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Märchen der
Völker
Stefan Mart
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Der Traum
des Bettlers Matsuki-Schei
Mongolisches
Märchen
Wohlig
gebettet auf einer rosaweichen Wolke war der junge Bettler
Matsuki-schei seinem harten Lager entwichen und schwebte über allem
Irdischen, wie ein junger Gott. Nun war er jeder Sorge enthoben; denn
seine Wünsche waren fortan dem Schicksal Befehl. Er wünschte sich, der
Kaiser Asiens, der Beherrscher aller Mongolen zu sein. So schaute er
hinab und suchte den Palast des großen Wuschangis-khan, des
glücklichsten aller Kaiser. Als er ihn endlich gefunden, gefiel es ihm,
sich zu wünschen, dort unten an den Stufen des Glückes sitzen zu
dürfen. Also saß der junge Bettler Matsuki-schei in seine Lumpen
gehüllt auf der Treppe des Palastes und streckte nach alter Gewohnheit
seine Hand aus, um zu betteln. Man achtete nicht auf ihn. Eine Schar
der schönsten Freier, mit den längsten und seidigsten Zöpfen des
Mongolenreiches, in goldgestickten Drachengewändern, umlagerte das Tor
und wartete auf die Wahl der schönen Thronerbin Nukada. Endlich
erschien sie, schön wie die Ranke eines Tempelgewächses, mit einem
kleinen Seidenball, den sie dem Auserwählten zuwerfen sollte. Die
stolze Nukada aber mochte keinen von diesen geschmückten Laffen und
warf den Ball ins Leere.
Er fiel wie durch Zauber in die Hand des
Bettlers. Der Drache im Banner krümmte sich, ein Wehklagen hub an, aber
der Ball war gefallen und der kaiserliche Spruch war besiegelt. Man
umhängte den Bettelsmann mit prächtigen Kleidern und gab ihm die
kaiserliche Tochter Nukada zur Frau... Einige Tage nach diesem Ereignis
starb der Kaiser Wuschangis-khan aus Kummer über dieses Ungemach.
Wirklich wurde nun der Bettler Matsuki-schei Kaiser von Asien und
Beherrscher aller Mongolen. - "Wehe dem, der wunschlos ist!" sagt der
Weise Lao-tse. Matsuki-schei aber besaß alles; er hatte keine Wünsche
mehr und wurde
todunglücklich. Draußen vor dem Tor aber stand das Wort
"Glück" groß in goldenen Lettern geschrieben. Darum hieß es nun, nach
außen hin - "das Gesicht wahren". Aber das wunschlose Leben im Überfluß
wurde immer unerträglicher. Matsuki-schei beschloß, zu fliehen. Als er
sich nun eines Nachts heimlich davonmachen wollte, um sich diesem
scheinbaren Glück zu entwinden, wurde er entdeckt und es gab einen
heftigen Kampf. Mit
übermenschlichen Kräften riß er sich los und machte
einen tollkühnen Sprung durch die Wölbung eines Fensters ins Freie.
Unten im Schatten einer Mauer wurde er am Arm gepackt und gewaltig
geschüttelt - - -.
Matsuki-schei
erwachte aus seinem Traum. - "Ans Betteln, du Faulenzer!" hörte er die
Stimme seines Stiefvaters, des alten Bettlers, der ihn unsanft von
seinem harten Maisstrohlager zog, auf dem er geschlafen hatte, wie auf
Wolkenkissen. Der junge Bettler Matsuki-schei murrte nicht. Er ging
leichten Schrittes zur Hütte hinaus an die Bettlerarbeit und freute
sich, daß er nicht der Kaiser Asiens, der Beherrscher aller Mongolen
war.
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