|
|
|
|
|
lifedays-seite
moment
in time
|
|
|
04.3
Märchen der
Völker
Stefan Mart
Zwirndüwel
Ungarisches
Märchen
s war
einmal... Wann? - Ja, wann? Das weiß ich nicht! Es war einmal ein
stattliches Schloß, auf einem großen ungarischen Krongute, ein
Herrscher, ein mächtiger Magnat, dessen liebliche Tochter Wunderhold
und - ein Zwirndüwel. Zwirndüwel? Mitnichten, Zwirndüwel war kein
Ungeheuer, war nur ein dünnes Schneiderlein; so dünn, daß man bei
seinem Anblick lachte, lachte und immer wieder lachte. Bettelarm, doch
maßlos eitel, dünkte sich dieses dürre Männchen über alle erhaben. Er
ging durch die Gassen und sang unaufhörlich:
Schuster,
Brauer, Leinwandweber,
Kaiser,
König, Totengräber,
Bürger,
Schreiber, Bauersmann,
Kaufmann,
Schreiner, Edelmann,
Allein
von diesem Erdentroß
Der
Schneider kommt ins Himmelsschloß!
Nur
ein Lump ist bescheiden! Dieses winzige Schneiderlein hatte sich mir
nichts, dir nichts in den Kopf gesetzt, besagtes Fürstentöchterlein,
die schöne Wunderhold, müßte seine Frau werden. Zu diesem Zwecke
schmückte er sich wie ein Bräutigam. Er hatte sich eine hohe
Zipfelmütze, Rock, Beinkleider und Stoffschuhe mit Sorgfalt
geschneidert aus taubenblauem Tuche, das ihm eng am Körper lag, wie die
Haut dem Aale. An einem feinen Silberkettchen trug er auf der Brust
eine Nickeluhr. Diese Uhr, seine Papatatschi, war seine ganze
Glückseligkeit. Er machte dieses damals noch seltene Instrument zu
einem geheimnisvollen Talisman, der überall große Ehrfurcht erweckte.
So angetan und bewaffnet zog er aufs Schloß. Jedoch
die schöne Kronerbin Wunderhold war wohl gehütet; schon unterm Tor
empfing ihn gleich ein Waffenknecht des Magnaten, ein Raufbold in
Scharlach, mit einer Donnerstimme und einem bloßen Schwert in der Hand.
Der brüllte vor Lachen, als er den Schneider sah: "Hahahaha! Was ist
denn das für ein vertrackter, spindeldrehiger Schneckedenz?! Haha haha!
Wohin? Zum Fürsten? Haha haha! Zum feinen Prinzeßchen gar? Haha haha
hahaha ..." Der Kriegsknecht bekam einen Lachkrampf. Doch als
Zwirndüwel "Papatatschi" rief und an seiner Uhr drehte und diese an zu
schnarren fing, war der Landsknecht schon an seinem Lachen erstickt.
Das Schneiderlein schrieb aber die todbringende Wirkung nicht seinem
lächerlichen Aussehen, sondern seiner Papatatschi zu. Stolz wie ein
Hahn schritt er über den toten Krieger hinweg in den Schloßhof hinein.
Hier traf er auf die Schloßwache, der es bei seinem Anblick nicht
besser erging. Sie wälzte sich vor Lachen. Zwirndüwel ließ seine
Papatatschi schnarren und passierte ungehindert. Der Leibarzt, dem das
Schneiderlein unter dem Torbogen begegnetete, bekam vor Lachen eine
Darmverschlingung, die nicht mehr zu kurieren war. - Die Uhr schnarrte,
und Zwirndüwel drang immer tiefer in die Gemächer des Schlosses ein.
Die Hofdamen und Kammerzofen kreischten vor Lachen, fielen sich
gegenseitig in die Arme und schluchzten in Dur und Moll. Ehe sie sich
aber versahen, war das lächerlich dünne Männchen mit seiner
schnarrenden Papatatschi über sie hinweggehüpft, war am goldverzierten
Treppengeländer hinaufgesprungen, war bis ans Gemach der jungen Fürstin
Wunderhold gelangt und fuhr wie ein Wind durchs Schlüsselloch. Das
schöne Prinzeßchen aber fiel, als
sie den mißgestalteten Zwirndüwel
sah, in eine tiefe Ohnmacht. Der Schneider versteckte dies wunderholde
Mädchen; dann hüpfte er keck und lustig pfeifend hinab zum Thronsaal.
Hier, wo der Magnat seinen Hofstaat um sich versammelt hatte, wirkte
das Schneiderlein wie eine Kartätsche; eine Lachsalve nach der andern
krachte. Und als der Hofnarr den Spirlefix am Schlafittchen nahm und
vorstellte: "Prinz Zwirndüwel, aus klein und dünn Asien!" da gab
es
eine Lachkatastrophe, daß die Türme des Schlosses wackelten. - "Den
Guggelhupf muß mein Prinzeßchen sehen!" gluckste der Fürst vor Lachen.
Alle riefen: "Wo ist Prinzeßchen Wunderhold?" Aber Prinzessin
Wunderhold war nirgends zu finden. Da spielte um des Schneiders Mund
das rätselhafteste Lächeln der Welt: "Papatatschi! Papatatschi!" Das
geheimnisvolle Schnarren der Uhr wurde hörbar und das Lachen
verstummte. "Mein erhabener Fürst und Ihr edlen Damen und Herren, Ihr
findet sie nicht! Kein Wunder! Unsichtbar hängt sie hier an meinem
Arm!" Der pfiffige Zwirndüwel tat, als ob sie wirklich bei ihm wäre;
tätschelte ihr die Wangen, schnippte ihr das Näschen und küßte sie
sogar, daß es schmatzte. Das Lachen war ganz verstummt, es wurde
mäuschenstill. "Verruchter Narr!" brauste der Magnat auf, und zog sein
Schwert. Das Schneiderlein aber lächelte wieder so rätselhaft, daß der
Fürst sein Schwert sinken ließ; denn er fürchtete, sein Prinzeßchen zu
treffen. "Was verlangst Du - elender Zauberer?", fragte der
tiefbesorgte Vater voll bangen Entsetzens. - "Ich? Ich verlange gar
nichts. Dein Prinzeßchen verlangt! Sie liebt mich und verlangt mich zum
Gemahl!" Nach
dieser Behauptung des Schneiders verwandelten sich die anfänglichen
Lachtränen in Weintränen und der ganze Hofstaat vergoß einen unbändigen
Tränenstrom; denn keiner konnte den Anblick der schönen Magnatentochter
missen. Der Herrscher mußte wohl oder übel den Handel eingehen. -
Heimlich erweckte nun das pfiffige Schneiderlein die Prinzessin
Wunderhold aus ihrer Ohnmacht, indem er sich über sie beugte, die
schnarrende Uhr an ihr Ohr hielt und leise "Papatatschi! Papatatschi!"
krähte. Sie erwachte. Auch sie glaubte, unsichtbar gewesen zu sein, und
ergab sich in ihr Schicksal. Lange regierte Zwirndüwel und verstand,
mit seiner schönen Gemahlin in Frieden zu leben. Ihr fragt, wie er das
machte? Die schönsten Kleider, aus den erlesensten Stoffen von seiner
Hand verfertigt, ließen sie noch schöner erscheinen, als sie schon war.
Die anderen Fürstinnen beneideten sie sogar um diesen spindeldürren
Gatten, weil in ganz Ungarn kein Schneider so herrliche Gewänder machen
konnte.
oben
weiter
|
lifedays-seite
- moment in time |
|
|
|
|
|
|
|