Sagen
aus Deutschland
_______________________
Hausgeister zu Nürnberg
Zu
Nürnberg hat es von je
allerlei Merkwürdiges gegeben, auch Hausgeister und Alraune fehlten
nicht, und
da neben dem Hausgeist der Handelsgeist in dieser ehrwürdigen
Reichsstadt
besonders mächtig war, ist es vorgekommen, dass heimlich Handel
getrieben ward
mit leibhaften Alraunen und Spiritus familiares. Ein altes Handelshaus
hatte
sie unter dem Namen Heckewurm und hielt sie hoch im Preise, eine bis
zwei
Pistolen das Stück, und es gab in der Tat gläubige Narren, die davon
kauften.
Eine
Goldschmiedsfrau hatte einen
Spiritus familiaris. Einst sprach er zu ihr: Frau, ein Sandkörnchen hat
Euer
Leben behütet! - Dieser Geist warnte sie vor Gefahren, betete mit ihr
und sang
mit ihr schöne Lieder und Psalmen und war ihr gut und nütze. Da überkam
sie der
leidige Frauentrieb, die schlimme Neugier, sie wollte den Geist
durchaus sehen,
wie jene Köchin den Hinzelmann. Vergebens warnte sie der Geist und
sagte ihr,
sie werde es bereuen. Sie drang immer heftiger in ihn - und da sie nun
in ihre
Kammer trat, so sah sie an der Mauer einen Schatten gleiten, anzusehen
wie ein
todbleiches Kind in weißem Totenhemdchen, eine Sanduhr in der Hand
haltend,
deren Sand fast verronnen war, und auf sotanes oberes Glas deutend und
schnell
verschwindend. Die Frau entsetzte sich, fiel alsbald in schwere
Krankheit. Ihr
Lebenssand verrann, und ihr Geist entfloh.
So
war auch einer zu Nürnberg,
der konnte die Geister beschwören, aber so, dass auch wirklich welche
kamen. Er
machte aber dazu sondere Zeremonien, deckte ein Tischlein, setzte
Milchschüsselchen
darauf, neue Messerchen und Tellerchen und Jungfernhonig, riss einer
schwarzen
Henne den Kopf ab, ließ Blut auf die Speise träufeln und nahm noch
allerlei
sonstiges seltsames Gebaren vor. Dies tat er im Freien auf einem
heimlichen
Plan, und dann barg er sich hinter einen Baum, und da kamen zwei
Erdmännlein,
setzten sich an den Tische, speisten und beantworteten die Fragen, die
Paul
Cruz, so hieß der Mann, an sie tat. Selbst den König dieser Geisterlein
brachte
er ans Licht. Der kam ganz allein, trug ein rotes Scharlachmäntelein,
warf ein
Buch auf den Tisch und ließ den Geisterbanner darinnen lesen. Der
schöpfte
daraus große Weisheit und seltsame Geschehnisse. Ob er aber auch das
Geheimnis,
selig zu sterben, darinnen funden, ist Gott allein bekannt.
Ludwig Bechstein

Fastradas Liebeszauber
Mit
einer unsterblichen Liebe
liebte Kaiser Karl sein Ehegemahl Fastrada, bis sie erkrankte und
starb. Dies
geschah zu Frankfurt am Main, von wannen ihr Leichnam erhoben ward und
gen
Mainz geführt, ihn allda zu bestatten. Aber der Kaiser wich nicht von
der
Verstorbenen und duldete nicht, dass man sie von ihm entferne, denn es
fesselte
ihn ein Zauber, wie vorher an die Lebende, so jetzt an die Tote.
Das
ward des Kaisers Umgebung auf
die Länge ganz unerträglich, fort und fort den Stank der Verwesung zu
atmen,
und endlich ahnete der weise Turpin, des Kaisers Ohm und Bischof von
Mainz,
dass ein Zauber hier walte, suchte und fand im Munde der Toten oder
nach
andern, in ihr Haar geflochten, den Ring mit dem Edelstein, den damals
zu
Zürich die Schlange in des Königs Becher gesenkt, und nahm den Ring an
sich.
Alsbald
wich der Zaubrer von
Fastradens Leichnam, die dem Kaiser bislang noch immer schön und frisch
und
blühend, wie eine Schlafende, erschienen war, deshalb er sie auch nicht
zu
bestatten erlaubte - und er erbebte jetzt vor ihrem Anblick und wollte
sie
nicht mehr sehen. Also ward Fastrada bestattet, aber nun wandte sich
Karls
ganze Liebe dem Erzbischof zu, der nun schon wusste, woher diese
Neigung
stamme. Und als Erzbeischof Turpin im Gefolge des Kaisern gen Aachen
zog, da
sah er unterm Frankenberge einen schönen See, der war still und tief
und
heimlich. Dahinein warf Turpin den Schlangenring. Alsobald entwich die
Zauberliebe aus Karols Herzen und wandte sich nun zu diesem See, wollte
nimmer
von ihm scheiden. Ließ ein Schloss zur Wohnstätte auf dem Berg über dem
See
bauen, da weilte er nun immerdar und hatte seine Augen stündlich auf
den See
gerichtet und verordnete, dass man ihn bei seinem Absterben alda in
seinem Münster
zu Aachen begraben solle. befahl auch, dass alle seine Nachfolger zu
Aachen vor
ihrer Krönung sich sollten salben und weihen lassen, welches auch also
geschehen ist in langer Reihe deutscher Kaiser bis nahe heran an die
neue Zeit,
da man nicht mehr deutsche Kaiser zu salben und zu krönen hatte und das
Reich
ein Ende genommen.
Ludwig
Bechstein


________________________
Sage:
"Hausgeister zu Nürnberg"
Ludwig
Bechstein:
Deutsches Sagenbuch, Meersburg und
Leipzig 1930,
S.
554-555
zeno.org
Sage:
"Fastradas Liebeszauber" Ludwig
Bechstein:
Deutsches Sagenbuch, Meersburg und Leipzig 1930, S. 102
zeno.org
Gemeinfrei
Logo 33:
"Circus" Stanislaw Osostowicz (died
1939),
gemeinfrei
wikimedia.org
|