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Literatur


04.2



Biografie

Gertrud Marx





Gertrud Marx war eine deutsche Lyrikerin.



Geboren:     13. November 1851 in Düsseldorf
Gestorben:  14. Oktober 1916 in Königsberg
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Gertrud Simon wurde am 13. November 1851 zu Düsseldorf geboren.

Im Alter von 20 Jahren folgte sie dem früh erwählten Gatten George Marx nach Köln, zog mit ihm von dort nach Elberfeld und schließlich im Jahre 1886 mit 8 Kindern, von denen das älteste 13½ das jüngste ½ Jahr alt war, nach Königsberg.

Sie hat 12 Kindern das Leben geschenkt; ein Söhnlein starb im ersten Lebensjahre, eine liebliche Tochter im Alter von 20 Jahren, nie vergessen in den Liedern der Mutter.

Am 14. Oktober 1916 endete dies reiche Leben.

Dieser nimmermüden Frau, die als die Krone ihres Gatten und die liebevolle Erzieherin ihrer Kinder niemals auch nur eine Stunde ihre vielen Pflichten außer acht ließ, blieb Zeit zur dichterischen Widerspiegelung nicht nur des eigenen Erlebens, sondern des gesamten Gedankenlebens ihrer Zeit.

Alte und neue Ideen finden hier ihren Widerhall, alle die Götter moderner Kunst und Wissenschaft erscheinen in ihren poetischen Tagebüchern. Der Grundton ihres Wesens aber bleibt ihr Judentum, ein in Kämpfen errungener, zu seltener Harmonie gewordener Besitz, ein Glaube, der sich der alten jüdischen Forderung gemäß auf Erkenntnis stützte.

Von ihrem Vater mit Schillers Worten aufgezogen, von der edlen musikfrohen Mutter mit der Liebe zur Kunst erfüllt, strebt sie in der Reife des Lebens danach, den Geist ihrer deutschen Umwelt mit dem Judentum zu vereinigen. Ihre Verse reden von ihrer Verehrung deutscher Dichter, von Schiller bis zu Eulenberg; aber auch von den großen jüdischen Büchern, dem Kusari, den Gedichten Gabirols, den Herzenspflichten des Bachia ibn Pakuda.
 
Vor allem lebten ihr die Bücher der Bibel im Herzen und auf den Lippen, wie das jüdische Jahr sie im Wechsel der Feierzeiten dem frommen Auge nahebringt;
sie klagt mit Jeremia am 9. Ab und jubelt mit dem Psalmisten, dessen Sprache in ihren religiösen Gedichten manchmal deutlich anklingt.
 
Den uralt heiligen Gebräuchen der Väter entlehnt sie alle Schönheit und allen Glanz, den sie über ein jüdisches Haus auszugießen vermögen; den strengen Pflichten, die sie dem Menschen Tag um Tag auferlegen, bringt sie Verstehen und Würdigkeit entgegen. Voll tiefer Innerlichkeit dem Geiste des altüberlieferten Judentums hingegeben, dessen Forderungen ihr eigenes Leben lückenlos erfüllte, war sie doch voll duldsamen Verständnisses für Religion in jedem Kleide, für die „Frommen unter den Völkern“, wie sie unsere alten Lehrer nennen. Die zelotischen Eiferer warnt sie: „Macht die Zäune nicht zu Mauern!“, und der Duldsamkeit erklingen tiefe Worte:
 
„Lasset jeden seines Weges ziehn
Nach der Art, die er von Gott empfangen,
An dem Stab, der ihm von  Gott verliehn,
Wird er auch zu seinem Ziel gelangen.
Irrtum ist des Menschen erblich Teil,
Erst durch Irren kommt er zum Erkennen,
Um den Weg zu seiner Seele Heil
Dankerfüllt den Weg zu Gott zu nennen.“
 
So schrieb sie wenige Monate vor ihrem Heimgange.
 
Klaren Blickes schaute sie in die jüdische Vergangenheit hinein, suchte den Sinn so vieler Schmerzen und Gefahren und fand ihn in der felsenfesten Überzeugung von der Sendung des Gottesvolkes an die Menschheit. Gleich hellen Auges aber erschaute sie die Kämpfe der jüdischen Gegenwart. Zur Mäßigung mahnt sie die Streiter in allen Lagern und freut sich doch an dem frischen, neuen Leben, das die jungjüdische Bewegung in den Herzen erweckt hat.
 
In dieses erfüllte Leben hinein tritt ein unheimlicher Gast – der Krieg. Ihre Söhne, Schwiegersöhne, Enkel sah sie ins Feld ziehen, sah das Elend der von Haus und Hof Vertriebenen, sah die Einsamkeit der Frauen und der Mütter. Mehr als das Geschehen im engen Kreise noch bedrückte sie die Last von Schmerzen und Tränen, unter der die Menschheit seufzte. Schwer bohrten sich in ihr von unbegrenzter Menschenliebe durchglühtes Herz die Leiden der östlichen Juden, denen die Heimstätten verheert wurden, die einem undankbaren Vaterlande Blut und Leben opferten. Dieser übermächtige Ansturm brach ihre Kraft. Die nie leidend gewesen war, erlag nach 14 Tagen einer im Anfang ungefährlichen Krankheit. Sie starb erfüllt von heißer Sehnsucht nach Frieden.
 
In ihren letzten Tagen fragte sie jeden, der an ihr Lager trat: »Ist der Friede gekommen?« Das war ihr letzter Gedanke auf Erden.

Bertha Bahr


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