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Literatur

04.3


Märchen der Völker

Stefan Mart
 

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Ritter Bibo
Eine Raubritterlegende


Ritter Bibo war ein gewaltiger Recke, der hoch oben auf seiner Burg "Felseneck" hauste. Er hatte viele Widersacher und war von Feinden und Gefahren umbrandet. Doch nichts auf dieser Welt vermochte ihm zu widerstehen; er focht und schlug und stach und fluchte, daß es, wie man zu sagen pflegt, von allen Seiten hagelte. Das Schlimmste aber war sein Fluchen. - Wohl hundertmal beschwor er tags den Teufel. - Heda, Teufel, Haubitzen und Batzen! - "Teufel, Blitz und Donnerschlag!" So tönte es auf "Felseneck" zu jeder Zeit. - "Heda, Teufel, aufgetischt!" Er aß und trank, daß ihm die Nieten an der Rüstung barsten; und wehe dem, der ihn bei seiner Mahlzeit störte; denn der Ritter zog bei jeder Kleinigkeit vom Leder. - Sein Nachbar nun, sein ärgster Feind und Widersacher, ließ sich in keine offene Fehde mit ihm ein; doch kam er ihm auf hinterlistige Weise, allorten wo der Ritter Beute witterte, zuvor. Stieß unser Recke hoch von seinem Söller in das Tal, um auf der Straße einem Kaufmann Wegegelder abzupressen, so war das Opfer sicher schon vorher von seinem Nachbarn ausgeplündert. Dann fluchte Ritter Bibo, daß sich die Bäume rechts und links am Wege krümmten.

Das Ärgerlichste aber war, daß er den tückischen Nachbarn niemals zu Gesicht bekam, geschweige denn ihn packen konnte, um ihm einmal das Fell nach allen Künsten zu versohlen. - Nach tagelangem dumpfen Brüten entschied sich schließlich unser Ritter, dem Widersacher zur Versöhnung seine Hand zu bieten, und lud ihn ein zu einer Bärenjagd. Der kam. Es war ein langer dünner Schleef mit einem spitzigen Gesicht. Der Kerl mißfiel dem Ritter außerordentlich. - Die Jagd begann. Nach einem Schmaus ritt man gestärkt in Forst und Wetter, um einen Bären zu erlegen. Schon war der Bär in einer Felsenmulde gestellt, als Bibo für den letzten Stich noch eine Prise nahm. Teufel auch, der Wind griff in den Schnupftabak, daß selbst der Gast mit samt der Meute gar heftig niesen mußte, in Nasenkrämpfen sich verdrehte und plötzlich mit dem Bären über Stock und Stein verschwand. Der Ritter Bibo blieb allein. - "Zum Teufel, feige Sippe, Blitz, Donner und Raketen!" Knallrot vor Zorn, blank das Schwert, Sporen hart dem Tiere in die Flanken, so sprengte er wutschnaubend gradenwegs davon. Über den hohen Fichtenstämmen hingen dräuende Wolken. - Da hörte Ritter Bibo hinter sich ein Hohngelächter. - Er sah sich um. Sein dürrer Gast stand drüben zwischen grün bemoosten Steinen und hielt sich seinen Leib vor Lachen. Blindlings setzte Bibo über die gähnenden Felsenspalten hinweg, um den verhaßten Lästerer mit seinem Schwerte aufzuspießen. - "Verruchter Raubritter!" schrie der Recke - doch sein Schwert saß fest im Stein. Daneben aber stand ein ekelhaftes Ungeheuer mit einem Eberkopf und langen, grün bemoosten Hörnern. Ritter Bibo kannte keine Furcht; er stürzte sich mit Wucht auf seinen neuen Feind. Der aber sprang im Nu hoch über ihn hinweg, verwandelte sich im Farn und Kraut des Waldgrundes zu einem grausen Wurzelmännchen, das wiederum aus Leibeskräften lachte. Der Recke suchte nun den Kerl mit seines Pferdes Hufen zu zertreten - doch dieser Wurzelmann war plötzlich nur ein hartes knorriges Geäst an einem Baum. "Teufel, Blitz und Donnerschlag!" Ritter Bibo machte einen Satz, sah sich nach allen Seiten um - er suchte ein Opfer, seine Wut zu kühlen. Endlich! Da - in einer tiefen Schlucht wälzte sich ein Lindwurm. Hei Teufel, Tod und Doria! Drauf und dran! Blitze zuckten, der Donner krachte, der Regen peitschte, und Ritter Bibo hieb und stach, daß Sterne und Funken stoben. War das ein lustiges Schlagen, Teufel noch mal! - "Ja, Teufel noch mal!" fauchte der Lindwurm und spie eine Feuergarbe aus, daß Schwert und Rüstung an den Kanten glühten. Schon dampfte Ritter Bibo grad wie ein Wild am Spieß und wär' verschmort, wenn nicht ein Sturzbach kühlen Regens ihn noch gerettet hätte. Ein lautes höhnisches Gelächter schallte. Statt eines Lindwurms stand in der Schlucht sein Nachbar, der verhaßte dünne Kerl, und lachte. Jetzt merkte der Ritter Bibo von Felseneck, daß er mit dem Teufel kämpfte. Eilends, in Finsternis und Sturmesbraus, floh er und kam, versengt an Bart und Haar, vor seine Burg. Die war von Fackelschein erleuchtet. Der Teufel war schon lange da und feierte mit Bibos Jagd- und Freundessippe ein lautes Festgelage. Das war zu viel. Der Ritter Bibo setzte sich auf einen Stein und fluchte. Der Teufel drinnen hörte es sofort und hub nun seinerseits zu fluchen an; so fluchte Ritter Bibo mit dem Teufel um die Wette. - Die morschen Mauern der Burg wankten, sie spalteten sich, zerbröckelten. Burg "Felseneck", viele Jahrhunderte alt, manch' Tannen-Geschlecht überlebt, versank mit Dröhnen und Ächzen, mit Blitz und Krach, mit Katz und Ratz, daß selbst dem Teufel grauste, und begrub den Ritter Bibo unter sich. - Das war im Jahre 1513.




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