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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Huppefrosch
Ein Hofnarrenstreich nach E. A. Poe
Es
konnte nicht leicht jemand größere Freude an Schelmenstreichen und
Späßen haben, als der König. Ein guter Witz, eine scherzhafte
Geschichte war der sicherste Weg, seine Gunst zu gewinnen. So kam es
auch, daß seine sieben Minister sämtlich in dem Rufe standen,
ausgezeichnete Spaßmacher zu sein. Sie waren nicht nur unübertreffliche
Witzbolde, sondern auch ebenso dick und wohlbeleibt wie er selber. Aber
so dick wie sie waren, waren sie gerade recht; denn ein magerer
Spaßmacher ist ein seltenerVogel. Zu jener Zeit, da diese Geschichte
spielt, waren die Narren an den Höfen noch nicht aus der Mode gekommen.
Es versteht sich von selbst, daß auch der König, von dem hier die Rede
ist, seinen Hofnarren hatte. Er brauchte etwas Närrisches in seiner
Umgebung, sei es auch nur. um seine sieben dicken Minister bei guter
Laune zu halten. Sein Narr, sein berufsmäßiger Spaßmacher, war von
besonderem Werte; denn er war nicht nur ein Zwerg von außergewöhnlicher
Gestalt; er besaß neben seinem spaßigen Außeren auch seltenen
Mutterwitz und war in seiner unbeugsamen Lustigkeit stets mit
treffsicherem Humor gewappnet. Unser König durfte sich mit gutem Recht
glücklich preisen, daß er in Huppefrosch (so hieß der Hofnarr) einen
vielfachen Schatz sein eigen nennen konnte. Den Namen "Huppefrosch"
verdankte der Zwerg einer seiner einfältigen Ideen, von der er nicht
abzubringen war. Er gab nämlich vor, nicht gehen zu können, wie andere
Menschen, und bewegte sich durch ruckweises Rutschen und Springen
vorwärts, eine Gangart, die immer grenzenlose Heiterkeit hervorrief.
War der König schlechter Laune oder ließen seine sieben Minister einmal
die Ohren hängen, was bei den schwierigen Staatsgeschäften hin und
wieder nicht zu vermeiden war, so zauberte Huppefrosch mit einem Witz
zur rechten Zeit die verlorenen Lebensgeister wieder hervor. Ein Grund
mehr, den Narren stets in seiner Umgebung zu halten. Huppefrosch
war vor Jahren mit einem ebenso zwerghaften Mädchen, das aber sonst
einen wohlgestalteten Körper hatte und wunderbar tanzen konnte, aus
ihrer Heimat verschleppt und dem König von einem seiner siegreichen
Generale zum Geschenk an den Hof gebracht worden. Tripetta, so hieß
diese kleine Tänzerin, war die einzigste am Hofe, die den Narren nicht
ob seiner Mißgestalt verlachte. So war es nicht verwunderlich, daß
beide kleinen Gefangenen enge Freundschaft verband. Sie waren
unzertrennlich. Einmal, bei einer großen Staatsaktion, befahl der
König, daß eine Maskerade stattfinden sollte. Bei solchen Gelegenheiten
wurden allemal Huppefrosch und Tripetta in Bewegung gesetzt, um ihre
Talente zu zeigen. Huppefrosch besonders war sehr erfinderisch und der
ganze Hof war in fieberhafter Erwartung, was der Narr wohl Neues
ersinnen würde. Über die Wahl der Masken und Kostüme hatten die
einzelnen Festteilnehmer längst schon entschieden. Nur der König und
seine sieben Minister waren noch unentschlossen. Da aber die Zeit sie
schließlich drängte, schickten sie in ihrer Not zu Huppefrosch und
Tripetta. Beide kamen. Der König wußte, daß Wein den Ideengang seines
Narren beflügelte und die Phantasie des zwergenhaften Hirnes zu
grotesken Auswüchsen steigerte; aber er liebte nun einmal derbe
Scherze. - "Komm her, Huppefrosch!" rief er, als der Narr mit seiner
Freundin nähergetreten war. "Leere diesen Becher auf unser aller Wohl
und laß uns Deine Erfindungsgabe bewundern!" Huppefrosch seufzte; auch
er wußte, daß der feurige Traubensaft seine Narretei über das Ziel
hinausschießen ließ, und fürchtete schon im Geheimen den Zorn des
Herrschers. - "Wir brauchen Charaktermasken! Charaktermasken! Hörst Du?
Irgend was Neues! Niedagewesenes! Wir sind der ewigen Wiederholung
müde. Komm! Trink! Der Wein wird Deinen Witz beflügeln." Als
Huppefrosch den Becher in Demut aus der Hand seines Herrn entgegennahm,
zögerte er; denn er war voller Sorge. - "Ah! Hahaha!" lachte der König
und zwang den Zwerg, den ganzen Becher auf einmal hinunterzustürzen.
"Und nun ans Werk!" sagte der Premierminister. - "Los! los !" rief der
König ungeduldig, "ah! - ich merke, Du kleines Orang-Utanbaby, Du bist
noch nicht bei Laune und willst noch mehr Wein haben. Hier, trink!"
Huppefrosch starrte seinen König nach Atem ringend an. Das Wort
"Orang-Utanbaby" drängte sich in seine Gedankengänge und drohte, seinen
Kopf zu zersprengen. Der Wein hatte seine Wirkung begonnen. Aus allen
Ecken des Saales schien es zu hallen: "Orang-Utanbaby! Orang-Utanbaby
!" Huppefrosch machte eine verzweifelte Miene. Der König mißverstand
seine Gebärden und schenkte einen neuen Becher rotfunkelnden Weines
ein. Tripetta näherte sich jetzt leichenblaß dem Monarchen und flehte
ihn unter Tränen an, ihres Freundes zu schonen. Doch
ehe der König etwas erwidern konnte, lachte Huppefrosch befreit auf:
"Ich hab's !" entrang es sich seiner Brust. "'Acht ausgewachsene
Orang-Utans' könnten wir diesen Mummenschanz nennen, und wenn er gut
ausgeführt wird, so wird er außerordentlich witzig!" Der Zwerg hatte
seinen Vorschlag herausgeschmettert und alles starrte ihn sekundenlang
stumm an; dann begriff man. "Großartig!" riefen jetzt der König und
seine sieben Minister fast zu gleicher Zeit. - "Der Hauptspaß ist, daß
die Damen gewaltig erschrecken", fuhr der Zwerg fort. - "Vortrefflich!"
lachten der König und seine Minister im Chor. - "Ich werde Ihre
Verkleidung in Orang-Utans schon richtig ins Werk setzen", meinte der
Zwerg, der froh war, eine erlösende Idee gefunden zu haben. auf die ihn
ja eigentlich der König selbst gebracht hatte. "Die Ähnlichkeit soll
täuschend sein; niemand soll Sie von wirklichen unterscheiden können."
- "Prächtig!" riefen der König und seine Minister, " Was so ein Zwerg
alles zuwege bringt!" - "Und durch Ketten sollen die zottigen Tiere
verbunden sein, das Klirren und Rasseln der Eisen wird die Wirkung
erhöhen!" - "Die Sache wird gemacht!" riefen der König und seine
Minister wie aus einem Munde. Die Zeit war vorgerückt, das Fest war im
Gange. - "Ich werde die Verkleidung selbst bewerkstelligen", sagte
Huppefrosch und ging sofort ans Werk. Zunächst wurden der König und
seine Minister in eng anliegende Gewänder genäht. auf die dann eine
gründliche Schicht Federn und Wolle geklebt wurde. Nun ließ Huppefrosch
die acht fertigen Orang-Utans antreten und legte sie der Reihe nach an
eine lange Kette. Das Ende und den Anfang der Kette legte er in der
Mitte zusammen und verband sie miteinander. Der
König und seine Minister in ihrer Verkleidung warteten geduldig bis
Mitternacht und stürzten dann plötzlich in den dichtgefüllten Festsaal
hinein. Es entstand ein entsetzliches Durcheinander; man hielt die
Orang-Utans allgemein für echt, so gut hatte Huppefrosch die
Verkleidung gemacht. Hätte der Zwerg nicht vorsichtigerweise das Tragen
von Waffen im Saale unterbunden, so hätte der König und seine Genossen
den Spaß vielleicht mit dem Leben bezahlen müssen. Die männlichen
Festteilnehmer bewaffneten sich schleunigst mit allen möglichen
erreichbaren Gegenständen und fielen mit Kasperklappern,
Hirtenstäbchen, Holzinstrumenten und Papphammern wie die Wilden über
die vermeintlichen Affen her. Bei diesem furchtbaren Lärm und bei der
Wucht der Prügel konnte man die Hilferufe der acht Orang-Utans nicht
mehr vernehmen. Nur Huppefroschs Stimme übertönte den Tumult. Von
Gewissensbissen gepeinigt, machte er übermenschliche Anstrengungen,
seinen König zu befreien. - "Überlaßt die Orang-Utans mir!" schrie er
aus Leibeskräften. Als der Zwerg sich durchgerungen hatte, befestigte
er blitzschnell die beiden zusammengekoppelten Enden der Kette an die
Stange des Kronleuchterhakens, die er vorsorglich für alle Fälle vor
Beginn des Festes ein Stück heruntergelassen hatte. Im Nu wurden durch
eine unsichtbare Kraft die acht zusammengebundenen Orang-Utans in die
Höhe gezogen und schwebten nun, aus der tobenden und wütenden Menge
befreit, in der Luft. - Alles war vor Staunen über dieses Wunder bis an
die Saaltüren zurückgewichen. Jetzt schwang sich Huppefrosch an das
Ende der Kette, die aus dem lebenden Kronleuchter heraushing, und gebot
Ruhe. "Hochlöbliche Festgesellschaft. Unser Gebieter, unser
allergnädigster König, schickte uns diese Urwaldriesen. Ein
wissenschaftliches Problem: Urzustand gegen Zivilisation! Die Probe
aufs Exempel ist gemacht. Hätte ich die sanften Ungeheuer nicht in
Sicherheit gebracht, sie wären schließlich von den wildgewordenen
Menschen bestialisch in Stücke zerrissen worden !" - Bei dieser Rede
des Zwerges hatte sich ein Gast nach dem anderen aus dem Festraume
herausgedrückt. Als
der Saal leer war, ließ Huppefrosch einen Pfiff ertönen; die großen
Doppeltüren wurden geschlossen und eine Schar Diener trug eine gedeckte
Tafel herbei. Nun senkte sich der Kronleuchter herab, schnell löste
Huppefrosch die Kette und der König und seine sieben Minister nahmen
Platz. Froh über das gute Ende, hatte die Tischgesellschaft in ihrer
sonderbaren Verkleidung bald den überstandenen Schrecken vergessen. Der
Narr nahm seine alte Gewohnheit wieder auf, machte Witze und Späße; die
kleine reizende Tripetta sprang auf den Tisch und tanzte zwischen den
gefüllten Schüsseln und Krügen. Man wurde vergnügt und lachte. Als aber
der Premierminister dem Zwerg einen vollen Becher reichte, winkte der
König ab: "Vorsicht, unser Hausnarr, der Schlingel, kann keinen Wein
vertragen; gebt ihm lieber den Orden, den ihr da an Eurem Halse hängen
habt. Ich glaube, er hat ihn heute abend redlich verdient!"
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