternder Mann war und dessen Fähigkeiten zum
Kriegshandwerk zu wünschen übrig ließen; dem nicht vergönnt gewesen, im
Kampfgeschrei zu sterben. Daher war seine Seele umdunkelt von
Schwermut, desgleichen sein stolzes Herz von Schatten erniedrigender
Tatenlosigkeit. Statt des Wildlederwamses, der Perlenstickerei, des
hohen Adlerfederschmuckes hing ihm ein Bergziegenfell um seinen Leib.
Ihn hatten die Stammesbrüder dem Fischerhandwerk zugewiesen. Bei rotem
Himmel, bei rotzuckenden Blitzen hatte Inka-hAma, der Fischer, sein
Netz ausgeworfen. Hinter den Bergen in der Ebene hörte er im tönenden
Donner das Schlachtgeheul der feindlichen Schwarzfüße widerhallen.
Stück für Stück drangen die Feinde vor; das letzte Weideland, der
letzte Acker ging verloren, nichts als unfruchtbares Steingebirge blieb
den Sioux. Heftig erzitterte der Fischer in Ungeduld und Sorge. Im
Geiste warf er sich den Verhaßten entgegen, den Rivalen mit den
mondbemalten Gesichtern. Er, der Rufer der Felsen, der Rufer der Ebene
ritt an der Spitze der Tapfersten, die auf dem Rücken der vierhundert
Silbergäule des Stammes dahinflogen und feuerte sie durch wildes
Schreien an. - Ein
furchtbarer Donnerkeil fuhr in sein Netz. Der indianische Fischer zog
es aus dem Wasser; keine Masche war zerrissen; nur Schweres hing in
ihnen - ein Kasten aus Sandelholz. Dieser zerbrach. Etwas Graues,
Lebendes sprang heraus. Ein schreiender Affe saß dem Sioux an der
Brust. - "Ich, 'Ikibi' komme zu Dir!" - "Ich danke!" erwiderte
Inka-hAma, "Ikibi, hörst Du das Hyänengeheul der Schwarzfüße? Willst Du
zugeben, daß die edlen, sonnenbronzenen Sioux verbluten, von den
Pfeilen dieser Hunde durchbohrt sterben? Soll der Stamm der Sioux in
Schande untergehen?" - "Schnitze eine Maske, die meinem Kopfe, meinem
Gesicht gleicht!" - Inka-hAma, der
Fischer nahm ein großes Stück Kork,
zog ein Messer aus dem Gürtel und versuchte den Kopf des Affen zu
schnitzen. Es ging - Ikibi führte das Messer. Der Affe stieß die
Augenlöcher in sein Abbild und umrandete sie. Dann bestrich er die
fertige Maske mit roter und schwarzer Erde, setzte zu beiden Seiten
große Büschel grauen Haares an und preßte das verzerrte Schreckgesicht
Inka-hAma vor die Stirn. - "Geh zum Berge Otasquaw und lege dich in den
weißen Sand, bis die Wölfe kommen. Siebenhundert männliche Tiere mit
breitem Rückenkamm schickt dir der Prophet Maorie. Wenn sie alle
versammelt sind, ziehe mit ihnen gegen die Feinde der Sioux, gegen die
schmutzig-gelben Schwarzfüße, die wie Nattern zischen. Geh!" befahl der
Affe Ikibi. - Als der Körper Inka-hAmas vom weißen Sand des Berges
Otasquaw silbern glitzerte, wie die eisigen Gletscher der Felsen,
erschienen siebenhundert Wölfe mit roten Mäulern und roten Augen. Im
Kampfe mit den verhaßten Schwarzfüßen waren die Sioux bis an das
Felsgebirge zurückgegangen; die ganze Ebene war übersät von ihren
Toten. Der
"Wandelnde Berg" warf seinen Kopfschmuck hinter sich, schlang ein rotes
Tuch um seine Augen und erwartete
den Tod. - "Sie sollen nicht sagen,
daß sie den Häuptling der Sioux töteten!" - Die Schwarzfüße erneuerten
die Kriegsmalerei ihrer Gesichter. Ehe die weiße Sonne über dem
östlichen Hang der Berge stehen würde, wollten sie den Rest des Stammes
der Sioux aufs Haupt schlagen und vernichten. - Die Schlacht begann -
die Sioux starben wie die Helden. Da erschien im Rücken der siegreichen
Schwarzfüße ein Gigant. Wie aus berstender Erde klang sein Ruf in das
Schlachtgeheul: "Iki ibi - Ikibi!" Es war Inka-hAma, der Affenkopf, mit
seinen siebenhundert Wölfen. - Kurz vor Aufgang der weißen
Sonnenscheibe brachten die Wölfe Tod und Schande über die Sieger. Jeder
Wolf zerriß zwei Krieger der Schwarzfüße und warf sie den Sioux vor die
Füße. Der "Wandelnde Berg", im wehenden Federschmuck führte seine
Tochter Inka-hAma zu, dessen Augen wie Achat in den Höhlen lagen. Der
Befreier aber strich dem Mädchen die Stirn und sagte: "Nein, Ikibi
wartet auf mich!" - Als er seinen Bergsee erreicht hatte, stand schon
der Affe da und wartete. Er schlug dem alten Fischer gegen die Brust,
so daß der sofort umfiel und tot war.
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