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Mein Pappenheim


03.1


Erinnerungen an meine Kindheit


 

Immer, wenn ich das Gedicht "Zu spät" von Annegret Kronenberg lese, dann sehe ich vor meinem geistigen Auge genau das Bild der Altmühlbrücke, wie sie sich um ca.1950 oder etwas später, also zu der Zeit, in der ich in Pappenheim lebte, darstellte. Diese Brücke war Freund, Zuhörer und Tröster für mich, besonders dann, wenn ich Kummer hatte. Dann schaute ich hinunter  auf die Altmühl und die Ruhe übertrug sich auf mich. Dieses Erlebnis hatte ich nur noch am Bach, der - so nehme ich an - vom Fels herunter, unterhalb der Bgm.-Ruckwid-Straße in einem kleinen Auffangbecken weiter in Richtung Ofenfabrik, in der Brunnmühlgass, verlief, oder aber unter dem großen alten Nussbaum im Garten. Auch dort konnte ich perfekt meine Welt erträumen.


1214 erstmals als Mühle erwähnt. Ein erster Neubau erfolgte 1534. 1850 grundsätzliche Umgestaltung für den Wasser- und Dampfbetrieb mit Sägewerk. 1912 - 1959 gehörte die Mühle zur Ofenfabrik. (Quelle: pappenheim.de)

Wie oft bin ich über diese Brücke in die "Stadt" gelaufen, der Weg erschien mir unendlich lang. Auf der Brücke machte ich eine kleine Pause und schaute in die Altmühl, um dann gestärkt weiter zu marschieren, da ja am Ende der Strecke ein leckeres Eis auf mich wartete, das ich mir beim freundlichen Bäcker kaufen wollte, der direkt beim Weißen Ross seinen Laden hatte. (Bild: im höheren Fachwerkhaus, rechts, Richtung Straße). Mit dem Eis in der Hand war der Rückweg nicht mehr sehr beschwerlich und ich freute mich darauf, zum Fels hinaufzuklettern und über Pappenheim zu schauen. Die Welt war für mich ein Abenteuerspielplatz, ich war glücklich und zufrieden so wie sie war.


Später dann kaufte ich mir, wenn ich meine Tante besuchte, eben bei diesem Bäcker eine Brezel, groß und köstlich schmeckend. Mit 14 Jahren besuchte ich als junger Mensch zum ersten Mal  nach meinem Fortgang "Mein Pappenheim"  und konnte endlich wieder meine heiß geliebten Brezeln kaufen. Allerdings hatte sich meine Wahrnehmung von Entfernungen, also auch der Weg von der Bgm.-Ruckwid-Straße bis zum Bäcker kurz hinter dem Marktplatz, verändert. Der Weg schien mir kurz, Pappenheim selbst klein und gemütlich, ohne große Hektik. Beruhigend jedoch fand ich, dass meine Erinnerung mit dem "damaligen Heute" übereinstimmte. Und diese Beständigkeit empfinde ich heute wieder so, wenn ich auf die offiziellen Seiten der Stadt Pappenheim schaue und viele Bräuche wiedererkenne. Die Stadt hat sich positiv verändert, den Kern hat man liebevoll restauriert. Ein kleines Schmuckstück ist aus "Meinem Pappenheim" geworden.  



 

Zu spät

Hast meine Kindheit eingefangen
du altes und geliebtes Haus.
Ich bin einfach fortgegangen,
hielt's irgendwann mal nicht mehr aus.

Die große Welt stand mir nun offen,
hab viel erlebt und viel geschaut;
doch nichts, was ich hier angetroffen,
war mir so wie du vertraut.

Als ich dann nach vielen Jahren
kehrte heim, zu dir zurück,
musste bitter ich erfahren,
zerbrochen war mein Traum, mein Glück.

Nichts mehr war von dir erhalten,
keine Mauer, keine Wand;
und auch niemand von den Alten
bot mir noch zum Gruß die Hand.

Wo sind sie alle nur geblieben,
die lieben, guten Menschen mein?
Ich fühl’ mich einsam und vertrieben,
kann niemals mehr zu Hause sein.

von Annegret Kronenberg

Gedicht "Zu spät"  - http://www.gedichte-garten.de


Durch den Torbogen des Neuen Schlosses (am Marktplatz) ging ich täglich auf meinem Weg zum Kindergarten.




Ich spüre und empfinde noch heute das Heimweh, das ich empfand, wenn der Hahn krähte, während ich durch den Durchgang des Neuen Schlosses gehen wollte. Dieses starke Gefühl ließ mich so manches Mal umkehren und nach Hause gehen statt in den Kindergarten, der ohnehin nicht geliebt wurde von mir, denn er engte mich und meine kleine Freiheit ein. Außerdem gab es dort solch schreckliche Lieder wie "Im Märzen der Bauer" und da kam dann "Im Winter da gibt es den  fröhlichen Schmaus" und immer an dieser Stelle hatte ich das Gefühl, alle Kinder würden auf mich schauen, um mich auszulachen, da ich so ähnlich hieß, und das habe ich gehasst (was mir häufig eine Strafecke in einem anderen Raum [Gesicht zur Wand] einbrachte). Wer wollte es mir dann verübeln, wenn ich beim Krähen des Hahns Heimweh bekam und unverzüglich nach Hause, statt in den Kindergarten marschierte? Der Kindergarten befand sich oben in der Altstadt, unterhalb des  abgebildeten Tores auf der linken Seite. Spaß hatte ich Ostern - beim Ostereier-Suchen im Kindergarten-Garten. 

Später dann bin ich in die Alte Schule, die, wenn man das rechte Bild betrachtet, linker Hand lag, gegangen. Dort wurden mehrere Klassen zusammengefasst und unterrichtet (bis die neue Schule fertiggestellt war). Irgendwo in der Nähe der Alten Schule muss auch das Feuerwehrhaus gewesen sein, wenn ich es richtig erinnere.

 

                                                       

 

 

Als 1886 das neue Schulgebäude errichtet wurde, mussten drei Gebäude abgerissen werden. Bis 1954 war in den Obergeschossen die Volksschule und im Erdgeschoss die Feuerwehr untergebracht. (Quelle: pappenheim.de)

 

Auf dem alten Judenfriedhof (Bild) habe ich Unmengen von Maikäfer - in der Dämmerung - gefangen. War das ein Spaß - etwas Gruseln - gab es kostenlos dazu.



Die Schützenstraße hat mich - beim Anblick des nachfolgenden Bildes - daran erinnert, wie ich als  Kind - vielleicht sechs oder sieben Jahre alt - mit meinem Vater auf die Kirchweih gehen wollte. Irgendwie saß am Eingang ein Mann der bettelte. Er erzählte mir, wie arm und wie hungrig er sei und ob ich nicht eine kleine Spende für ihn hätte. Ich gab ihm mein gesamtes Kirchweihgeld, ein kleines Vermögen für mich. Später dann trafen mein Vater und ich diesen armen Menschen im großen Zelt bei einem lustigen Umtrunk wieder. Ich spüre noch heute meine Enttäuschung darüber, dass ein Erwachsener so unverfroren und schamlos ein Kind belügt, um an dessen Geld für sein Bier zu kommen. Seit dieser Zeit bin ich mit Spenden sehr vorsichtig und sparsam geworden.



 



Die Niederländer (auch VanVan genannt)


                   


VanVan

Jedes Jahr am letzten Wochenende im Mai treffen sich von Freitag bis Sonntag in Pappenheim die Niederländer, auch VAN, Mynheers oder Vereinigung Allniederlandt genannt. Ein buntes, lustiges Völkchen, das am Sonntagmorgen in einem Umzug durch die Stadt in den Burghof zieht, wo mit der Maienpredigt der Ausklang des Treffens stattfindet.

Der zentrale Punkt, um den sich die Idee und schließlich die Vereinigung Allniederlandt aufgebaut hat, ist die Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, die in enger Verbindung mit den spanisch niederländischen Provinzen, Flandern, Brabant, Holland, Geldern und Mecheln steht. Diese Welt der künstlerischen Blüte, der Unbeschwertheit, des Lichts und der Freude hat der 1836 in Weilheim geborene Ludwig von Nagel, der selbst ein außergewöhnlich begabter Maler war, aufgegriffen. Er hat einen Freundeskreis gegründet, der sich bei seinen Treffen in diese wunderbare Welt der fröhlichen Kunst versetzt.

 Diese Vereinigungen haben sich in mehreren Städten Bayerns gegründet, und bis heute erhalten.


Seit 1884 treffen sie sich in Pappenheim

Ich habe mit diesen VanVan gute Geschäfte als Knirps von ca. fünf Jahren gemacht, indem ich in den Wald ging und Maiglöckchen pflückte, zu einem Sträußchen zusammenband und diese dann auf dem Marktplatz den VanVan anbot.

Es gab nicht einen, der sich nicht mit einem Zehnerle oder einem Fuffzgerle bedankte. Ich weiß allerdings nicht mehr, was ich mit meinem Reichtum angefangen – sprich – wie ich ihn ausgegeben habe. – lach –

 Ein wunderbares Erlebnis für mich als Kind.

Anfang 1970 bin ich mit meinem Mann im Hotel Krone abgestiegen, in dem genau zu dieser Zeit auch die VanVan wohnten. Ich war stolz darauf, in diesem Hotel zu wohnen, da ich mir schon als ganz kleines Mädchen – nämlich immer dann, wenn ich für den „Herrn Bürgermeister“ Leberkäse dort abgeholt habe, schwor, „wenn ich einmal groß bin“ und später – „wenn ich jemals wieder nach Pappenheim kommen sollte, dann wohne ich im Hotel Krone“, und nun wohnte ich, das kleine Mädchen von damals, als junge Frau in diesem Hotel, unterhielt mich mit einigen VanVan, die uns wiederum eine kleine Führung gaben durch den Sitzungssaal, mit launigen Erklärung von einem VanVan über die VanVan. Später hatten wir noch einen wunderbaren Abend im Kreise der VanVan  im Hotel Krone.

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, sich den Kinderwunsch oder –traum erfüllt zu haben. Viele Chancen für die Erfüllung von Kinderträumen bietet das Leben ja nicht.

1980 wohnte ich mit meiner Familie nochmals im Hotel Krone und ich zeigte damals meiner kleinen Tochter Pappenheim,  so, wie ich es als Kind gesehen und erlebt hatte, was wiederum meiner kleinen Tochter sehr gut gefiel und ein Erlebnis für sie war, da es noch viele Plätze gab, die ich aus meinen Kindertagen kannte, sodass ich die passenden Erlebnisse an Ort und Stelle erzählen konnte.





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Logo: Pappenheim-Gasthausschild, Mai 2011, Urheber Franzfoto,
GNU Lizenz für freie Dokumentation
, Vers. 1,2
Quelle: wikimedia

Bild: 1a (klein): Teil aus dem Pappenheim-Gasthausschild

Bild 1, 2, 3, 6, 7, 8, 9, 11 und 12 gefunden unter:
http://www.pappenheim.de

Bild 4, 5 und 10: ©Dieter Reitlinger, gefunden unter - 
Pappenheimer Skripent "Aus alter Zeit"

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