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Literatur



04.2


Sagen aus Deutschland

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Wichtlein und altes Gejaig an der Altmühl
 
Gleichwie an der Donau bei Kelheim, so hat es auch an der Altmühl, die sich ja eben bei Kelheim schwesterlich in der Donau Umarmung senkt, Wichteln. Dort im Altmühlbereich ist ohnehin ein weiter Tummelplatz von allerlei Spukgeistern. Da ist eine Mühle am Altmühlfluss gelegen, heißt die Bubenroder Mühle, der gegenüber sich der Burgstein hebt, ein hoher Steinfels mit einem Schlaufloch und unterirdischem Gang, daraus kamen allabendlich nach dem Gebetläuten drei Wichtlein in die Mühle und arbeiteten, reinigten, fegten, schütteten auf und mahlten, und am Morgen war alle Arbeit getan. Auch legten sie dem Müller auf einen Stein am Burgstein alle Tage einen blanken Funfzehner oder gar einen Sechsbätzner, die er fand und ruhig einsteckte. Mit dem ersten Schlag der Morgenglocke kehrten die Wichtlein wieder in ihren Felsen zurück.

Da wollte es der Müller auch gut machen und meinen, wie viele andere, zum Beispiel die Schleifmüller bei Brotterode, und ließ ihnen neue Kleidchen machen und legte sie auf den Steg, damit sie ihre alte schäbige Tracht ablegen sollten, denn sie sahen immer aus, als würden sie, wenn sie einer an eine Wand würfe, daran kleben bleiben. Da kamen sie, da nahmen sie die neuen Kleidchen, besahen sie her und hin, wandten sie traurig nach oben und nach unten und sprachen dann:

Abgelohnt,
Ausgefront,
Treuer Sinn,
Fahre hin!

Und schwanden samt den neuen Kleidchen hinweg und kamen nimmermehr wieder. Der Name Bibenrod soll von den Wichtlein herrühren, weil sie nicht größer als kleine Buben gewesen.
Nicht weit vom Burgstein ist ein Fels, heißt der Kloppengipfel, von dem zieht zum öfteren das wilde Gejaig, wie in dieser Gegend die wilde Jagst heißt, zum Burgstein mit seinem Lärm und Hallo hinüber und fährt längs der Teufelsmauer dahin.

Ludwig Bechstein

 


 

Die Seejungfrauen
 
Der Herrenwiesersee im badischen Gebirge heißt auch der Hummelsee oder der kleine Mummelsee, zum Unterschiede von dem großen Mummelsee, der drei Stunden südlicher gelegen ist.

Dieser kleine Mummelsee ist unergründlich wie der große, und auch in ihm wohnten vorzeiten Seejungfrauen, Seeweiblein genannt, die waren gut und hilfreich, kamen zur Nacht herab ins Seeland, wuschen frommen Leuten ihre Wäsche, bleichten sie zur Nacht im Mondschein und trockneten sie, bucken auch Brot, fegten die Häuser und hatten sich ganz wie die guten hülfreichen Erdmännele und Erdwichtele.

Auch den guten Wein schnitten sie zur Herbstzeit ab und trugen ihn in die Bütten, aber den sauern ließen sie hängen für die Vögel, darum gab es in den alten Zeiten bessern Wein und süßern als jetzt, und auch die Menschen waren besser, denn seit sich hie und da so ganz miserable Banden zusammengetan, denen Treue und Glaube nichts mehr gilt, welche Gott leugnen und seine Diener verhöhnen, da kommen auch die Seejungfrauen nicht mehr zum Vorschein und helfen nicht mehr, nur allenfalls kommen noch schlimme, wie jene Nixe im Hutzebacher See. Die wechselte einer Köhlersfrau ihr Knäblein gegen einen abscheulichen Balg aus, während die Mutter ins Holz gegangen war. Selbiger Wechselbalg hatte einen Kopf wie ein Sester (Gefäß), das sechzehn Maß Wein fasst und  Kalbsaugen, und war dabei hässlich wie ein Kanker, und hatte auch so dünne Beine. Er schrie beständig wie ein Rabe und wie ein Frosch. Wie der Mann heimkam und den Balg fand und seiner Frau Wehklage vernahm, strich er den Balg mit Ruten - da hörten beide ihr Kind am Seeufer weinen. Eilend holte es die Mutter, und der Vater nahm den Wechselbalg und warf ihn in den See. Da fuhr gleich die Nixe herauf, zerriss den Wechselbalg und fraß ihn mit Stumpf und Stiel, dabei wallte und wogte und rauschte und brauste der See und schlug hohe Wellen. 

Vom Hutzebacher See gibt es viele Sagen.

Ludwig Bechstein


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Textgrundlage: Ludwig Bechstein: Deutsche Sagenbuch.
Meersburg und Leipzig 1930, S. 564-564

zeno.org
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Textgrundlage: Ludwig Beschstein: Deutsches Sagenbuch
Meersburg und Leipzig 1930, S. 580-583
zeno.org

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Logo 33: "Circus" Stanislaw Osostowicz
(died 1939), gemeinfrei

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