Sagen aus Deutschland
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Wichtlein
und altes Gejaig an der
Altmühl
Gleichwie
an der Donau bei
Kelheim, so hat es auch an der Altmühl, die sich ja eben bei Kelheim
schwesterlich in der Donau Umarmung senkt, Wichteln. Dort im
Altmühlbereich ist
ohnehin ein weiter Tummelplatz von allerlei Spukgeistern. Da ist eine
Mühle am
Altmühlfluss gelegen, heißt die Bubenroder Mühle, der gegenüber sich
der
Burgstein hebt, ein hoher Steinfels mit einem Schlaufloch und
unterirdischem Gang, daraus kamen allabendlich nach dem Gebetläuten
drei
Wichtlein in die Mühle und arbeiteten, reinigten, fegten, schütteten
auf und
mahlten, und am Morgen war alle Arbeit getan. Auch legten sie dem
Müller auf
einen Stein am Burgstein alle Tage einen blanken Funfzehner oder gar
einen
Sechsbätzner, die er fand und ruhig einsteckte. Mit dem ersten Schlag
der
Morgenglocke kehrten die Wichtlein wieder in ihren Felsen zurück.
Da
wollte es der Müller auch gut
machen und meinen, wie viele andere, zum Beispiel die Schleifmüller bei
Brotterode, und ließ ihnen neue Kleidchen machen und legte sie auf den
Steg,
damit sie ihre alte schäbige Tracht ablegen sollten, denn sie sahen
immer aus,
als würden sie, wenn sie einer an eine Wand würfe, daran kleben
bleiben. Da
kamen sie, da nahmen sie die neuen Kleidchen, besahen sie her und hin,
wandten
sie traurig nach oben und nach unten und sprachen dann:
Abgelohnt,
Ausgefront,
Treuer
Sinn,
Fahre
hin!
Und
schwanden samt den neuen
Kleidchen hinweg und kamen nimmermehr wieder. Der Name Bibenrod soll
von den
Wichtlein herrühren, weil sie nicht größer als kleine Buben gewesen.
Nicht
weit vom Burgstein ist ein
Fels, heißt der Kloppengipfel, von dem zieht zum öfteren das wilde
Gejaig, wie
in dieser Gegend die wilde Jagst heißt, zum Burgstein mit seinem Lärm
und Hallo
hinüber und fährt längs der Teufelsmauer dahin.
Ludwig Bechstein

Die Seejungfrauen
Der
Herrenwiesersee im badischen
Gebirge heißt auch der Hummelsee oder der kleine Mummelsee, zum
Unterschiede von
dem großen Mummelsee, der drei Stunden südlicher gelegen ist.
Dieser
kleine Mummelsee ist
unergründlich wie der große, und auch in ihm wohnten vorzeiten
Seejungfrauen,
Seeweiblein genannt, die waren gut und hilfreich, kamen zur Nacht herab
ins
Seeland, wuschen frommen Leuten ihre Wäsche, bleichten sie zur Nacht im
Mondschein und trockneten sie, bucken auch Brot, fegten die Häuser und
hatten
sich ganz wie die guten hülfreichen Erdmännele und Erdwichtele.
Auch
den guten Wein schnitten sie
zur Herbstzeit ab und trugen ihn in die Bütten, aber den sauern ließen
sie
hängen für die Vögel, darum gab es in den alten Zeiten bessern Wein und
süßern
als jetzt, und auch die Menschen waren besser, denn seit sich hie und
da so
ganz miserable Banden zusammengetan, denen Treue und Glaube nichts mehr
gilt,
welche Gott leugnen und seine Diener verhöhnen, da kommen auch die
Seejungfrauen nicht mehr zum Vorschein und helfen nicht mehr, nur
allenfalls
kommen noch schlimme, wie jene Nixe im Hutzebacher See. Die wechselte
einer
Köhlersfrau ihr Knäblein gegen einen abscheulichen Balg aus, während
die Mutter
ins Holz gegangen war. Selbiger Wechselbalg hatte einen Kopf wie ein
Sester
(Gefäß), das sechzehn Maß Wein fasst und Kalbsaugen, und war
dabei
hässlich wie ein Kanker, und hatte auch so dünne Beine. Er schrie
beständig wie
ein Rabe und wie ein Frosch. Wie der Mann heimkam und den Balg fand und
seiner
Frau Wehklage vernahm, strich er den Balg mit Ruten - da hörten beide
ihr Kind
am Seeufer weinen. Eilend holte es die Mutter, und der Vater nahm den
Wechselbalg und warf ihn in den See. Da fuhr gleich die Nixe herauf,
zerriss
den Wechselbalg und fraß ihn mit Stumpf und Stiel, dabei wallte und
wogte und
rauschte und brauste der See und schlug hohe Wellen.
Vom Hutzebacher See gibt es viele Sagen.
Ludwig
Bechstein
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Textgrundlage: Ludwig
Bechstein: Deutsche Sagenbuch.
Meersburg und Leipzig 1930, S.
564-564
zeno.org
Gemeinfrei
Textgrundlage: Ludwig
Beschstein:
Deutsches Sagenbuch
Meersburg
und Leipzig 1930, S. 580-583
zeno.org
Gemeinfrei
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33: "Circus" Stanislaw Osostowicz
(died 1939), gemeinfrei
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