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Literatur



04.1


Sagen aus Hamburg

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Hamburger wollen keinen Schimpf leiden (1478)

Um die Zeit, da Hamburg längst eine freie und mächtige Stadt war, die größte wohl nach Lübeck unter den Hansestädten, gab's oftmals Händel zwischen unsern Bürgern und den Holsteinern. Denn die Hamburger waren just nicht demüthig, sondern wußten, was sie  vorstellten, und wenn sie auf reisen in fremden Städten Gutes sahen, so war doch Alles bei ihnen viel besser, was sich gelegentlich noch jetzt zutragen kann. Die Holsteiner aber wurmte es, dass Hamburg aus einem Städtlein ihrer Grafen eine so mächtige, reiche und freie Stadt geworden war und wenn unsre Bürger auf die vollen Säckel schlugen, dass es klang, und als die großen Hansen einherstolzierten, dann gab's böses Blut hie und dort.

Nun war dazumal das Brauwerk ein Hauptgewerbe in Hamburg, und das gute Bier wurde ausgeführt in alle Welt und hatte der Stadt Ruhm und Reichthum mitbegründet helfen, darum das Brauwerk von Rat und Bürgerschaft wie ein Augapfel allzeit sorglich bewacht wurde.

So wohlhabend nun auch das Gewerk war, so steckten in den 531 Brauhäusern der Stadt doch manche fremde Kapitalien, wie das in aller Welt so ist, dass Hauseigentümer zum Bauen und Bessern anderer Leute Geld gegen Zins aufnahmen und in ihre Erbe einschreiben lassen. Da nun, wegen des Reichtums der Brauer, alles Kapital, was in Brauerben war, am sichersten geachtet wurde, so hatten manche Holsteiner, zumal viele vom Adel, nicht unbeträchtliche Summen dort angelegt, gewisslich nicht um den Hamburgern einen Dienst zu tun, sondern weil sie selbst dabei am besten fuhren.

Da nun dies ruchtbar wurde, begannen die Holsteiner in aller Weise unsre Bürger zu hänseln; foppten sie als Großprahler, die doch arme Schlucker wären, weil ohne Holsteinisches Kapital das Hamburgische Brauwerk und damit der ganze Wohlstand der Stadt nicht bestehen könne; welche Beschimpfungen unsere Bürger gewaltig wurmte.

Da nun E. E. Rat solches erfuhr, nahm er sich der Bürger rechten Unmut billig zu Herzen und sann auf Abhilfe. Und weil zu selbiger Zeit auch der König von Dänemark in einigen Anschreiben nicht eben fein darauf anspielte, dass sein Holsteinischer Adel mit Kapital und Renten in Hamburg wohl possessioniert sei, so schlug das dem Fass den Boden aus. Darum ließ der Rat die Ältesten der Brauerbrüderschaft fordern, ingleichen auch die vornehmsten unter den erbgesessenen Bürgern, und beredete mit denselben die Mittel und Wege, den Schimpf von dieser guten Stadt abzuwälzen, durch schleunige Auszahlung aller schuldigen Kapitalien und Ablösung der verschriebenen Renten. Und die Bürger, die keine Brauhäuser hatten, also eigentlich bei dem ganzen Handel unbeteiligt waren, erklärten sich gern bereit, zu Ehren der Vaterstadt ein Opfer zu bringen, um nur den unleidigen Schimpf, als könne Hamburg ohne der Holsten-Junker Geld nicht bestehen, mit Stumpf und Stiel auszurotten. So kam die Sache leicht zu Stande. 

Was die Brauer und Brauhaus-Eigentümer nicht aus eignen Mitteln gleich zusammenbringen konnten, das legten ihre guten Mitbürger hinzu, und vom gemeinen Gut der Stadt wurde der Rest aufgebracht; und als nun sämtliche Kapitalien, Gülten und Renten der Holsteiner auf- und losgekündigt, und dann bei Heller und Pfennig auf einem Brett ausbezahlt wurden, womit allen ihren ferneren Großsprechereinen das Tor verschlossen war, da staunte König, Adel und Landschaft über der Hamburger Reichtum und Macht, noch mehr über ihre einmütige Großherzigkeit zur Ehre der Vaterstadt.

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Sage 68: "Hamburger wollen keinen Schimpf leiden",
Otto Beneke, aus: Hamburgische Geschichten und
Sagen, S.150-152, 2. Unveränderte Auflage, ED: 1854,
Verlag Perthes-Besser und Mauke, Hamburg
wikisource

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: "Raven 1"
Paul Gustav Dore,
gemeinfrei
Quelle:
wikimedia.org


Kleines Bild: Ausschnitt aus "Raven 1"
Paul Gustav Dore


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