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Literatur


04.2



Gedichte - Georg Weerth

Lieder aus Lancashire




 Sie saßen auf den Bänken
 
Sie saßen auf den Bänken,
Sie saßen um ihren Tisch,
Sie ließen Bier sich schenken
Und zechten fromm und frisch.
Sie kannten keine Sorgen,
Sie kannten kein Weh und Ach,
Sie kannten kein Gestern und Morgen,
Sie lebten nur diesen Tag.
 
Sie saßen unter der Erle –
Schön war des Sommers Zier –
Wilde, zorn'ge Kerle
Aus York und Lancashire.
Sie sangen aus rauhen Kehlen,
Sie saßen bis zur Nacht,
Sie ließen sich erzählen
»Von der schlesischen Weberschlacht.«
 
Und als sie alles wußten,
Tränen vergossen sie fast,
Auffuhren die robusten
Gesellen in toller Hast.
Sie ballten die Fäuste und schwangen
Die Hüte im Sturme da;
Wälder und Wiesen klangen:
»Glück auf, Silesia!«


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 Herüber zog eine schwarze Nacht
 
 Herüber zog eine schwarze Nacht.
Die Föhren rauschten im Sturme;
Es hat das Wetter wild zerkracht
Die Kirche mit ihrem Turme.

Zerschmettert das Kreuz, zerdrückt der Altar,
Zermalmt das Gebein in den Särgen –
Die gotischen Bögen wälzen sich
Donnernd hinab von den Bergen.

Zum Dorfe stürzt sich Turm und Chor
Als wie zu einem Grabe –
Da fährt entsetzt vom Lager empor
Und spricht zur Mutter der Knabe:
 
»Ach Mutter, mir träumte ein Traum so schwer,
Das hat den Schlaf mir verdorben.
Ach Mutter, mir träumte, soeben wär
Der liebe Herrgott gestorben.«


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Textgrundlage: "Sie saßen auf den Bänken",
"Herüber zog die schwarze Nacht" , Georg Weerth,
Sämtliche Werke in fünf Bänden. Band 1, Berlin 1956/57, S. 204-205.
zeno.org

Logo 131: "
Ur-Welt-Paar", Paul Klee, 1921, Quelle: Stiftung Museum Schloss Moyland/
Sammlung van der Grinten/Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen
 (Hrsg.): Paul Klee trifft Joseph Beuys. Ein Fetzen Gemeinschaft, Hatje Cantz Verlag,
Ostfildern 2000,
 
ISBN S. 57
Wikipedia 
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