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04.3
Japanische
Märchen
by
Karl Alberti
Der weiße Fuchs
Vor
vielen Jahren jagte einmal im Walde von Shimoda[3] der
Sohn eines Fürsten. Er
hatte das seltene Glück einen schneeweißen Fuchs weiblichen Geschlechts
zu
fangen. Er wollte das Tier töten, aber Yasuna, der Sohn eines
Tempelaufsehers,
der sich an der Jagd beteiligte, bat es ihm zu schenken, weil er wußte,
daß
solche Füchse mit weißem Fell Zauberkräfte besitzen, mehrere tausend
Jahre alt
werden und sich in jede beliebige Gestalt verwandeln können. Aber der
Sohn des
Fürsten wollte das schöne Fell des Tieres für sich haben, schlug Yasuna
die
Bitte ab und befahl seinen Leuten die Füchsin zu töten. Yasuna aber
bemächtigte
sich dieser mit Gewalt, indem er mit den Jägern kämpfte und obgleich
aus vielen
Wunden blutend, konnte er doch mit dem Tiere flüchten. Nachdem er eine
Weile
gelaufen war, brach er erschöpft zusammen; er mußte die Füchsin
loslassen, die
schnell im Walde verschwand. Seltsamerweise kam plötzlich seine
Verlobte
Kuzunoha daher, die, als sie seine Wunden sah, sie ihm verband und ihn
nach
Hause geleitete.
Yasuna
war erstaunt seine Verlobte bei sich zu sehen,
die er bei ihren Eltern, die in der Kumamoto-Provinz[4],
weit entfernt von Shimoda, wohnten, vermutete, und fragte daher, wie es
komme,
daß sie sich jetzt hier befinde und ihn im Walde gefunden habe.
Kuzunoha
aber antwortete: „Frage mich jetzt nicht,
noch ist es nicht Zeit, dir dies zu erklären. Ist es an der Zeit, so
wirst du
alles erfahren!“
Damit
beruhigte sich Yasuna, der glücklich war, seine
Braut bei sich zu haben. Er zögerte nicht lange, sondern machte einige
Tage
darauf mit ihr Hochzeit. Einige Jahre lebten beide glücklich und
zufrieden und
ein herziger Knabe, den Kuzunoha ihm geschenkt hatte, verschönte ihr
Glück.
Diesem Knaben hatten sie den Namen Dokyo[5]
gegeben.
Eines
Tages war Yasuna im Walde gewesen und kehrte
erst spät abends zurück. Als er vor seinem Hause ankam, war er nicht
wenig
überrascht, vor der Tür seine Schwiegereltern mit seiner Frau stehen zu
sehen,
die sich lebhaft unterhielten; er trat näher, begrüßte sie und fragte,
warum
sie nicht in das Haus gingen, sondern vor der Tür ständen.
Sein
Schwiegervater aber fuhr ihn zornig an, was das
heißen solle, daß er sich die ganzen Jahre lang nicht um seine Braut
bekümmert
habe und jetzt mit einem andern Weibe zusammenlebe.
Yasuna
wußte nicht, was er zu solcher Rede sagen
sollte und war noch mehr verwundert, als auch seine Braut ihm die
gleichen
Vorwürfe machte. Er öffnete kurzer Hand die Tür des Hauses und lud alle
ein
einzutreten. „Wir können uns da drinnen weiter darüber unterhalten, was
eure
Vorwürfe bedeuten sollen; hier auf der Straße ist nicht der Ort dazu!“
sagte er
und wollte vorangehen, prallte aber zurück, denn im Zimmer saß seine
Frau und
nähte! — Hier draußen stand aber auch seine Frau; die aber behauptete,
noch
nicht seine Frau zu sein, sondern nur seine Verlobte! Wer war die
richtige, wer
die falsche Kuzunoha? — Er schloß nun ganz lautlos die Tür, trat zurück
und
sagte zu seinen Schwiegereltern: „Wartet hier einen Augenblick, ich
komme
gleich zurück!“
Dann
trat er in sein Haus, begrüßte seine Frau und
sagte ihr: „Deine Eltern sind angekommen, rüste dich, sie zu empfangen!
In
einer Stunde sind wir wieder hier!“
Nachdem
die Frau zugesagt halte, alles aufs beste zu
besorgen, ging Yasuna zu den Schwiegereltern zurück und bat sie mit ihm
einen
Spaziergang zu machen, nach einer Stunde würde er sie in sein Haus
führen.
Auf
dem Wege erzählten ihm die Schwiegereltern, daß
das bei ihnen befindliche Mädchen tatsächlich ihre Tochter Kuzunoha,
seine
Braut sei und daß diese untröstlich darüber, daß Yasuna in der langen
Zeit
nichts habe von sich hören lassen, ihre Eltern veranlaßt habe, die
weite Reise
mit ihr zu machen. Jetzt angekommen, müßten sie zu ihrer großen
Betrübnis
sehen, daß bereits eine andere Frau im Hause sei!
Yasuna
erzählte sein Abenteuer und seine glückliche
Ehe.
Unter
diesem Gespräch war die Stunde vergangen, alle
kehrten zurück und gingen ins Haus; aber es war keine Frau zu sehen,
nur das
Kind lag auf seinem Lager und weinte, jubelte aber der Kuzunoha zu, die
den
Knaben auf den Arm nahm und mit ihm scherzte. Dann erzählte der Knabe
ihr einen
sonderbaren Traum, den er gehabt habe und fragte, was er bedeute. Er
sagte zur
Kuzunoha: „Vorhin, als ich schlief, sagtest du zu mir, daß du gar kein
Mensch,
sondern eine verzauberte Füchsin seiest. Der Vater habe dir einmal das
Leben
gerettet und deshalb habest du menschliche Gestalt angenommen und seist
ihm in
Gestalt seiner Braut erschienen um ihm zu danken. Jetzt sei aber die
wirkliche
Braut gekommen und so müssest du scheiden. Ich solle dies dem Vater
erzählen
und ich soll brav und gut werden und bleiben. Ein dummer Traum, nicht
wahr!“
Alle
sahen sich erstaunt an, war doch jetzt das Rätsel
geklärt. Die wirkliche Kuzunoha blieb nun im Hause als rechtmäßige
Gattin
Yasunas und erzog den kleinen Dokyo zu einem tüchtigen Menschen, der
klug und
tapfer wurde.
Von
der weißen Füchsin hat man nie wieder etwas
gehört.
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