lifedays-seite

moment in time

 
 
Literatur



04.2


Sagen aus Deutschland

_______________________


Hausgeister zu Nürnberg

Zu Nürnberg hat es von je allerlei Merkwürdiges gegeben, auch Hausgeister und Alraune fehlten nicht, und da neben dem Hausgeist der Handelsgeist in dieser ehrwürdigen Reichsstadt besonders mächtig war, ist es vorgekommen, dass heimlich Handel getrieben ward mit leibhaften Alraunen und Spiritus familiares. Ein altes Handelshaus hatte sie unter dem Namen Heckewurm und hielt sie hoch im Preise, eine bis zwei Pistolen das Stück, und es gab in der Tat gläubige Narren, die davon kauften.

Eine Goldschmiedsfrau hatte einen Spiritus familiaris. Einst sprach er zu ihr: Frau, ein Sandkörnchen hat Euer Leben behütet! - Dieser Geist warnte sie vor Gefahren, betete mit ihr und sang mit ihr schöne Lieder und Psalmen und war ihr gut und nütze. Da überkam sie der leidige Frauentrieb, die schlimme Neugier, sie wollte den Geist durchaus sehen, wie jene Köchin den Hinzelmann. Vergebens warnte sie der Geist und sagte ihr, sie werde es bereuen. Sie drang immer heftiger in ihn - und da sie nun in ihre Kammer trat, so sah sie an der Mauer einen Schatten gleiten, anzusehen wie ein todbleiches Kind in weißem Totenhemdchen, eine Sanduhr in der Hand haltend, deren Sand fast verronnen war, und auf sotanes oberes Glas deutend und schnell verschwindend. Die Frau entsetzte sich, fiel alsbald in schwere Krankheit. Ihr Lebenssand verrann, und ihr Geist entfloh.

So war auch einer zu Nürnberg, der konnte die Geister beschwören, aber so, dass auch wirklich welche kamen. Er machte aber dazu sondere Zeremonien, deckte ein Tischlein, setzte Milchschüsselchen darauf, neue Messerchen und Tellerchen und Jungfernhonig, riss einer schwarzen Henne den Kopf ab, ließ Blut auf die Speise träufeln und nahm noch allerlei sonstiges seltsames Gebaren vor. Dies tat er im Freien auf einem heimlichen Plan, und dann barg er sich hinter einen Baum, und da kamen zwei Erdmännlein, setzten sich an den Tische, speisten und beantworteten die Fragen, die Paul Cruz, so hieß der Mann, an sie tat. Selbst den König dieser Geisterlein brachte er ans Licht. Der kam ganz allein, trug ein rotes Scharlachmäntelein, warf ein Buch auf den Tisch und ließ den Geisterbanner darinnen lesen. Der schöpfte daraus große Weisheit und seltsame Geschehnisse. Ob er aber auch das Geheimnis, selig zu sterben, darinnen funden, ist Gott allein bekannt.

Ludwig Bechstein





Fastradas Liebeszauber

Mit einer unsterblichen Liebe liebte Kaiser Karl sein Ehegemahl Fastrada, bis sie erkrankte und starb. Dies geschah zu Frankfurt am Main, von wannen ihr Leichnam erhoben ward und gen Mainz geführt, ihn allda zu bestatten. Aber der Kaiser wich nicht von der Verstorbenen und duldete nicht, dass man sie von ihm entferne, denn es fesselte ihn ein Zauber, wie vorher an die Lebende, so jetzt an die Tote.

Das ward des Kaisers Umgebung auf die Länge ganz unerträglich, fort und fort den Stank der Verwesung zu atmen, und endlich ahnete der weise Turpin, des Kaisers Ohm und Bischof von Mainz, dass ein Zauber hier walte, suchte und fand im Munde der Toten oder nach andern, in ihr Haar geflochten, den Ring mit dem Edelstein, den damals zu Zürich die Schlange in des Königs Becher gesenkt, und nahm den Ring an sich.

Alsbald wich der Zaubrer von Fastradens Leichnam, die dem Kaiser bislang noch immer schön und frisch und blühend, wie eine Schlafende, erschienen war, deshalb er sie auch nicht zu bestatten erlaubte - und er erbebte jetzt vor ihrem Anblick und wollte sie nicht mehr sehen. Also ward Fastrada bestattet, aber nun wandte sich Karls ganze Liebe dem Erzbischof zu, der nun schon wusste, woher diese Neigung stamme. Und als Erzbeischof Turpin im Gefolge des Kaisern gen Aachen zog, da sah er unterm Frankenberge einen schönen See, der war still und tief und heimlich. Dahinein warf Turpin den Schlangenring. Alsobald entwich die Zauberliebe aus Karols Herzen und wandte sich nun zu diesem See, wollte nimmer von ihm scheiden. Ließ ein Schloss zur Wohnstätte auf dem Berg über dem See bauen, da weilte er nun immerdar und hatte seine Augen stündlich auf den See gerichtet und verordnete, dass man ihn bei seinem Absterben alda in seinem Münster zu Aachen begraben solle. befahl auch, dass alle seine Nachfolger zu Aachen vor ihrer Krönung sich sollten salben und weihen lassen, welches auch also geschehen ist in langer Reihe deutscher Kaiser bis nahe heran an die neue Zeit, da man nicht mehr deutsche Kaiser zu salben und zu krönen hatte und das Reich ein Ende genommen.

Ludwig Bechstein




________________________

Sage: "Hausgeister zu Nürnberg" Ludwig Bechstein:
Deutsches Sagenbuch, Meersburg und Leipzig 1930,
S. 554-555
 zeno.org

Sage: "Fastradas Liebeszauber" Ludwig Bechstein:
Deutsches Sagenbuch, Meersburg und Leipzig 1930, S. 102
zeno.org

Gemeinfrei

Logo 33: "Circus" Stanislaw Osostowicz (died 1939),
gemeinfrei 
wikimedia.org


  lifedays-seite - moment in time