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04.3
Japanische
Märchen
by Karl Alberti
Neid
bringt Leid
Es
ist schon lange, lange Zeit her! Da lebte einmal in
einem kleinen Städtchen ein alter Mann. Dieser hatte in seinem ganzen
Leben
jedermann nur Gutes getan, war fromm und gut. Deshalb hatten ihn auch
alle
Leute lieb, obgleich er arm war. Gerade gegenüber dem Hause dieses
guten alten
Mannes wohnte ein anderer alter Mann, der sehr reich war, aber nicht
gut,
sondern habgierig und alles, was er sah, gern haben wollte.
Nun
hatte der gute Mann leider kein Kind und keine
Verwandte und er hätte ganz einsam leben müssen, was er nicht wollte;
denn er
wünschte auch in seinem Hause jemanden zu haben, den er lieb haben
könnte und
der ihn wieder liebe. Deshalb schaffte er sich ein allerliebstes
kleines
Hündchen an, hegte und pflegte es und hatte bald seine große Freude an
dem
possierlichen Tierchen, das dem Alten alle Liebe vergalt und so treu
und
anhänglich war, daß es nie von der Seite seines Herrn wich, sondern ihn
auf
allen seinen Wegen begleitete.
Eines
Tages gingen der Herr und sein Hündchen spazieren
und kamen an ein ödes Feld. Da bellte plötzlich das Hündchen, eilte zu
einer
Stelle in der Mitte des Feldes und begann mit seinen Pfötchen heftig zu
scharren, indem es seinen Herrn treuherzig bittend ansah, als wollte es
sagen:
„Hier
grabe nach, hier ist etwas für dich!“
Der
Alte
verstand sein Hündchen, eilte nach Hause, holte einen Spaten und grub
an der
Stelle nach, die das Hündchen bezeichnet hatte und siehe da! Als der
Mann ein
Weilchen gegraben hatte, fand er in dem Loche einen Haufen goldener
Koban[11],
worüber er hocherfreut war, das Geld nach Hause trug und einen großen
Teil den
Armen spendete.
Trotzdem
er nun reich war, blieb er freundlich und
bescheiden wie bisher, hatte aber sein Hündchen noch viel, viel lieber.
Der
böse Nachbar aber neidete das Glück des Alten und
da er erfahren hatte, wodurch dieser zu dem Reichtum gekommen war,
suchte er
das Hündchen in sein Haus zu locken, damit es auch ihm Stellen zeige,
wo
goldene Koban verborgen wären. Aber das Hündchen folgte den Lockungen
nicht und
wich nie von seines Herrn Seite.
Da
nun der habgierige Mensch mit List nichts erreichen
konnte, wandte er Gewalt an, indem er das Hündchen, als dieses ruhig
vor dem
Hause saß, ergriff und in sein Haus schleppte; dann band er es mit
einem Strick
und führte es aufs Feld, damit es ihm vergrabene Schätze zeige. Das
Hündchen
scharrte auch wirklich an verschiedenen Stellen, aber immer, wenn der
Mann den
harten Boden aufgeschlagen und im Schweiße seines Angesichts
nachgegraben hatte,
fand er nichts als stinkenden Unrat, so daß er erboste, das Hündchen
mit seiner
Hacke erschlug und den Leichnam dem guten Alten in den Garten warf.
Der
Alte war darüber sehr betrübt und begrub seinen
Liebling unter einen Baum im Garten, und
obgleich er wohl wußte, wer der Übeltäter war, trug er es ihm doch
nicht nach,
noch forderte er Sühne für die begangene Tat.
Kurze
Zeit darauf erschien ihm eines Nachts das
Hündchen im Traum und sagte zu ihm:
„Trauere
nicht länger, mein Tod wird dir noch größeres
Glück bringen, wenn du meinen Rat befolgst. Haue den Baum, unter dem
ich
begraben bin, um und mache dir aus dem Holze einen Reismörser[12] und
Schlegel!“
Der
Alte tat, wie ihm geheißen und als er den Mörser
in Gebrauch nahm, welch ein Wunder! Da quoll aus dem Mörser der Mochi[13] und
nahm kein Ende, bis der
Alte zu stampfen aufhörte. Dieser war nun überglücklich; denn er
brauchte
keinen Reis mehr zu kaufen und konnte überdies den Armen des Ortes
reichlich
abgeben.
Dem
bösen Nachbar aber, dem dieses neue Glück seines Gegenübers
zu Ohren
kam, ließ es keine Ruhe; er wollte und mußte den Mörser haben. Deshalb
ging er
zu dem Alten und bat, er möge ihm doch den Mörser wenigstens einmal,
nur auf
einen Tag leihen, er bringe ihn gewiß am andern Morgen zurück. Der Alte
war
gutmütig genug dem Manne zu glauben und ihm den Mörser zu leihen, den
dieser
hocherfreut in sein Haus trug, ihn bis obenan mit Reis füllte und
dann 26zu stampfen anfing. Aber o Graus! Anstatt schöner
Mochi quoll ekelerregender Kot hervor und erfüllte mit seinem Gestank
das ganze
Haus. Da ergriff der schlechte Mann eine Axt, hieb den Mörser samt
Schlegel in
viele Stücke und verbrannte diese zu Asche.
Aber
auch ob dieser neuen Bosheit ergrimmte der seines
Mörsers beraubte Alte nicht, sondern folgte dem Rate seines toten
Hündchens,
das ihm wieder im Traum erschienen war, und holte sich die Asche von
dem Mörser
aus dem Hause seines Nachbars und bewahrte sie in einem Gefäße
sorgfältig auf.
Da
kam eines Tages im Spätherbst, als alle Bäume und
Sträucher kahl waren, der Daimyo[14] mit
seinem Gefolge angeritten
und mußte am Hause unseres guten Alten, das an der Landstraße lag,
vorüber. Der
Alte ergriff nun schnell einige Hände voll von der Asche, kletterte auf
einen
am Wege stehenden Kirschbaum, und gerade als der Daimyo darunter war,
streute
er die Asche aus. Der Daimyo und sein Gefolge waren im ersten
Augenblick starr
vor Schreck, dann ergriff sie der Zorn ob solcher Freveltat und sie
wollten den
Alten ergreifen.
Aber,
welch Entzücken erfaßte alle! Überall, wohin die
Asche geflogen war, grünte und blühte es, die Äste und Zweige waren
voller
Blätter und Blüten und anstatt der Asche rieselte ein feiner Regen
lichter
Kirschblüten auf den Daimyo und sein Gefolge nieder. Alles schrie vor
Freude
über solch ein Wunder laut auf und die den Alten soeben noch züchtigen
wollten,
umarmten ihn und priesen seine Wundertat.
Der
Daimyo war gerührt von solcher sinnigen
Aufmerksamkeit und machte dem Alten reiche Geschenke; auch schickte er
ihm, als
er die Geschichte des Hündchens gehört hatte, ein anderes allerliebstes
Hündchen.
Der
böse Nachbar aber barst fast vor Neid und Zorn;
trotzdem aber ging er wieder zu dem gutmütigen
Manne und fragte ihn, ob er noch etwas
Asche übrig hätte, er möge ihm doch ein wenig geben, was der Alte auch
tat.
Als
der schlechte Mann nun einmal hörte, daß der
Daimyo mit seinem Gefolge wieder des Weges kam, hatte er nichts
eiligeres zu
tun, als die geschenkt erhaltene Asche zu nehmen und damit ebenfalls
auf einen
Baum zu klettern. Als der Daimyo dann unter dem Baum vorbeiritt,
streute der
Mensch wirklich die Asche über ihn aus, aber kein Blatt und keine Blüte
zeigte
sich, sondern die Asche blieb Asche und flog dem Daimyo und seinen
Leuten in
Augen, Ohren, Nase und Mund, so daß ein jeder sich voller Zorn auf den
Übeltäter stürzte, ihn gehörig durchprügelte, dann in Ketten legte und
ins
Gefängnis steckte, wo er nach langen großen Schmerzen verstarb. —
So
ergehe es
allen Neidern und Habgierigen, die dem Nächsten sein Glück nicht gönnen
und es
an sich reißen möchten, anstatt sich über das Glück
des Nachbars mit
diesem zu freuen!
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