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Literatur



04.1


Sagen aus Hamburg

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Von einigen Ungeheuern in der Elbe (1549 - 1659)

Die alten Chronisten erzählen uns von vielen wunderbaren Ungeheuern, welche in der Elbe bei Hamburg vorgekommen sein sollen. Von den Schlangenknäueln im Jahre 1010 ist schon die Rede gewesen. Fernere Naturwunder sind folgende:

Ao. 1549 fing man in der Elbe beim Grevenhof, dem Eichholze in Hamburg gegenüber, einen ganz unerhörten Fisch, sechs Ellen lang und dicker als eine Hamburger Biertonne. Da sein Maul absonderlich stumpf war, so gaben die vaterstädtischen Gelehrten dem entdeckten Fisch sofort den Namen "Stuvmuhl", was im Hochdeutschen so viel heißt als Stumpfmaul, wovon übrigens, wie es scheint, die wissenschaftliche Naturkunde weiter keine Notiz genommen hat.

Ein anderes Monstrum ließ sich im Jahre 1615 in der Elbe seben, am meisten bei Teufelsbrück, wo es von jeher nicht geheuer gewesen ist, wie schon der Name sagt. Der Teufel muss in dem dortigen düstern Walde eine seiner vielen Herbergen gehabt haben, denn die Stelle des heutigen schönen Flottbecker Parks wird in alten Urkunden "des Düvels Boomgarden" benannt; vielleicht auch war er dort vom Ritter Bertram in die Enge getrieben, welcher deshalb den schönen Ehrennamen Möt-den-Düvel (Motemeduvele) führte. 

Genug, dort bei Teufelsbrück tauchte oftmals ein Minstrum aus den Fluthen oder sonnte sich nach Art der Robben auf den Sandbänken zur Ebbezeit. Es war gestaltet wie ein ungeheures Pferd mit einem riesigen Schweinskopf. Aus dem Rachen draueten vier lange scharfe Zähne hervor. Alle Kugeln, die man auf das Unthier schoß, prallten wirkunslos ab von seiner hornharten Haut. Nach einiger Zeit aber, so meldeten Chronisten, verlor sich solch Spectrum oder Gespenst gänzlich aus diesen Gewässern.

Ao. 1638 schwamm in der Unterelbe bei Freiburg im Lande Kedingen ein gräuliches Ungeheuer umher, fast gestaltet wie ein riesiger Hirsch, mit spießigem Geweih auf dem Kopfe. Der Hamburgische Schiffer Peter Bartels, ein fester nüchternerMann, welcher mit seinem Schiffe und Schiffsvolk just dort lag, machte Jagd auf das Gethier und vermeinte, es zu fangen. Aber als er grade mit Harpunen und Haken darnach langte, verschwand es plötzlich vor seinen sehenden Augen, und zwar in so ganz schrecklicher Weise, dass den guten Mann, der doch sicher nicht nervenschwach war, vor Entsetzen auf der Stelle der Schlag rührte. Sprachlos wurde er heim gebracht und verschied bald darauf. Naturkundige aber wollten wissen, besagtes Monstrum habe wohl eine elctrische Kraft in seinem Schwänze gehabt, und mit demselben, vermittelst der in seinen Händen gehaltenen Harpunen, ihm einen so derben elctrischen Schlag communicirt, dass er darüber Todes verfahren müssen.

1658, am 1. September, wurde bei Blankenese von den Fischern ein merkwürdiger Fisch erhaschet, dendie Seefahrer "Butzkopf" genennet. Es war nur ein Weiblein, aber dennoch in der Runde drei Ellen dick und 28  Fuß lang ohne den Steert. Er wurde bei Hamburg an den Strand gebracht, und gegen eine geringe Ergötzlichkeit für die Fischer an Jedermann gezeigt, woselbst ihn auch Herr Mag. Petrus Hesselius, der Pesthof-Prediger auf dem Hamburger Berge, gesehen hat. Derselbe vermeldet, man habe für großen Gestank nicht lange bei dem Besehen ausdauern können, dannenhero Viele ihn auch den Stinkfisch geheißen; als es damit zu arg geworden, seien aus ihm viele Tonnen Thran gebrannt, und schließlich meint Mag. Hesselius, der ihn auch hat zeichnen und in Kupfer stechen lassen, dass die Bedeutung dieses an solchem Orte so ganz gewöhnlichen Fischfanges allein Gott bekannt sei.

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Sage 78: "Von einigen Ungeheuern in der Elbe",
Otto Beneke, aus: Hamburgische Geschichten
und Sagen, S.233-235, 2. Unveränderte Auflage,
ED: 1854, Verlag Perthes-Besser und Mauke, Hamburg

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Quelle: wikimedia.org

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