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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Der
Dilldapp
(Deutsches
Märchen nach Clemens Brentano)
n
einem alten, gut-deutschen Städtchen, das sich friedlich im Wasser
eines Flusses spiegelte, lebte ein armes Ehepaar, Michel genannt. Er
hatte ein bodenständiges Pech, und wenn sie, eine Schneiderin, es nicht
mit der Nadel gehalten hätte, es wäre gar oft arg gegangen. Beide aber
hofften auf bessere Zeiten und träumten, wie es in der Not üblich ist,
von dem großen Glück, das einst kommen würde. Vorläufig gab es täglich
neue Plage.
Ihre
größte Plage aber war ihr Sohn, der Dilldapp. Dilldapp war gut, hatte
aber statt Verstand nur einen dicken Kopf, so daß er alles überzwerch
verstand und verkehrt ausführte. Nichts half. Selbst Naschereien, die
Vater und Mutter ihm verabreichten, wie Ohrfeigen, Kopfnüsse oder
Nasenstüber konnten es nicht schaffen. "Du Tölpel, Schafskopf,
Tollpatsch, Dähmel, Dummerjan", so ging's den ganzen Tag.
Unbekümmert
dessen vertrieb Dilldapp sich sein Dasein mit Essen, Trinken und
Tellerlecken, so daß er dick wurde wie ein Mehlsack, fett wie ein Aal,
glänzend wie eine Zwiebel, rot wie ein Trompetermantel und unförmlich
wie ein ausgestopfter Mops. Schwer brachte man ihn von der Ofenbank. -
"Dilldapp, bring mir Wachs!" Dann brachte der dumme Dilldapp Flachs. -
"Bring mir Zwirn!" Dilldapp brachte eine Birn. Er brachte alles
verkehrt. Statt Schneiderscher - Schweineschmer; statt Papier - eine
Maß Bier; statt Futterzwilch - Buttermilch; statt Stopfnadeln -
Topfladen usw. Eines Tages wollte die Mutter bügeln und rief: "Dilldapp
hol' mir Rock und Eisen!" Dilldapp ging weg, kam nach Stunden zurück
mit einem Bock und zwei Geisen ...
Da
nahm Frau Michel eine Hechel und schlug sie ihm um den Kopf. Das
knallte so heftig, daß Dilldapp erschrak und die Treppe hinunterlief.
Er geriet in ein solches Laufen bergab und bergauf, durch Wälder und
Felder, Land und Sand, Stock und Stein, Distel und Dorn, daß er nicht
eher aufhörte, bis er nichts mehr sah vor lauter Nacht. Die Sonne hatte
er schon über den Haufen gelaufen und der Abendröte hatte er die bunten
Fensterscheiben eingerannt. Da
hingen die Sterne ihre tausend Laternen zum Himmel heraus und der Mond
zog als Nachtwächter auf die Wache, um zu sehen, wer so erbärmlich
laufe. Dilldapp
lief ohne Ende. Gegen Morgen kam er an einen Bach. Die Frösche, die
über Dilldapps dummes Aussehen lachten, riefen ihm zu: "Dilldapp, lauf
nicht übern Steg; es ist besser, du springst hinüber!" Dilldapp
glaubte, es sei wirklich besser, sprang und fiel ins Wasser. Plumps!! -
Das platschte nicht schlecht. Als Dilldapp aus dem Wasser kroch,
hüpften die Frösche kreuz und die quer über ihn hinweg und
lachten
noch lauter als vordem. Nun war Dilldapp zur Besinnung gekommen, ließ
das Laufen sein, blieb im Walde stehen und schaute sich nach allen
Seiten um. - "Da bist du schön reingefallen, du Tölpel!" plusterte eine
Eule. Ein Rabe rief vom nächsten Baum: "Heda! Dilldapp, Du mußt Hunger
haben; greif rechter Hand in das Erdloch, es sind Zuckerbretzeln drin!"
Dilldapp glaubte es und griff hastig in das Loch. Es war ein Fuchsbau,
und Reinicke, der schon gelauert hatte, biß ihn in die Finger. "Au!"
schrie Dilldapp und fiel vor Schreck hintenüber, direkt in einen großen
Ameisenhaufen. Sofort hatten ihn die Ameisen vollständig eingehüllt. Ob
dieses Spaßes wurde es ringsherum lebendig. Die Käuze und Finken,
Spechte und Raken, Libellen und Käfer, die Füchse und Dächse rumorten
und lachten; selbst die Blindschleichen, Echsen und Kröten raschelten
heftig und hatten weidlich ihr Vergnügen. Ha-ha und Hum-hum und
Quackelaquack: "Du Tölpel, Schafskopf, Tollpatsch, Dähmel, Dummerjan!"
so ging es unter Lachen in den Walde. Dilldapp wühlte sich heraus,
wischte sich das krabbelnde Getier aus den Augen und versuchte
davonzukommen, stolperte aber und fiel auf einen Felsblock. Dieser
vermeintliche Felsblock war ein lagernder Waldesel, der mit Dilldapp
auf dem Rücken aufsprang und davoneilte. Als Dilldapp sich einigermaßen
aus seiner schwarzen Ameisenhülle befreit hatte, trabte der Esel gerade
mit ihm in eine tiefe Felsschlucht hinein. Hier
saß in magischer Beleuchtung ein großes dickes Ungeheuer, von einer so
außerordentlich ausgedehnten Herzensgüte, daß man sie mit Ellen
ausmessen konnte. - "Oh, Mama! wie abscheulich !" - Das Gesicht des
Ungeheuers war dick wie ein Pfefferballen; seine Nase so breit wie ein
Blasebalg; seine Augen so groß und rund wie die Räder an einem
Schiebkarren; sein Mund gähnend breit, wie die Brieftasche eines
Postmeisters. Dilldapp sprang vom Esel und redete sein übliches dummes
Zeug, woraus der Popanz erkannte, daß solch närrisches Gerede nur von
einem Dilldapp herrühren könne. Er
schüttelte sich vor Lachen und auch
Dilldapp lachte. - " Wohlan! bleib hier", sagte das Ungeheuer. So trat
Dilldapp in seine Dienste. Er hatte
nichts weiter zu tun, als dem
dicken Popanz den Rücken zu kratzen, weil er es wegen seiner
Leibesfülle nicht selber konnte. Aber der war nicht undankbar und
kratzte währenddessen den ehrlichen Dilldapp wieder, worüber sie dann
gewöhnlich in Gesellschaft einschliefen. -
Nach einem Jahr sagte
das
Ungeheuer zu Dilldapp: "Deine Eltern warten daheim auf dich. Geh zu
ihnen zurück. Du hast mir treu gedient, zum Lohne schenke ich dir
meinen Waldesel. Jedoch knüpfe ich eine Bedingung an dieses Geschenk;
du darfst niemals den Schwanz des Esels erfassen und glauben, es sei
der Griff einer Pumpe!" - "Danke", sagte Dilldapp und zog mit dem Esel
davon. In der nächsten Waldlichtung blieb Dilldapp stehen. Damit er das
Verbot nicht vergäße, wiederholte er die Worte des Popanz: "Du sollst
nicht glauben, der Schwanz des Esels sei ein Pumpengriff!" Während
er sich die Worte ins Gedächtnis zurückrief, hatte er beiläufig den
Schwanz des Esels erfaßt und pumpte schon. Da fielen aus dem Esel
harte, blanke, goldene Taler, eine ganze Menge. Dilldapp war zu dumm,
um erstaunt zu sein. Er zog seine Jacke aus, band die Ärmel zusammen
und machte aus ihr einen Geldsack, ritt zum ersten besten Wirtshaus,
bestellte eine mächtige Schüssel Hirsebrei und hängte seinen schweren
Geldsack über sich an die Wand. Dilldapp aß nach Herzenslust und gab
auch seinem Esel reichlich. Als
der Wirt mit der Rechnung kam, fragte
Dilldapp: "Herr Wirt, was sind Sie mir schuldig?" "Alle Ehr' und
Respekt," erwiderte der Wirt, "ich bekomme doch etwas von Ihnen." - "
Wie viel?" Der Wirt hatte den Dilldapp als solchen erkannt und rechnete
ihm die Zeche vor: "Einen zwanzigfachen Hirsebrei, mein Herr, macht 25
Taler, Wein und Bier keines - macht zusammen 50 Taler; Logis keines -
75 Taler, Bund Stroh, Stallung für den werten Esel - 100 Taler, 25 mal
die Mütze abgezogen -125 Taler; und 25 mal nach Ihrem Namen gefragt,
macht zusammen 150 Taler, - Bitte !" - "Das ist sehr billig", sagte
Dilldapp und griff in den Geldsack. - "Ei! was haben Sie da Schweres an
der Wand hängen?" meinte der Wirt, "das muß Sie ja bei der Reise stark
behindern?" - "Da haben Sie recht, Herr Wirt. Wollen Sie so gut sein
und den Sack an sich nehmen? Sie können sich die 150 Taler herausnehmen
und das übrige wegwerfen!" - Darauf bestieg Dilldapp seinen Esel und
trabte vergnügt seiner Vaterstadt zu. Als er in die Stadt hineinkam,
ritt er zackzack die engen Gassen zu seinen Eltern hinunter, band den
Esel vor die Tür und lief schnurstracks ins Haus hinein. Vater Michel
und die Mutter hatten ihn kaum erblickt, als sie ihn auch schon
umarmten. Dilldapp weinte vor Freude. Auf einmal rief er: "Meine lieben
Eltern, ihr braucht euch nicht mehr zu plagen; ich bringe einen Esel
mit, der mehr Gold gibt, als ihr euch jemals hättet träumen lassen. -
Draußen steht er!" Alle stürzten vor die Tür und sahen in der Tat einen
Esel. Dilldapp ergriff den Eselsschwanz, pumpte und schrie: "Gold!
Gold! Gold!" - Nun
ging es die Brennerzeile hinauf und die Spatzengasse hinunter, es ging
durch die ganze Stadt: "Der Dilldapp, der dumme Michel, hat das Glück
mit nach Hause gebracht!". Ja - Kinder und Toren haben das Glück bei
den Ohren. Alle Welt lief zusammen und drängte sich um Michels Haus.
Die Menschen zeigten ihr wahres Angesicht; sie waren voller Mißgunst
und Neid. Berichterstatter und Kundschafter,
Steuerbe- amte und sonstige Anstalts- und Amtspersonen ließen den
Micheln
keine Ruhe mehr. Und es wurde immer ärger. Schließlich und zuletzt kam
die Kriminal-Polizei, interessierte sich voller Mißtrauen für die
Angelegenheit und sagte: Ha! ... Ha! Nun erkannte die Familie Michel,
daß das, was sie sich einstmals erträumt hatte, gar nicht das große
Glück sei, sondern daß es vielmehr ein friedliches und beschauliches
Leben ist, was das sogenannte
Glück hier in diesem Dasein ausmacht, daß
es aber nie und nimmer das Gold ist. - Nun wünschten sie sich, der
Zauberesel möge nicht anders sein, wie jeder gewöhnliche Esel. Eines
Morgens nahm der Dilldapp auf Geheiß seines Vaters das Tier am Halfter,
um es in den Wald zurückzuführen. Die ganze Stadt lief den beiden
hinterdrein. Einige Buben faßten an den Schwanz des Esels und pumpten.
Da gab es ein großes
Gelächter und alles rief: "Dilldapp, du Dummerjan,
das ist doch kein Gold; es ist ja nur ein Eselsdreck!"
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