Sagen aus Deutschland

Der blinde
Mönch
- im Kloster
Weltenburg im Naturpark Altmühltal -
Kaiser
Karl
weilte einmal in Regensburg, das damals bayerische Landeshauptstadt
war. Von
hier aus ritt er mit großem Gefolge Donau aufwärts nach Weltenburg.
Dort wurde
er vom Abt und allen geistlichen Söhnen des Klosters Weltenburg
ehrfurchtsvoll
empfangen. Nur ein Mönch fehlte dabei: der blinde Mönch Romuald. Den
hatte der
Prior wegen des großen Getümmels und Gedränges von der
Begrüßungspflicht
entbunden.
Beim
Gastmahl
jedoch war auch Romuald zugegen. Seine lichtlosen Augen starrten in die
Richtung, wo sich Kaiser und Abt unterhielten. Bald wurde der Kaiser
auf ihn
aufmerksam. Es kam ihm so vor, als hätte er das Gesicht des Mönches
schon
einmal gesehen. Der Kaiser fragte nach Namen und Schicksal des Blinden.
"Wir wissen beides nicht", antwortete der Prior; "er kam eines
Tages, geführt von zwei Brüdern aus dem Kloster Lorch am Rhein und bat
um
Aufnahme. In einem Schreiben des Abtes hieß es: Fraget nie nach seinem
Namen,
erbaut euch nur an seinen Tugenden""
Nun
wollten dem
Kaiser Speise und Trank nicht mehr munden, und der Tag verging düster
wie ein
Schatten.
In
der Nacht
stand der Kaiser am Fenster, und mit einem Male kam ihm der Gründer des
Klosters Weltenburg in den Sinn, der letzte Bayernherzog Tassilo. Karl
wurde
von einem bösen Gewissen gemartert. Er sah den Tag wieder vor
sich, an dem
er Tassilo die Augen hatte ausbrennen lassen, an dem er ihm das
Herzogtum
geraubt und ihn zu lebenslänglichem Aufenthalt im Kloster verurteilt
hatte.
Sogar Weib und Kind hatte er von ihm getrennt und sie ins Kloster
geschickt.
Um
die zwölfte
Stunde hörte Karl eine knarrende Tür und schlürfende Schritte. Der
Kaiser trat
aus dem Zimmer und prallte erschrocken zurück; am Ende des Ganges sah
er den
blinden Mönch, von Licht und Glanz umflossen, begleitet von einem
strahlenden
Jüngling. Gebannt folgte er den beiden über die Treppe hinab in die
Kirche.
Romuald kniete an den Stufen des Hochaltars nieder und betete mit
ausgebreiteten Armen:
"Allmächtiger
Gott, verzeihe meinem Feinde Karl, was er mir, meinem Weibe, meinen
Söhnen und
Töchtern angetan. Hilf uns unser Schicksal tragen! Schütze mein
Bayernland und
gib Kaiser Karl die Kraft, es gut zu regieren!". Erschüttert
erkannte der Kaiser in dem blinden Mönch den Bayernherzog Tassilo, den
er ins
Elend gestoßen hatte. Er sank auf die Knie und barg sein Gesicht in die
Hände.
Nach einer Weile erhob er sich, schritt an den Altar, warf sich
dem Mönch
zu Füßen und bat: "Tassilo, heiliger Mann, verzeihe mir! Ich will dich
wieder über Bayern setzen." Da sprach der Blinde: "Alles hast du mir
genommen! Doch eines hast du mir gegeben: den Seelenfrieden. Regiere du
mein
Land; mich aber lass in Gottes Frieden und sterben im Kloster Lorch am
Rhein!"
Und
so geschah es
nach seinem Wunsche.
Alljährlich
in seiner Todesnacht am 11. Dezember aber
erscheint Tassilo in der Klosterkirche Weltenburg. Er wirft sich am
Altare
nieder und betet für Land und Volk der Bayern

Der
verschlafene Nachtwächter von
Berching
Damit
der Nachtwächter, der zu
Berching die Stunden aus sang, bei Kälte und Wetter einen Unterschlupf
habe,
stand am Gasthaus zur Post und beim Bärenwirt am Oberen Markt je ein
Schilderhaus mit einem Sitzbänkchen. Dort verbrachte er, wenn alles
ruhig war,
die Zeit zwischen dem Stundenansagen.
Nun
hatte der Stadtrat den
Auftrag gegeben, die beiden Schildhäuschen neu instand zu setzen, schön
weiß
und blau zu streichen. Sie waren derenthalber für ein paar Tage zum
Maler
geschafft worden. Der Nachtwächter, ohne Obdach für seine Ruhepausen,
setzte
sich nach dem ersten Rundgang kurz entschlossen in die Postkutsche, die
beim
Gashaus zur Post abgestellt war, um ein Nickerchen zu halten.
Er
schlief aber so fest, dass er
gar nicht wahrnahm, wie bald danach der alte Postkutscher die Pferde
anspannte
und loszuckelte, die Post nach Beilngries zu bringen. Da er keinen
Fahrgast
hatte, schaute er nicht lange in den Wagen, spannte in Beilngries vor
der Post
aus und ließ den Wagen stehen. Der Nachtwächter hatte, sanft
geschaukelt,
derweilen schon die erste Runde verschlafen. Als es nun aber gegen die
Mitternachtsstunde ging, ward er unruhig und erwachte. Schlaftrunken
rappelte er
sich auf, griff nach seinem Spieß und rumpelte mit dem ersten
Uhrenschlag
heraus: "Hört, ihr Herr", setzte er seinen Nachtwächterruf ein. Das
Wort blieb ihm im Halse stecken; denn äffte ihn der Teufel - im
gleichen
Augenblick bog mit Spieß und Laterne sein Ebenbild um die Ecke. Es war
der
Beilngrieser Nachtwächter, der ordnungsgemäß seinen Gang tat und sang:
"unser Glock hat zwölf -". Auch ihm verschlug es die weiteren Worte.
Er vermeinte, irgendwer wollte ihm einen Schaden antun. Einen
Augenblick
zögerten beide, dann stürzten sie aufeinander zu und begannen sich nach
allen
Regeln der Kunst mit ihren Spießen zu verdreschen. Es dauerte eine
Weile, bis
die vom Lärm aufgescheuchten Gäste aus dem Gasthaus herbeieilten. Sie
trennten
die beiden Streithänse und stellten unter Lachen und Spott den
Sachverhalt
fest. Mit blauen Flecken und hinkend trat der Berchinger Nachtwächter
beschämt
den Heimmarsch an und verschwor sich, seiner Lebtag sich nimmer in die
Postkutsche zum Ausruhen zu setzen.
oben


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Sage:
"Der blinde Mönch"
Ludwig
Bechstein:
Quelle
Sage:
"Der verschlafene Nachtwächter"
Ludwig
Bechstein:
Quelle
Gemeinfrei
Logo 33:
"Circus" Stanislaw Osostowicz (died
1939),
gemeinfrei
wikimedia.org
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