Sagen
aus
Hamburg
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Ao.
1417 waren
die Grafen und Herzöge von Holstein und Schleswig mit König Erich von
Dänemark
in offenbare Fehde geraten, und von demselben, der bereits Gottrop
belagerte,
hart bedrängt. Da nun den Fürsten der Hamburger Beistand sehr
wünschenswert
erschien, so kam Graf Heinrich in Person nach Hamburg gereist, um
Hilfsvölker
zu erbitten. Der arme Herr konnte nicht reiten und nicht schreiten,
denn er war
gerade arg mit der Gicht geplagt, erschien also in einem Wagen und ließ
vorm
Rathause Stille halten. Da er nun nicht absteigen und ins Rathaus gehen
konnte,
so kam auf seines Begleiters Herrn von Brockdorfs Ansuchen, E. E. Rath
zum
Grafen an den Wagen hinaus. Daselbst versammelten sich auch alsbald die
vornehmsten Bürger und Unzählige aus dem Volke, welche insgesamt der
wichtigen
Staats-Verhandlung beiwohnten, die dergestalt, nach Art unserer
ältesten
Vorfahren, unter Gottes freiem Himmel gehalten wurde.
Der
Graf gab nun
zuvörderst seine große Not beweglich zu verstehen und forderte die
Hamburger
auf, ihn, ihren Freund und Bundesgenossen, in dräuender Gefahr nicht zu
verlassen, sondern ihm beizustehen, seines Hauses Recht zu behaupten.
E. E.
Rath, welchem zwar des guten Fürsten Missgeschick sehr zu Herzen ging,
glaubte
dennoch, als Hüter des Gemeinwohls, dagegen erinnern zu müssen, dass
Hamburg
kraft seiner Privilegien von allen Kriegspflichten und Zuzügen gänzlich
befreiet sei, weshalb die Stadt keine höchst präjudizierliche Ausnahme
davon
machen dürfe.
Da
nun die umstehenden
Bürger dies Wort des Rates vernahmen und ersahen, wie Graf Heinrich
dazu ein
betrübt Gesicht machte, da erhüben sie ihre Stimme laut gegen den Rath,
und
Etliche traten vor und sprachen: Es bringe ihnen keine Ehre, dem Grafen
den
Zuzug zu weigern; man müsse den Rath zwingen, dem Grafen in ehrlicher
Fehde zu
Schutz und Trutz beizuspringen. Andere redeten zu demselben Ziele
klüglich und
sprachen: Privilegien seien gut und nützlich, wenn aber Der, welcher
sie
gegeben, selber in der Feinde Gewalt geriete, was dann dessen
Privilegien noch
nützen könnten?; da seine Feinde sie schwerlich achten würden.
Und
Andere riefen
noch lauter, dass Hamburg dem edlen Hause der Schauenburger gar viel
verdanke,
dass des Grafen Heinrich Ahnherr Adolf der Stadt die Freiheit gegeben
und seine
Nachfolger nicht minder sich verdient gemacht hätten; und dass es eine
schlechte Sache wäre, wenn sie den Enkel verlassen sollten, da sie doch
Treue
und Anhänglichkeit dem erlauchten Stamme beweisen möchten. Und setzten
also dem
Rate stark zu, dass er Hülfe versprechen möge, sie wären willig und
bereit dazu
dem Schauenburger Hause in Not und Gefahr treu zu bleiben.
Und
der Graf stand
auf im Wagen und grüßte dankend nach allen Seiten hin, wo seine treuen
Fürsprecher standen und war bewegt in seinem Sinn und sagte nur "habt
Dank, ihr lieben Männer und guten Freunde, habt Dank!" Und der Rath
besann
sich auch nicht lange mehr, und da er der Bürger Vollbord ungefordert
dazu
erlangt hatte, so sagte er mit Freuden dem Grafen Geld und Kriegsvolk
zu.
Danach
rüsteten
die Hamburger und schreiben dem König Erich einen Absagebrief, worüber
derselbe
sich sehr entsetzte (wie die Chronik berichtet), und da auch bald
darauf
600 Hamburger Schützen gen Gottorp zum Einsatze kamen, so hob er
eilendst
die Belagerung auf. Die Hamburger aber, welche neue Mannschaft von
ihrer Stadt
erhalten hatten, zogen ihm nach, eroberten Tondern und viele
Jütländische
Städte und hielten ihr Wort, das sie dem Grafen gegeben, ehrlich, wie
gute
Deutsche Männer, obschon der Krieg noch etliche Jahre, bis 1423
dauerte, worauf
aber schon 1426 ein neuer Krieg ausbrach.
Von der
Abschaffung der Feuerprobe (1257)
Bis
in die Mitte
des dreizehnten Jahrhunderts war zu Hamburg noch die Feuerprobe im
Schwange,
ein uraltes überall verbreitetes Gerichtsmittel, um die Wahrheit zu
erkunden.
Wer einer Missetat oder Falschheit stark verdächtigt war, der musste um
seine
behauptete Unschuld zu beweisen, unter Anrufung Gottes, des
Allwissenden und
Allmächtigen, glühendes Eisen anfassen, oder auf rotgeglühtes Eisen
treten,
oder durch ein loderndes Feuer schreiten.
Kam
er dann
unverletzt davon, so nahm man an, dass Gott selbst die Wahrheit seiner
Behauptung durch dies Wunder erwiesen habe, und sprach in frei.
Es
gab
bekanntlich auch andere ähnliche Gottesgerichte, z. B. die Wasserprobe
und den
Zweikampf. Übrigens konnte gemeiniglich ein als ehrenhaft bekannter
Mann sich
schon durch seinen Eid vom Verdachte reinigen, und nur dem
übelberüchtigten,
dessen Eid keinen Glauben verdiente, wurde die gefährliche Feuerprobe
zuerkannt.
Schon
längst
waren von den Päpsten diese Gottesgerichte, namentlich die Feuerproben,
verboten, aber da das Volk nun einmal an ihre Untrüglichkeit glaubte,
so waren
sie schwer abzuschaffen. Papst Heinrich III. (um 1216) und Kaiser
Friedrich II.
(um 1221) erließen scharfe Dedikte dawider, und rotteten sie damit auch
an
vielen Orten aus. Aber in Hamburg blieben sie dennoch in Gebrauch, weil
manche
Dompäpste ihre Beibehaltung für nützlich erachteten.
Im
Jahre 1257
aber hat der Rath zu Hamburg ein Einsehen, und schickte einige Gesandte
nach
Viterbo in Italien zu dem Papst Alexander IV, dem diese vorstellten,
dass doch
endlich die gefährliche Probe des glühenden Eisens gänzlich abgeschafft
werde.
Der Papst nahm die Hamburgischen Legaten freundlich auf, versprach
Gewährung,
und gab ihnen ein Breve vom 1. Juli 1257, darin er erklärte, dass er
dem Rate,
der Bürger-Gemeine und dem Volke zu Hamburg, seinen geliebten Söhnen,
in Allem
zu willfahren gesonnen sei, was der gesunden Vernunft nicht zuwider
laufe, und
deshalb erfülle er gern ihre Bitte, und cassire hiermit gänzlich die
Feuerprobe, sodass kein Mensch gezwungen werden solle, sich ihr zu
unterwerfen,
und wer dawider handle, der solle dem Zorn des allmächtigen Gottes und
der
heiligen Apostel Petri und Pauli verfallen sein.
Damit
kehrten die
Hamburger Herren zurück, und da fortan kein Angeklagter Lust bezeigte,
freiwillig die Feuerprobe zu bestehen, so ist sie seitdem in Hamburg
nicht mehr
vorgekommen.
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Sage
47 und 28: "Hamburger
Treue",
Abschaffung der Feuerprobe, Otto Beneke, aus:
Hamburgische Geschichten und Sagen,
2. Unveränderte Auflage,
ED: 1854, Verlag Perthes-Besser und Mauke,
Hamburg
wikisource
Logo 108: "Raven 1" Paul Gustav Dore,
gemeinfrei
Quelle:
wikimedia.org
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